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08.09.12 / Unkoordiniert und ohne klares Ziel / Deutsche Wirtschaft kritisiert Außenpolitik: Neue Wachstumsmärkte nicht im Blick

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-12 vom 08. September 2012

Unkoordiniert und ohne klares Ziel
Deutsche Wirtschaft kritisiert Außenpolitik: Neue Wachstumsmärkte nicht im Blick

Mit sieben Ministern und zahlreichen Wirtschaftsvertretern im Gefolge bereiste Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende August China. Aber die mit viel Aufwand betriebene Reise offenbarte auch die Schwächen der deutschen Politik.

China, China, immer wieder China. Merkel ist offenbar gern dort. Auch wenn ihre Kritik an Pekings Umgang mit den Menschenrechten zaghafter geworden ist, so kann sie hier doch regelmäßig noch glänzen. Außerdem kehrt sie mit symbolkräftigen Fotos und einigen Zusagen für mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit im Gepäck heim. Ohne Zweifel ist die Volksrepublik eine aufstrebende Macht und ein großer Markt für deutsche Firmen, 6,1 Prozent der deutschen Exporte gingen 2011 in das Riesenreich, 2001 waren es nur zwei Prozent. Chinas Bedeutung für die deutsche Wirtschaft steigt Jahr für Jahr. Doch das Land ist auch ein instabiler Riese, dessen hohes Wachstum keineswegs immer so weitergehen kann und wird. Und so wünschen sich immer mehr Vertreter deutscher Unternehmen, die deutsche Politik möge ihr Interesse etwas breiter streuen und sich nicht fast ausschließlich um die großen Länder wie China, Russland und die USA kümmern.

Die Wachstumsmärkte der nahen Zukunft hingegen wie in Lateinamerika, Afrika oder Asien hingegen können sich nur selten über Besuche deutscher Politiker freuen. Natürlich bieten Länder wie Vietnam, Indonesien, Malaysia, aber auch Angola oder die Vereinigten Arabischen Emirate nicht gleich so viele milliardenschwere Projekte mit einem Schlag, doch das scheint beispielsweise den südkoreanischen Präsidenten wie auch den Premier nicht davon abzuhalten, regelmäßig diese Länder zu bereisen, um dort gute Beziehungen aufzubauen, die der südkoreanischen Wirtschaft spätere Vertragsabschlüsse erleichtern. Aber selbst das große Brasilien liegt nicht auf Merkels Reiseroute. Am Amazons ist man stolz auf die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre und sieht sich als attraktiven Wirtschaftspartner, doch die deutsche Kanzlerin war bis jetzt erst eineinhalb Tage dort und dann noch nicht einmal exklusiv, sondern während einer Lateinamerika-Reise. Der Brasilien-Korrespondent des „Handelsblattes“, Alexander Busch, merkt an, dass sich das Land von Deutschland nicht ernst genommen fühle, so rede Berlin vorwiegend über Entwicklungszusammenarbeit und Regenwaldschutz, während Brasilien sich schon längst als aufstrebende Wirtschaftsmacht sieht. Busch betont, dass Deutschland doch eigentlich viel mit dem demokratischen Giganten Südamerikas verbinde, aber diese Beziehungen müssten dringend ausgebaut werden.

Marc S. Tenbieg, Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes, lobt auf PAZ-Anfrage zwar das China-Engagement der deutschen Außenpolitik, merkt aber an, dass es noch andere Wachstumsstaaten gebe. „Deutschland und seine Unternehmen haben in der Welt einen tadellosen Ruf“, so Tenbieg, „doch darf man sich nicht darauf ausruhen. Man muss vielmehr in einer engen Verbindung aus Politik und Wirtschaft außereuropäische Märkte für unsere Unternehmen zugänglich machen. Gute Beziehungen entwickelt man nachhaltig und das geschieht nicht von jetzt auf gleich.“ Zudem merkt er an, dass man bei den von der Politik zusammengestellten Delegationsreisen Vertreter des deutschen Mittelstandes vermissen würde.

Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, gibt gegenüber der PAZ zu bedenken, dass die Bundeskanzlerin weltweit wertvolle Kontakte für die deutsche Wirtschaft herstelle, aber die Nacharbeit noch zu optimieren sei. „Hier müssten die konsularischen Dienste und die Handelskammern stärker nachfassen. Hier fehlt es an effizienter Koordination und Controlling.“

Koordination vermisst auch Eberhard Sandschneider, Chef der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. So habe jeder Minister eine außenpolitische Abteilung, die aber oftmals untereinander gar nicht wüssten, was die anderen gerade im Ausland tun. Auf diesen Vorwurf von der PAZ angesprochen, verweisen die Pressesprecher des Entwicklungshilfeministeriums und des Wirtschaftsministeriums auf das Auswärtige Amt. Dieses antwortet blutleer: „Die Förderung der Außenwirtschaft ist eine Kernaufgabe des Auswärtigen Dienstes und wichtige Priorität dieser Bundesregierung.“ Und weiter: „Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, die Wirtschaftsbeziehungen zu den neuen Gestaltungsmächten auszubauen. Es geht darum, unsere traditionellen Partnerschaften in Europa und der Welt zu pflegen und gleichzeitig neue Partnerschaften mit den aufstrebenden Gestaltungsmächten in Asien, Lateinamerika und Afrika zu begründen.“

Sandschneider wünscht sich eine klare Interessenpolitik der deutschen Außenpolitik, die sich viel zu oft hinter den EU-Partnern und einer diffusen selbstgesetzten Werte-Politik verstecke. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat wiederum ganz konkrete Alltagswünsche. So kritisiert der VDMA-Außenwirtschaftsexperte Ulrich Ackermann im Gespräch mit der PAZ, dass es im Parlament keinen Ausschuss für Außenwirtschaftsförderung gebe. Zwar existiere ein Wirtschaftsausschuss, doch dessen Themenspektrum sei so weit gefasst, dass Außenwirtschaftsförderung kaum eine Rolle spiele. Auch müsse sich nicht das Auswärtige Amt (AA), sondern das Wirtschaftsministerium um Außenwirtschaftsförderung schwerpunktmäßig kümmern. Dass AA sei für Politik da. Außerdem müsse die Regierung als Ganzes eine klare Strategie entwickeln, wo man gemeinsam gezielt die Schwerpunkte setzen wolle, statt Diskussionsrunden mit Titeln wie „Globalisierung gestalten: Umgang mit neuen Gestaltungsmächten“ zu führen.

Doch Ackermann sieht auch Positives: So lobt er den bundeseigenen Informationsdienst „germany trade & invest“, die deutsche Ausland-Messe-Förderung und die  Idee der Exportkreditgarantien des Bundes, auch wenn sie noch etwas bürokratisch seien und sich für kleinere Unternehmen nicht lohnten.        Rebecca Bellano


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