28.03.2024

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08.09.12 / Die ostpreussische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-12 vom 08. September 2012

Die ostpreussische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           
liebe Familienfreunde,

manchmal denkt man, wenn man einen für unsere Ostpreußische Familie sehr ungewöhnlichen Wunsch veröffentlicht hat: Da kann eigentlich nichts kommen und wenn überhaupt, dann auf Umwegen. So kann man sich irren: Auf der Suche nach dem Künstler, der das Kreuz mit dem lebensgroßen Heiland geschaffen hat, das sich heute in der St.-Bonifatius-Kirche von Bad Belzig befindet, meldete sich sehr schnell Frau Hiltraud Pelzer aus Wolfenbüttel und teilte uns mit, dass sie dazu Folgendes zu sagen habe: „Der Vermerk Wittig/Neurode 1932 auf dem Sockel benennt – meiner Meinung nach – den Künstler, der dieses Kreuz geschaffen hat. Der Ortsname Neurode ließ mich gleich an eine Freundin und ehemalige Kollegin, Frau O. St. R. a. D. Eleonore Menzel aus Neurode im Glazer Kessel/Schlesien denken. Und siehe da: Ich wurde fündig. Frau Menzel waren mehrere Wittigs bekannt, die wohl zu einer größeren Familie aus Neusorge bei Schlegel im Kreis Neurode gehörten. Das von mir befragte Bertelsmann-Lexikon aus den 50er Jahren nennt zwei Persönlichkeiten mit dem Namen Wittig, von denen ich Edward Wittig, *1979, †1941, den Vorzug geben würde. Er war Schüler Rodins, schuf Denkmäler und Statuen von expressiver Haltung. Vielleicht habe ich Ihnen schon weitergeholfen.“ Aber sehr sogar, liebe Frau Pelzer, denn nun kann mit diesen Angaben weiter geforscht werden, und wir sind froh, diese wichtige Information Herrn Pfarrer Stegmann übermitteln zu können.

So kann man sich irren – ja, auch ich habe mich geirrt und das ausgerechnet bei den Zugvögeln, die Prof. Walther Klemm für mein – nie erschienenes Buch – gezeichnet hatte. Allerdings bestand der Irrtum darin, dass ich aus der von den Weimarer Archivarinnen überlassenen Mappe mit zwölf Zeichnungen des Künstlers das verkehrte Blatt heraus genommenen und der Redaktion übermittelt hatte, ohne den Irrtum zu bemerken, Unterschrift inklusive. Das war schlimm, denn welcher echte Ostpreuße erkennt nicht seine Adebars, und so kam prompt die erste, sehr höfliche Korrektur: Es sind Kraniche und keine Störche! Und dann folgte die zweite, die dritte Monierung … und ich musste an meinen so verehrten Professor Thienemann denken, der mir wohl wieder mit seinem Stock gedroht hätte, wie er es einmal in Rossitten getan hatte. Damals hatte ich junge Marjell im Nehrungswald eine wunderschöne weiße Blume gefunden, die wie eine Orchidee aussah – und das war sie dann auch. Ich zeigte sie strahlend dem Vogelprofessor, dem ich auf der Dorfstraße begegnete, und erhielt eine Philippika, die sich gewaschen hatte und die von dem erhobenen Stock noch optisch unterstützt wurde. Und nun habe ich dem „Kroanke“, den wir im Nehrungslied besingen – „wo de Elch on Kroanke jedet Kind bekannt“ – noch den Tort angetan, ihn als Weißstorch zu bezeichnen. Wobei ich allerdings Schützenhilfe von einem Leser erhielt, der meinte, dass ich damit gar nicht so falsch gelegen hätte. Er schreibt:

„Die mit ,Ziehende Störche‘ betitelte ansprechende Zeichnung zeigt keine Weißstörche, sondern nach der äußeren Erscheinung, insbesondere der schwarzen „Gesichtsmaske“ und der Schnabellänge, Graue oder Eurasische Kraniche (Grus Grus), ebenfalls Zugvögel. Aber auch mit dem Kranichmotiv liegt man nicht so ganz falsch. Schließlich nennt man den heimischen Kranich im deutschen Sprachraum auch Grau- oder Moorstorch, da er seine Jungen in Sumpf- und Moorgebieten erbrütet. Er ist allerdings nicht näher mit dem Weißstorch verwandt“. Na, das tröstet doch sehr. Auch, dass eine Leserin den Fehler ausgerechnet mit einem eigenen korrigierte: „Da kann ein Ostpreuße einen Schwan nicht von einem Storch unterscheiden!“ Da sei bedankt, mein lieber Schwan! Ein ganz großes Dankeschön geht aber an unseren „Ostpreußenfreund“ Klaus Fichtner in Radeberg. Er hat seine Korrektur zum Anlass genommen, sie mit vielen anerkennenden Worten für unsere Zeitung zu verbinden. Seit der gebürtige Sachse beim ersten Westbesuch nach der Wende das Ostpreußenblatt las, ist er ihm treu geblieben. „Für geschichtlich stark Interessierte konservativen Sinnes ist es das richtige Blatt. Es vermehrt unser Wissen und bewegt das Gefühl mit menschlichen Themen bis heute. Die Ostpreußische Familie ist Anker und Symbol des Heimatgefühles zu Ostpreußen, das auch für uns Sachsen vorbildlich ist. Bitte weiter so!“

Weiter so wird es auch mit unseren Adebars gehen. Denn die sind nun in der Mappe mit den Klemmschen Zeichnungen geblieben und warten darauf, im März – getreu unserm plattdeutschen Kinderlied „Odeboar möt Noame, wenn du warscht wedder koame …“ – ins Bild gesetzt zu werden. Dafür ziehen die Kroankes nun nach Süden. Und werden von uns auch mit einem Gedicht verabschiedet, das Walter von Sanden-Guja geschrieben hat: „Südsüdwest der Kranich zieht, und mit ihm der Sommer flieht. Bronzefarben ist der Wald. Nordnordwest weht rau und kalt. Aber Gottes Sonne ist doch am Himmel, und sie grüßt junger Saaten frisches Grün. Diese Felder werden blühn, wenn die Sommerwinde wehn über unserm blauen See, über unserm roten Klee.“

Auch dieser Sommer, der sich nun seinem Ende neigt, war für viele Leserinnen und Leser ein ostpreußischer, wie die Reiseberichte beweisen, die nun eintreffen und von der Begegnung mit der Heimat ihrer Vorfahren erzählen, die unvergessen bleiben wird. So wie für Frau Ira Brilla-Austenat aus Berlin, die bisher verwehten Spuren nachgegangen ist. Erst spät konnte die Kinderärztin sich mit ihrer ostpreußischen Verwandtschaft beschäftigen, über die zu DDR-Zeiten geschwiegen wurde. Nach der Wende wollten Ira und ihre Schwester unbedingt mehr erfahren. Sie lernten Sütterlin lesen und vertieften sich in die ostpreußische Geographie. Der Großvater war im Krieg gefallen, die Tante verstorben. Dank Urkunden, Internet und alten Atlanten fanden sie die gesuchten Orte Kussen und Papuduppen [Krajnee]. Viele Fragen tauchten auf, denn die Schwestern wussten ja nicht einmal, welcher Zweig der Familie – der Austenatsche oder der Albuschatsche – von dort stammte. Da sie die russische Sprache beherrschten, zogen sie auf eigene Faust los auf Ahnensuche. Und hier nun ein Kurzbericht:

„Als wir in Königsberg ankamen, verschlug es uns fast den Atem, als wir eine Straße entlangliefen, die genauso aussah wie die Berliner Treskowallee Anfang der 70er Jahre, wo wir häufig bei unserer Berliner Oma gewesen waren. Wie musste es erst Menschen gehen, die eine aktive Erinnerung an diese Orte hatten? Mit dem Auto kurvten wir dann kreuz und quer durch das Königsberger Gebiet, auch durch Kussen und Papuduppen. Von letzterem konnten wir leider nicht herausfinden, ob es „Austenat“ – oder „Albuschat“-Gebiet ist. Wir haben nur ein im Jahr 1932 aufgenommenes Foto, welches unseren Opa Horst Austenat als Kind auf einem Pferd zeigt – in Papuduppen!“

Obgleich Frau Dr. Brilla-Austenat nicht direkt die Frage stellt, schwingt sie doch unterschwellig mit: Wer kannte in den beiden Dörfern die genannten Familien, die dort wohl lange ansässig waren, wie die Namen vermuten lassen. Da Papuduppen, das 1938 in Finkenhagen umbenannt wurde, nur 170 Einwohner hatte, dürfte es allerdings sehr schwer sein, ehemalige Bewohner des im Kreis Tilsit-Ragnit gelegenen Ortes zu finden. In Bezug auf Kussen sieht es da anders aus. Das bei Schloßberg/Pillkallen im gleichnamigen Kreis gelegene Kirchdorf zählte immerhin 660 Seelen, da wäre es schon denkbar, dass sich jemand meldet, der die genannten Familien kannte. Damit könnten Frau Dr. Brilla-Austenat und ihre Schwester die selbst geknüpfte Verbindung mit der Heimat ihrer Vorfahren noch festigen. (Dr. Ira Brilla-Austenat, Myslowitzer Straße 49 in 12621 Berlin.)

Erinnerungen werden durch unsere Ostpreußische Familie immer wieder geweckt, das bezeugen viele Zuschriften. Und so wurde auch Frau Helga Lenzian aus Erkrath durch meine Geschichte vom „Anglerparadies Oberteich“ angeregt, ihre eigenen Königsberger Kindheitserinnerungen an die beiden Wasserparadiese mitten in der Stadt einzubringen. Sie meint sogar, dass sie womöglich meinem Vater beim Angeln zugesehen habe, da sie am Hintertragheim – genau zwischen Oberteich und Schlossteich – aufgewachsen ist. Das könnte schon stimmen, denn Frau Lenzian wurde als Helga Gramatzki 1925 in Königsberg geboren. Ihre Erinnerungen beziehen sich vor allem auf das fröhliche Badeleben in den Anstalten am Oberteichufer, doch nicht davon hat sie uns ein Foto übersandt, sondern von den Kaskaden an der Schlossteichpromenade. Und es ist ein ganz besonderes Bild, denn es zeigt die Sechsjährige mit ihrer Schultüte anlässlich ihrer Einschulung Ostern 1931 in die Herderschule. Sie berührt das Knie der Mädchenfigur, die einmal die wunderschönen Kaskaden schmückte – ja, und da konnte das Foto ein Steinchen in unserem ewigen Familienpuzzle sein, in dem es immer ein paar weiße Stellen gibt. Ein Leser fragte nämlich nach dieser Skulptur, er wollte wissen, wer sie geschaffen hat und wie ihr Schicksal war, ob und wann und wie sie fortgebracht, entwendet oder zerstört wurde. Er hätte gehört, die Bronzefigur sei in den 30er Jahren als „entartete Kunst“ entfernt worden. Ich habe mich redlich bemüht, dieser Frage nachzugehen, aber ich habe leider in meinem Fundus keine Hinweise finden können, ja selbst in Mühlpfords „Königsberger Skulpturen und ihre Meister“ gibt es weder in Bild noch Text einen Hinweis. In manchen Büchern werden die Kaskaden beschrieben „mit einer Mädchenfigur“, und auch heutige Reiseführer erwähnen höchstens, dass es diese nicht mehr gäbe. Da kommt mir nun das Foto von Frau Lenzian gerade recht, zumal es zeigt, dass es sich um ein schmales, fast dünnes Figürchen handelt, wenig größer als die Sechsjährige, was in anderen alten Aufnahmen, in denen die Plastik allein inmitten des rieselnden Wassers steht, nicht so zur Geltung kommt. Ich freue mich auf Hinweise, die ich auch an unseren Fragesteller – einen emsigen Mitdenker – weitergeben kann.

Eure Ruth Geede


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