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15.09.12 / Urteil mit Durchschlagskraft / Verfassungswidriges Wahlrecht stellt Gültigkeit von Gesetzen in Frage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Urteil mit Durchschlagskraft
Verfassungswidriges Wahlrecht stellt Gültigkeit von Gesetzen in Frage

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 25. Juli das Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt hat, führen Regierung und Opposition derzeit Verhandlungen über eine Neuregelung. Selbst wenn sie noch vor der nächsten Bundestagswahl ein neues Wahlgesetz verabschieden sollten, könnte der Richterspruch weitreichende Konsequenzen haben.

Wenn das Wahlrecht verfassungswidrig und die Wahl des Bundestages damit unwirksam war, stellt sich die Frage, ob auch die von ihm erlassenen Gesetze ungültig sind. Findige Juristen raten ihren Mandanten deshalb, diese Rechtsunsicherheit auszunutzen. Sie argumentieren, die Wirkung des Verfassungsgerichtsurteils gehe durch die gesamte Nachkriegsrechtsordnung und sei in allen anhängigen Rechtssachen zu berücksichtigen. Da der Bundestag seit Einführung des verfassungswidrigen Wahlrechts keine Vertretungsmacht habe und damit nicht zur Gesetzgebung legitimiert sei, könne zwingend davon ausgegangen werden, dass kein Bundesgesetz unter der Geltung des bisherigen Bundeswahlgesetzes von 1953 von einem verfassungsmäßig legitimierten Gesetzgeber verabschiedet worden sei. Ein Gesetz, das diese Voraussetzung nicht erfülle, könne jedoch kein rechtsstaatliches Gesetz mit dem Anspruch auf Gehorsam seitens der Bürger sein. Somit kämen in den überwiegenden Rechtsfällen des Alltags Gesetze zur Anwendung, die illegal und unwirksam seien.

Da dies auch das Gerichtsverfassungsgesetz betreffe, seien selbst die Richter illegal tätig und nicht legitimiert, rechtsgültige Handlungen vorzunehmen, so die Vertreter dieser Rechtsauffassung. Urteile, die nicht vom „gesetzlichen Richter“ stammten, könnten keine Rechtswirkung entfalten. Die Richterschaft indes reagiert auf derartige Bedenken empfindlich. Ein Bürger, der die Legitimation eines Gerichts anzweifelte, wurde von den angegriffenen Richtern wegen Verleumdung und Beleidigung angezeigt.

Auch Steuerberater sehen Chancen für ihre Mandanten, indem sie Zweifel an den rechtlichen Grundlagen zur Steuererhebung äußern. Das Grundgesetz, so ihr Argument, enthalte keine unmittelbare Auferlegung von Steuerpflichten, und die Abgabenordnung sowie viele weitere Steuergesetze seien nichtig. Dafür von einer stillschweigenden Steuerpflicht auszugehen, widerspreche jedoch allen Rechtsgrundsätzen. Ihr Fazit: Ohne Rechtsgrundlage, die die gesetzgeberischen Anforderungen erfüllt, keine Steuerpflicht.

Immer mehr Rechtsanwälte und Steuerberater halten ihre Argumente für überzeugend und gehen davon aus, dass sie einer rechtlichen Prüfung standhalten. Sie raten ihren Mandanten daher, Einsprüche und Rechtsmittel einzulegen oder zumindest die Aussetzung der Verfahren zu fordern, bis höchstrichterlich über die Konsequenzen des Verfassungsgerichtsurteils entschieden ist und rechtliche Klarheit herrscht. Noch geben sich Behörden und Ämter gelassen und reagieren mit standardisierten Zurückweisungsschreiben. Es bleibt abzuwarten, wie lange sie damit noch durchkommen. Jan Heitmann


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