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15.09.12 / Mit zweierlei Maß / Tschechen wollen nur Opfer des Kommunismus entschädigen und straucheln selbst dabei

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Mit zweierlei Maß
Tschechen wollen nur Opfer des Kommunismus entschädigen und straucheln selbst dabei

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich Tschechiens Politik auch auf Drängen des Verfassungsgerichts mit der Entschädigung der Kirchen für das Unrecht, das ihnen vom kommunistischen Regime zugefügt wurde. Ein entsprechendes Gesetz wurde im Frühjahr konzipiert und am 14. Juli vom Parlament („Abgeordnetenkammer“) mit 93 gegen 89 Stimmen angenommen. Danach sollten die Kirchen etwa die Hälfte ihres einstigen Eigentums, das jetzt der Staat hält, zurückbekommen. Für das restliche Eigentum sollen sie eine Entschädigung, im Verlauf von 30 Jahren gezahlt, bekommen.

Dieser Konsens wurde jedoch von der zweiten Kammer, dem von Linken und Kommunisten dominierten Senat, am 15. August abgelehnt und dieses „Veto“ musste nun von der Regierungskoalition mit mindestens 101 Stimmen überboten werden. Premier Petr Necas (ODS) sah hierin keine Schwierigkeit, da er die kirchliche Entschädigung geschickt in einem „Stabilisierungspaket“ neben Erhöhung der Mehrwertsteuer (von 15 auf 21 Prozent), Sparhaushalt, Änderung des Rentensystems untergebracht hatte. Aber daraus wurde nichts, denn zu einer Abstimmung kam es am 5. September gar nicht, man will nun später weiter beraten.

Was bleibt? Die Tschechische Republik steckt ökonomisch in einer Krise, in der es widersinnig erscheint, den Kirchen Milliarden Entschädigung zu geben, was die derzeitige Hasskampagne linker Parteien erklärt. Die Tschechen sind zudem ein weithin areligiöses Volk, dass zwar den Kirchenreformer Jan Hus hervorbrachte, aber mittlerweile zu über 80 Prozent nichts von Religion wissen will. Die erstmalige Rückgabe enteigneten Bodens an juristische Personen sei nach Ansicht des Ex-Finanzministers Vlastimil Tlusty höchst gefährlich: Die meisten Kirchen sind nach Jahrzehnten Kommunismus so verarmt, dass sie mit dem Land gar nichts anfangen können und nur die Besitzgier von Dritten wecken. Selbst Premier Necas weiß, „wenn man einem etwas zurückgibt, kommen auch viele andere“. Darum baute die Regierung um die Entschädigung einen hohen Paragrafenwall, vor allem um Ansprüche aus Deutschland abzuwehren, obwohl sie weiß, dass damit neuer Unfrieden aufkommt und international das Entschädigungs-Geschacher tschechischem Prestige in Europa enorm schadet. Die Forderung, entweder alle oder gar keinen zu entschädigen, hängt schließlich eng mit der Frage zusammen, was Gerechtigkeit ist. Wolf Oschlies


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