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15.09.12 / Der große Zauderer / Die anfänglich ablehnende Haltung gegenüber Deutschland hat Frankreichs Präsidenten in die Isolation geführt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Der große Zauderer
Die anfänglich ablehnende Haltung gegenüber Deutschland hat Frankreichs Präsidenten in die Isolation geführt

Nur wenige Monate nach seiner Wahl zum Präsidenten ist Fran-çois Hollande für viele Wähler bereits entzaubert. Frankreich scheint immer mehr auf eine Krise zuzusteuern, der Elan Hollandes scheint indessen bereits erloschen. Außer Erhöhung der Steuern fällt ihm nichts mehr ein.

„L’hypnotiseur“, der Titel, den Frankreichs größte Wochenzeitung „L’Express“ dem neuen französischen Präsidenten angehängt hat, ist wenig schmeichelhaft. Er ist also der Mann, der Frankreich einschläfert. Hollande ist nach wenigen Monaten Amtszeit deutlich unpopulärer, als dies bei seinen Vorgängern der Fall war. Auf den ersten Blick ist die Entwicklung erstaunlich. Statt den Wählern Unangenehmes zuzumuten, wurden bisher wohldosiert Wohltaten verteilt. Das vom Vorgänger Nicolas Sarkozy heraufgesetzte Renteneintrittsalter wurde wieder auf 60 heruntergesetzt, soeben eingefädelt wurde eine befristete Deckelung der Benzinpreise. Den Einbruch der Popularitätswerte hat dies aber nicht verhindert. Festgesetzt hat sich bei vielen Wählern stattdessen ein wenig vorteilhafter Eindruck vom neuen Präsidenten Frankreichs. Hollande wird als Mann, der zögert und Entscheidungen aufschiebt, angesehen. Gleichzeitig mehren sich die Zeichen, dass Frankreich auf unruhige Zeiten zusteuert.

Bisher wurde lediglich ein wenig populistische Symbolpolitik betrieben, die dringenden Probleme sind hingegen liegen geblieben. Erstmals seit 13 Jahren liegt die Arbeitslosenzahl wieder über der Drei-Millionen-Marke. Tendenz steigend. Konzerne wie Air France, Carrefou und Peugeot haben bereits massive Stellenstreichungen angekündigt. Noch brisanter sieht es bei der Jugendarbeitslosigkeit aus: 22 Prozent der unter 25-Jährigen sind ohne Arbeit, zusätzlich werden in den nächsten Jahren jährlich rund eine Million Jugendliche neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Genauso dringend wäre es, den Verfall der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs zu stoppen. Innerhalb von zehn Jahren hat das Land 40 Prozent seiner Weltmarktanteile verloren. Stattdessen wird nun zusätzlich noch einmal an der Steuerschraube gedreht und den Unternehmen werden weitere Kosten aufgebürdet.

Sehr viel schneller wird sich Hollande allerdings mit einem anderen Problem befassen müssen: mit dem Defizit im Staatshaushalt. Noch wird am Ziel festgehalten, die Neuverschuldung im kommenden Jahr von 4,5 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Notwendig wären dafür allerdings entweder Mehreinnahmen oder drakonische Einsparungen von 33 Milliarden Euro. Stattdessen fallen sogar noch zusätzliche Ausgaben an. Das Einfrieren der Benzinpreise für zunächst drei Monate wird die Staatskasse mit rund 300 Millionen Euro belasten. Die Rettung der ins Straucheln geratenen Immobilienbank Credit Immobilier de France (CIF) wird weitere 4,7 Milliarden Euro kosten. Zusätzlich erhält die marode Bank staatliche Garantien über 20 Milliarden Euro. Die Hilfsaktion könnte der Auslöser dafür werden, dass Frankreich auch bei der Ratingagentur Moodys seine bisherige Top-Bonität verliert, nachdem Standard & Poors bereits das Dreifach-„A“ zurückgezogen hat.

Nicht viel besser sieht Hollandes Erfolgsbilanz in der Europa-Politik aus: Der einzige Pluspunkt, den er bisher für sich verbuchen kann, ist der EU-Wachs-tumspakt, doch der ist im Grunde eine Mogelpackung. Von den 130 Milliarden Euro, die fließen sollen, sind mindestens 55 Milliarden Euro nur Umbuchungen aus anderen EU-Töpfen, die restliche Summe beruht zum Teil auf der vagen Hoffnung, über die Europäische Investitionsbank und Projektanleihen weitere Investitionen in Gang zu bringen. Das Durchdrücken des Wachstums-pakts gegen Merkels Widerstand hatte aber einen gehörigen Anteil daran, das Verhältnis zur deutschen Regierung nachhaltig zu vergiften. Das lange Beharren auf Euro-Bonds und die Ablehnung des EU-Fiskalpakts taten ein Übriges.

Schien es zunächst, als ob sich Hollande mit seiner Anti-Haltung gegenüber Deutschland zum Wortführer der südeuropäischen Krisenländer aufschwingt, so ist diese Rolle längst an Italiens Ministerpräsidenten Mario Monti übergangen. Hollande wiederum sitzt mittlerweile zwischen allen Stühlen. Das Verhältnis zum einstigen strategischen Partner Deutschland ist nachhaltig beschädigt, isoliert wirkt Frankreich auch im Verhältnis zu den Krisen-Ländern der Euro-Zone. In Italien und Spanien sind Reformen und Einsparungen zumindest auf den Weg gebracht worden, während Frankreich weiterhin zaudert. Nicht einmal klar scheint, zu welchem Lager sich Frankreich eigentlich rechnet: Ob es sich schon zur krisengeplagten Peripherie der Euro-Zone zählt, die Forderungen an Deutschland stellt, oder ob es noch den Anspruch hat, mit Deutschland selbst zum Kern gezählt zu werden.

Mit der gelähmt scheinenden französischen Führung ist allerdings auch die deutsche Europa-Politik in eine Sackgasse geraten. Über Jahrzehnte lag der Fokus auf einer privilegierten Achse mit Frankreich, zu deren Gunsten alle anderen in Frage kommenden strategischen Partner regelmäßig eine deutsche Absage erhalten haben. Norman Hanert


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