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15.09.12 / Handkolorierter »Weltenbrand« / Das ZDF bringt Farbe ins Grau des Ersten Weltkrieges – Eine neue und letzte Doku-Reihe von Guido Knopp

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Handkolorierter »Weltenbrand«
Das ZDF bringt Farbe ins Grau des Ersten Weltkrieges – Eine neue und letzte Doku-Reihe von Guido Knopp

Das Grau und das Grauen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs erstmals „in Bunt“ – das ist fernseh-neu. Vom ZDF wird dieser Aufmerksamkeitswert geboten in den ersten drei Folgen einer achtteiligen Dokumentarreihe über die beiden Weltkriege mit dem umfassenden Titel „Weltenbrand“. Sie werden ab der kommenden Woche jeweils dienstags zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr ausgestrahlt. Die weiteren fünf Teile folgen im Januar. Es ist wieder eine „Geschichte in Geschichten erzählende“ Dokumentation aus der Werkstatt von Guido Knopp. Und zugleich seine letzte in Diensten des ZDF.

„Weltenbrand“ steht für die Zeitspanne von 1914 bis 1945. Für 31 Jahre mit zwei zerstörerischen Weltkriegen, mit Not, Aufschwung und Fortschritt in trügerischen Friedenszeiten sowie mit zwölf Jahren schrecklicher NS-Diktatur. Zwar hat es von Knopp schon zu jedem dieser Stichworte hinreichend Dokumentationen gegeben. Da ging es besonders um Hitler und seine Helfer, um Stalingrad und Dresden, um Kriegsgefangenschaft und Vertreibung, um Holocaust und Stauffenberg, „Wilhelm Gustloff“-Tragödie und Bernsteinzimmer. Aber auch über uns Deutsche insgesamt, über die Kanzler, über Majestäten und Königskinder bis hin zur Macht der Päpste.

Mit „Weltenbrand“ gibt es nun von „Deutschlands beliebtestem Geschichtslehrer“ („Der Spiegel“) und seinem Nachhilfe-Team in Sachen Zeitgeschichte noch einmal eine geballte Schau auf die 30 Jahre, die ein britischer Historiker einmal den „Dreißigjährigen Krieg des 20. Jahrhunderts“ nannte.

„Ich will zeigen, wie der Erste Weltkrieg schon den Keim legte zum Zweiten“, sagte Knopp, als er die erste Folge seiner neuen Produktion Hamburger Journalisten vorstellte. „Das Feuer, das 1914 gezündet, wird erst 1945 gelöscht“, heißt es gleich zu Anfang des Films als Wegweisung für die acht Folgen. Die ideologisch bedingte, interessengeleitete, stets polarisierende und unendliche Diskussion über die Kriegsschuldfrage und die knebelnden Pariser Vorortverträge bleibt weitgehend ausgespart, klingt allenfalls mal „zwischen den Texten“ an. Auch hier gilt, was den Knoppschen Ruf und Erfolg schon immer ausmachte: Er will Geschichte nicht erklären, sondern in einer von authentischen Bildern und nachgestellten Szenen gestützten Erzählform emotional erlebbar machen. „Mein Publikum“, so sagt er es gern, „sind nicht Geschichtswissenschaftler, sondern Fernsehzuschauer ohne allzu großes historisches Wissen. Die wollen auch in einer informativen Sendung vorrangig unterhalten werden.“ Die Branche prägte dafür analog zu Infotainment – Information plus Unterhaltung – den Begriff „Histotainment“.

Um die Vergangenheit noch eindringlicher, unmittelbarer zu machen, wurden für „Weltenbrand“ historische Filmsequenzen, auch solche, die man zum Teil aus früheren Sendungen in Schwarz-Weiß oder in verschwommenem Grau in Erinnerung hat, restauriert und aufwendig von Hand koloriert. Mit der akribischen „Handarbeit“ wurde Francois Montpellier mit seiner Pariser Firma „Tigre Productions“ beauftragt. Nachdem in Handarbeit replizierbare Muster geschaffen, Restaurierung und Retusche des oft schadhaften Bildmaterials abgeschlossen waren, erfolgte mithilfe moderner Rechner die digitale Bearbeitung. Soldaten werden, bildlich gesprochen, neu eingekleidet, Landschaften blühen auf. „Das Ergebnis ist verblüffend“, lobt Guido Knopp diese Arbeit. „In HD-Qualität und Farbe erscheint die fern wirkende Vergangenheit gar nicht mehr so unzugänglich, sondern sehr nah. Die Kolorierung erleichtert dem heutigen Zuschauer, die Distanz zu überwinden.“ Das kann man freilich auch anders sehen. Die nachträgliche Einfärbung verniedlicht den Schrecken.

Es gehört seit jeher zum Knoppschen Konzept, Geschichte nicht nur in bloßen Abläufen und Zahlen zu vermitteln, sondern sie anhand von Personen zu erzählen. So sind in jede der drei Folgen nachgestellte Begebenheiten von jeweils zwei Persönlichkeiten eingeflochten, die sich über die 30 unseligen Jahre hin gegenüberstanden: Adolf Hitler als Gefreiter an der Front und der spätere britische Marschall Bernard Montgomery, der als junger Leutnant schwer verwundet wird; Charles de Gaulle, der bei Verdun in deutsche Gefangenschaft gerät, und Hermann Göring als mit dem „Pour le Mérite“ dekorierter Jagdflieger; schließlich der US-Panzergeneral George S. Patton und Generalfeldmarschall Walter Model. Die erste Folge endet mit einem „guten“ Mongomery, den im Gegensatz zu Hitler das Kriegserlebnis geläutert, der seine Lektion gelernt hat und fürderhin seine Männer zu schonen versucht. Ob diese Schwarz-Weiß-Malerei – der Alliierte zieht im Gegensatz zum Deutschen positive Konsequenzen – in den weiteren Folgen fortgesetzt wird, muss man sehen.

Die erste Folge beginnt mit Bildern von Männern, die in Berlin blumengeschmückt in den Krieg ziehen. Sie endet mit einer nachgestellten Szene vom Heiligen Abend 1914. Da hocken die Soldaten frierend in Schützengräben an der Marne. Die Waffen schweigen, Weihnachtslieder klingen auf, und die Soldaten, hüben wie drüben, kommen aus ihren Deckungslöchern, reichen sich die Hand – Friede auf Erden für ein paar Stunden. Und ganz ohne Befehl.

Wie alle nachgestellten Szenen wurde auch dieser so anrührende „kleine Weihnachtsfriede“ in der Republik Polen in der Umgebung von Breslau gedreht. Carsten Gutschmidt, der Regisseur für die Spielszenen, erzählt: „Es war eine Frühlingsnacht. 60 Meter Schützengraben waren ausgehoben, das Umfeld mit Kunstschnee präpariert. Hundert polnische Komparsen, in deutsche und englische Uniformen gesteckt, standen bereit. Da setzte plötzlich Frost ein, sodass man den Atem der Komparsen deutlich sah. Das Frieren musste nicht mehr gemimt werden, es war echt. Und bei allen Beteiligten kam so etwas wie Weih­nachtsstimmung auf – vielleicht ein wenig so wie damals.“

Keine Knopp-Sendung ohne begleitendes Sachbuch. In der Vermarktung der von ihm und seinen Koautoren, Historikern und Zeitzeugen erarbeiteten Stoffe ist der umtriebige Fernsehjournalist Knopp geradezu Weltmeister. Auch „Weltenbrand“ erscheint noch im September als Buch. Rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse, die am 10. Oktober beginnt. Karlheinz Mose

(siehe Kommentar Seite 8)


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