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15.09.12 / Grauer Theorie folgte abenteuerliche Praxis / Internationales Archäologentreffen in Allenstein – Exkursion zu altpreußischen Wallburgen und gotischen Architekturdenkmälern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Grauer Theorie folgte abenteuerliche Praxis
Internationales Archäologentreffen in Allenstein – Exkursion zu altpreußischen Wallburgen und gotischen Architekturdenkmälern

Die „Kommission zur Erforschung von Sammlungen Archäologischer Funde und Unterlagen aus dem nordöstlichen Mitteleuropa“ (KAFU) hat dieses Jahr ihr Kolloquium in Allenstein durchgeführt. Einer Konferenz in den Räumlichkeiten der örtlichen Universität folgte am folgenden Tag eine Exkursion ins mittlere Ermland.

Bei der KAFU handelt es sich um eine internationale Einrichtung, deren Ziel es ist, die über einen Zeit­raum von 200 Jahren entstandenen Sammlungen der Vor- und Frühgeschichte Ostdeutschlands und des Baltikums, die aufgrund des Zweiten Weltkrieges zerstreut, zerstört oder noch nicht aufgefunden wurden, zu rekonstruieren. Durch eine gezielte Bearbeitung der erhaltenen Reste archäologischer Sammlungen und Archivalien soll die verlorene Quellenbasis wiederhergestellt werden.

Die Organisation, deren Geschäftsstelle am Museum für Vor- und Frühgeschichte angesiedelt ist und deren Mitgliedschaft aus deutschen, polnischen, russischen und litauischen Wissenschaftlern besteht, führt alle zwei Jahre eine Konferenz durch, auf der die aktuellen archäologischen Forschungen aus der für die Kommission relevanten Region beziehungsweise über diese vorgestellt und diskutiert werden.

Diesmal fand das Kolloquium in der Hauptstadt der ermländisch-masurischen Woiwodschaft, in Allenstein statt, und so standen diesmal neueste archäologische Forschungen von der Steinzeit bis ins Mittelalter für das Gebiet des südlichen Ostpreußens im Zentrum.

Dem eigentlichen Konferenztag in den Räumlichkeiten der örtlichen Universität, in denen sich die Teilnehmer über Forschungsergebnisse und neue Forschungsprojekte informierten und austauschten, folgte der Tag der Praxis in Form einer ganztägigen Exkursion zum Thema „Altpreußische Wallburgen und gotische Architektur im mittleren Ermland“. Die Tour begann mit einem Besuch der Allensteiner Burg. Anlass war eine für die KAFU-Teilnehmer zusammengestellte Präsentation von aus Königsberg evakuierten beziehungsweise geretteten Exponaten der Prussia-Sammlung, vorrangig aus der ehemaligen Studiensammlung. Gerade viele bisher nicht nur dem teilnehmenden Vorsitzenden der Prussia-Gesellschaft, sondern auch den einschlägig fachkundigen Wissenschaftlern unbekannte Grabungsberichte und -aufzeichnungen sowie die vielfältigsten Funde überraschten.

Der Hausherr ließ es sich nicht nehmen, die Besucher anschließend höchstpersönlich durch den Rest der Burg zu führen. Ein Höhepunkt war dabei sicher der Besuch des Dachbodens, denn wann kann man schon einmal ein Kreuzgewölbe nicht nur von der repräsentativen Unterseite, sondern auch von oben betrachten.

Schlusspunkt der Burgführung war die Besichtigung einer Sonderausstellung über Polen aus den sogenannten ostpolnischen Gebieten, die nach dem Zweiten Weltkrieg im südlichen Ostpreußen angesiedelt wurden. Einmal mehr wurde mit dieser Sonderausstellung der Versuch unternommen zu suggerieren, die in Ostdeutschland angesiedelten Polen wären selber Vertriebene gewesen, Vertriebene aus den östlich der Curzon- und Volkstumsgrenze gelegenen Gebieten, die Polen nach dem Zweiten Weltkrieg an seinen östlichen Nachbarn hatte zurückgeben müssen. Dabei waren 1950 nach dem Ende von Flucht und Vertreibung der Ostdeutschen von den 5,9 Millionen Menschen in den seitdem von Polen verwalteten ostdeutschen Gebieten nur eineinhalb Millionen, sprich: ein Viertel, „Ostpolen“. Hingegen kam fast die Hälfte aus den Teilen Zwischenkriegspolens, die nach dem Zweiten Weltkrieg bei Polen verblieben. Der Gastgeber räumte ein, dass seine beiden Elternteile auch zu dieser knappen Hälfte gehören und nicht etwa zu den viel beschworenen „Ostpolen“.

Nachdem sich die KAFU-Gruppe von ihrem freundlichen Gastgeber verabschiedet hatte und noch einige Erinnerungsfotos gemacht worden waren, ging es mit dem Bus zur Exkursion durch das Ermland weiter. Ein Hauch von Abenteuerstimmung kam auf, als die örtlichen KAFU-Mitglieder die prußische Wallburg, die sie ihren angereisten Kollegen zeigen wollten, nicht auf Anhieb finden konnten. So endete der erste Ausflug ins Mücken-verseuchte Grüne erst einmal statt auf einer Wallburg wieder im Bus. Dort hieß es für das Gros der Teilnehmer warten, bis die orts(un)kundigen Kollegen dann doch noch fündig wurden und die Reisegruppe in einem zweiten, nun erfolgreichen Versuch zum Ziel führten. Archäologen sind doch bewundernswert bescheidene Menschen. Da gibt es ein paar Unebenheiten in der Natur und sie sind fast so begeistert wie ein Neuzeithistoriker, wenn er das Bernsteinzimmer findet.

In Wartenburg wären auch Neuzeithistoriker auf ihre Kosten gekommen. Die Pfarrkirche stammt zwar aus dem 15. Jahrhundert, doch erfuhren die Exkursionsteilnehmer von der die Exkursion begleitenden Reiseleiterin, dass das Gotteshaus in der napoleonischen Zeit zur Unterbringung von Gefangenen missbraucht worden war. Hinein konnten die Exkursionsteilnehmer zu ihrem Bedauern nicht. Die Pforte war wider Erwarten abgeschlossen. Und die Sehenswürdigkeit der Kirche war durch die verschlossene Pforte nicht zu sehen.

Einige Hundert Meter weiter wartete bereits die nächste Sehenswürdigkeit, eine Strafanstalt. Während sich der eine oder andere Ortsunkundige noch gefragt haben mag, ob es einen Zusammenhang zwischen diesem Gefängnis und der kurz zuvor mitgeteilten Nutzung der Pfarrkirche für die Unterbringung von Gefangenen gebe oder ob es sich vielmehr um eine ehemalige KZ-Außenstelle handele oder worin sonst die historische Bedeutung dieses Objektes liegen möge, gab die Reiseführung die Auflösung. Man stand vor dem Domizil, in dem der ostpreußische Gauleiter Erich Koch nach seiner Verurteilung die letzten Lebensjahrzehnte verbracht hat, letztlich ohne, wie von den Polen erhofft, etwas über den Verbleib des Bernsteinzimmers mitzuteilen.

Der architektonische Höhepunkt des Exkursionsprogramms war sicherlich die in vielerlei Hinsicht imponierende Schloss­anlage von Hohenstein. Zum Leidwesen der Exkursionsteilnehmer waren sie derart verspätet, dass die örtliche Fachkraft, zu der auch kein Kontakt hatte aufgenommen werden können, wenige Minuten vor dem schließlichen Erscheinen der Gruppe das Feld geräumt hatte. Nach einem Telefonat konnte die Gruppe zumindest einen kurzen Rundgang mit fachkundigen Erläuterungen des Professors Nowakowski aus Warschau im Innenhof des Hochschlosses machen. Die neben der Marienburg am besten erhaltenen Wehranlagen der Ordenszeit überzeugte auch ohne eine Besichtigung der Räume. Nach diesem Höhepunkt klang die Exkursion und die gesamte Veranstaltung mit einem geselligen, nationenübergreifenden Erfahrungsaustausch beim gemeinsamen Abendbrot in Allenstein aus. Das nächste Kolloquium wird im Juni 2014 in Nidden veranstaltet. PAZ


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