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22.09.12 / Skandalisierung dominiert / Der NSU-Untersuchungsausschuss scheint vor allem an PR in eigener Sache interessiert zu sein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Skandalisierung dominiert
Der NSU-Untersuchungsausschuss scheint vor allem an PR in eigener Sache interessiert zu sein

Nahezu täglich gibt es neue Schlagzeilen über die Ermittlungen des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Die schleppende Herausgabe von Akten durch Behörden und überraschende „Fundsachen“ werfen immer wieder neue Fragen auf. Die Aufklärung wird dabei durch parteipolitische Profilierungsversuche und Inszenierungen behindert. PAZ-Autor Michael Leh hat die Sitzung des Untersuchungsausschusses am 11. September verfolgt.

Noch vor Beginn der öffentlichen Sitzung im Berliner Paul-Löbe-Haus gibt es einen Eklat. Der Untersuchungsausschuss will erst jetzt davon erfahren haben, dass es auch einmal eine Akte des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) über rechtsextreme Aktivitäten von Uwe Mundlos vom „NSU-Trio“ während dessen Wehrdienstzeit 1994 bis 1995 gab. Erst ein Nachhaken des Grünen-Politikers Christian Ströbele beim Bundesverteidigungsministerium habe dies jetzt ans Tageslicht befördert. Die Ausschussmitglieder äußern sich reihum vor den Fernsehkameras „entsetzt“, „fassungslos“ und „empört“. Die „Berliner Empörungsmaschine“ kommentiert dies später die „FAZ“.

Wie das Verteidigungsministerium erklärt, hatte der MAD vorschriftsgemäß die Akte längst gelöscht, Kopien aber nach Wehrdienstende von Mundlos ebenfalls vorschriftsgemäß unter anderem an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie das Landesamt in Sachsen geschickt. Bei letzterem wurde im März ein Vermerk darüber gefunden. Erst durch ein Freigabeersuchen aus Sachsen erfuhr der MAD wieder, dass es diese Akte einmal gab, informierte das Ministerium und erteilte sofort die Freigabe. Laut Verteidigungsministerium hat das Landesamt Sachsen im April die freigegebene Unterlage an den Untersuchungsausschuss übermittelt. Dass es einmal eine MAD-Akte über Mundlos gab, hatte der Ausschuss also längst wissen müssen. In Sachsen fehlte allerdings die vollständige Akte. Der neue MAD-Präsident Ulrich Birkenheier, seit 1. Juli 2012 im Amt, hatte alsbald noch einmal bei den zivilen Verfassungsschutzämtern nachgefragt, ob es noch Kopien gäbe. Erst im August tauchte eine im BfV wieder auf (sie soll in einen falschen Ordner geraten sein). Das BfV erbat vom MAD die Freigabe, dieser informierte das Ministerium und gab die Akte frei. Das alles hätte gewiss schneller gehen können, doch angesichts dieses Ablaufs erscheinen die Verdächtigungen, der MAD hätte etwas vertuschen wollen, haltlos.

Doch was geschieht? Die „fassungslosen“ Abgeordneten erklären, sofort müsse MAD-Präsident Birkenheier erscheinen. Er wird herbeizitiert und muss den Prügelknaben auch vor den Medien abgeben. Hartfrid Wolff von der FDP, bereits bei der Vernehmung von Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm unangenehm als Wichtigtuer aufgefallen, fordert sogleich vor den Fernsehkameras die Abschaffung des gesamten MAD. Das ist eine alte Forderung der FDP, sie hat gar nichts mit diesem „Aktenfall“ zu tun, aber er passt jetzt so gut und lässt sich schön skandalisieren. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), weder zuständig noch kompetent in puncto Bundeswehr, stößt andernorts sofort ins dasselbe Horn. Vor allem die Rundfunkmedien trompeten meist 1:1 die Stellungnahmen der Abgeordneten in die Welt. Angefangen bei der ARD ist überall von „Skandal“ und „Entsetzen“ die Rede. So müssen dem deutschen Michel die Haare zu Berge stehen ob des sinistren Treibens eines vermeintlich ebenso unfähigen wie überflüssigen militärischen Dienstes. An ein Lob für den MAD, weil ihm rechtsextreme Aktivitäten des Wehrpflichtigen auffielen und diese auch mit einem immerhin mehrtägigen Arrest geahndet wurden, ist natürlich nicht zu denken.

Bezüglich Leutheusser-Schnarrenberger wird Verteidigungsminister Thomas de Maizière später erklären: „Was ich ... gar nicht mag, sind öffentliche Ratschläge von Kabinettskolleginnen, die nicht zuständig sind.“ De Maizière ist aber auch selber wegen der Personalakte Mundlos in die Kritik geraten, die laut der SPD-Abgeordneten Eva Högl dem Ministerium bereits seit langem vorgelegen habe und nicht erst, wie mitgeteilt, im Juni 2012. Ströbele besteht deshalb noch auf einer Vorladung de Maizières in den Untersuchungsausschuss.

Zwischen dem ganzen Trubel um die MAD-Akte gab es aber auch noch andere Themen im Untersuchungsausschuss. Die Vernehmung des ehemaligen hessischen Verfassungsschützers Andreas T., der kurz vor oder kurz nach der Ermordung des Türken Halit Yozagt am 6. April 2006 in dessen Kasseler Internetcafé den Tatort verließ, ergibt nichts Neues. T. will von dem Mord nichts mitbekommen haben. Yozgat wurde mit Schalldämpfer erschossen und lag tot auf dem Boden hinter seinem Tresen. Weil T. sich nicht als Zeuge meldete, machte er sich tatverdächtig und er musste seinen Dienst beim Verfassungsschutz quittieren.

Zu einem harten Schlagabtausch kommt es im Ausschuss mit dem früheren Direktor des hessischen Verfassungsschutzes, Lutz Irrgang. Ihm wird vorgeworfen, Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft im Mordfall Yozagt behindert zu haben. Irrgang weist dies zurück und erklärt: „Ich stehe zu meinen Entscheidungen.“


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