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22.09.12 / Aus der Geschichte nichts gelernt / Italien will Hilfe von der EZB, dabei hat das Land bereits schlechte Erfahrungen mit der Notenpresse gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Aus der Geschichte nichts gelernt
Italien will Hilfe von der EZB, dabei hat das Land bereits schlechte Erfahrungen mit der Notenpresse gemacht

Geht es nach Italiens Ministerpräsident Mario Monti, dann hat Italien seine „Hausaufgaben“ gemacht. Das einzige für ihn noch verbliebene Problem sind die hohen Zinsen, die Italien für seine Staatsschulden zahlen muss. Doch in Wirklichkeit sind nur wenige der angekündigten Reformen in Angriff genommen worden.

„Italien ist nicht Griechenland.“ Es sind gleich zwei Botschaften, die Italiens Premier Mario Monti mit seinem Hinweis auf Griechenland gibt. Die finanzielle Lage ist nicht mit der von Athen vergleichbar. Der andere Teil der Botschaft lautet: Italien wird sich nicht wie Griechenland behandeln lassen, falls es Finanzhilfen der übrigen EU-Partner beantragt. In Rom wird es keinen Besuch der Troika aus EZB, EU und Währungsfonds geben, so Monti selbstbewusst.

In Italien stoßen solche Ansagen auf offene Ohren. Italien hat seine Hausaufgaben erledigt, wenn die Krise weiter anhält, dann ist das die Schuld der Deutschen, mit ihrem Beharren auf stabilem Geld und der Verweigerung gemeinsamer Schulden, so die weitverbreitete Ansicht. Dass die Ankündigung unbegrenzter Aufkäufe von Staatsanleihen von EZB-Chef Mario Draghi sogar als „Schlag gegen die deutsche Arroganz“, wie vom Chefredakteur der Zeitung „Il Giornale“ kommentiert wurde, wahrgenommen werden, ist da kaum noch verwunderlich.

Gerade im Hinblick auf die Ankündigung seines Landsmanns Mario Draghi, dass die EZB zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen bereit ist, sind Montis jüngste Aussagen aufschlussreich. Draghi zufolge sollen die Ankäufe nur gegen „strenge Auflagen“ erfolgen. Die geforderten EU-Konditionen würden von Italien längst erfüllt, so Premier Monti, der lange auf die Anleihekäufe durch die EZB gedrängt hat. Mit anderen Worten: Die Notenpresse zum Kauf italienischer Staatstitel kann sofort angeworfen werden, Italien ist bereit.

Dass gerade Italien schmerzvolle Erfahrungen mit einer derartigen Währungspolitik gemacht hat, scheint inzwischen weitgehend vergessen zu sein. Im Regierungsauftrag war die Banca d’Italia im Jahr 1975 verpflichtet worden, alle italienischen Schatzwechsel anzukaufen, die an den Märkten nicht abgesetzt werden konnten. Folge dieser Staatsfinanzierung per Notenpresse waren Inflationsraten, die in den 70er und 80er Jahren in Italien im Schnitt 15 Prozent jährlich betrugen. Mit Montis Beharren darauf, dass Italien hinsichtlich Reformanstrengungen genug getan hat, scheint sich zu wiederholen, was bereits in der Schlussphase der Regierungszeit Silvio Berlusconis zu beobachten war. Vom damaligen EZB-Chef Jean-Claude Trichet waren im August 2011 an Montis Amtsvorgänger detaillierte Forderungen im Gegenzug für EZB-Hilfe gestellt worden. Nachdem der Ankauf italienischer Staatsanleihen ersteinmal in Gang gekommen war, ließ Berlusconis Reformeifer nach. Von den damals von der EZB geforderten sieben Auflagen wurde letztendlich eine einzige – die Reform des Rentensystems – vollständig erfüllt.

Wie die Realität – abseits des Rufs Montis ein energischer Reformer zu sein – aussieht, deckt eine Rechnung des Wirtschaftsblatt „Il Sole 24 Ore“ auf. Um die bisher von der Regierung Monti beschlossenen Reformen in der Praxis umzusetzen, wären 400 Ausführungsbestimmungen notwendig – lediglich 40 sind bisher beschlossen worden. Sogar vollständig liegengeblieben ist bisher die Liberalisierung des Dienstleistungssektors. Nicht in Angriff genommen wurde die Neuregelung der Finanzen zwischen Zentralstaat, Regionen und Kommunen. Die Provinz Sizilien musste vor wenigen Wochen bereits mit einer Milliardenspritze aus Rom vor der Insolvenz gerettet werden. Zehn Großstädte, darunter Neapel und Palermo, gelten als hoffnungslos überschuldet, so „La Stampa“, die sich auf Regierungsquellen beruft. Ebenso wenig in Angriff genommen wurde eine Reform des Arbeitsrechts. Ein weitreichender Kündigungsschutz lässt es Arbeitgebern ratsam erscheinen, vor allem Jugendliche erst gar nicht einzustellen. Die Folge: eine Jugendarbeitslosigkeit von rund 35 Prozent. Völlig stranguliert durch überbordende Bürokratie und Vorschriften werden Italiens Kleinunternehmen mit weniger als zehn Angestellten. Der Anteil solcher Unternehmen ist im EU-Vergleich sehr hoch, sie sorgen für eine Vielzahl von Arbeitsplätzen, sehen sich aber am stärksten von Vorschriften belastet.

Dass eine Umsetzung der übrig gebliebenen Reformpakete erfolgt, ist mit dem Einsetzen des Wahlkampfes für die Parlamentswahlen unwahrscheinlicher denn je. Staatspräsident Giorgio Napolitano werden Bestrebungen nachgesagt, die Wahlen sogar noch vorzuverlegen. Falls die Wahlen schon im Februar oder März 2013 stattfinden, wäre es Napolitano möglich, noch vor Ablauf seiner Amtszeit selbst den Auftrag zu einer Regierungsbildung zu geben. Sein Wunschkandidat: Mario Monti. Bisher hatte dieser zwar Spekulationen über eine zweite Amtszeit zurückgewiesen. Eine unlängst von ihm gemachte Äußerung, er habe darüber „noch nicht nachgedacht“, wird inzwischen so gedeutet, dass der parteilose Monti doch antreten wird. Möglich machen könnte dies ausgerechnet einer der größten Kritiker Montis, Beppe Grillo. Seine Bewegung „Fünf Sterne“, die stark an die griechische Syriza-Partei erinnert, liegt in dem stark zersplitterten Wählerspektrum Italiens mittlerweile bei über 20 Prozent, gleichzeitig gilt die Partei Grillos aber als kaum koalitionswillig. Norman Hanert


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