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22.09.12 / Nicht die Linken, sondern Deutschland lieben lernen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Moment mal!
Nicht die Linken, sondern Deutschland lieben lernen
von Klaus Rainer Röhl

Irgendwann einmal, man muss nur lange genug warten, kommt einer, der das Rad wieder neu erfindet. Wer immer den Satz „Geld regiert die Welt!“ noch einmal erfunden hat – es gab ihn schon im 17. Jahrhundert – er hatte die Welt für sich neu geschaffen.

Geld regiert die Welt! An diesen einprägsamen Slogan mussten wir denken, als vor einem Jahr Charles Moore, 30 Jahre Spitzenschreiber der erzkonservativen Engländer und offizieller Biograf Margret Thatchers, plötzlich den Rappel kriegte und im „Daily Telegraph“ schrieb: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat.“ Englisch klingt das differenzierter:

„I’ m starting to think, that the Left might actually be right!“ Moore: „Globalisierung sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten, als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen immer nur nach Hause, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“

Klar, das wissen wir. Könnte bei uns gestanden haben. Andere staunten Bauklötze. Frank Schirrmacher, von den fünf Herausgebern der „Frankfurter Allgemeinen (FAZ)“ ohne Zweifel der Unruhigste, der alle paar Monate die Leser mit einem neuen Großalarm aufzurütteln sucht – mal ist es das Alter, mal die demografische Entwicklung, mal die Genforschung, mal die deutsche Sprache, mal die Probleme des Informationszeitalters –, hatte sich des Themas angenommen. Schon 1994, auf dem Höhepunkt der „Neuen Rechten“, rief er eine Diskussion „What is right?“ aus, fragte später auch „What is left?“. Mal wurde ein Bestseller daraus, mal verpuffte die Rakete im Sande. 2011 sah er die Stunde für eine neue publizistische Quassel-Runde gekommen und formulierte in der ihm eigenen, unnachahmlichen Art: „Es gibt Sätze, die sind falsch. Und es gibt Sätze, die sind richtig. Schlimm ist, wenn Sätze, die falsch waren, plötzlich richtig werden. Dann beginnt der Zweifel an der Rationalität des Ganzen. Dann beginnen die Zweifel, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang.“

Fein beobachtet. Ich hatte die Sache schon hinter mir, als ich im Frühjahr 1964 mit den Kommunisten brach. Dass danach noch einmal einer kommen würde, der darüber nachdenken möchte, ob die Linke nicht – vielleicht − doch recht hat, war nicht voraussehbar. Nicht einmal als 1968 unseren Kindern zwangsweise Pappschilder umgehängt wurden, auf denen stand „Papitalismus muß putt!“, glaubten deren Eltern ehrlich an den Sieg der Linken.

Um solche Gedanken publik zu machen, musste nicht erst die Krise kommen, sondern die Aufweichung, sagen wir mal, der Herzen. Der Untergang des Abendlandes aber beginnt im Kopf.

Da die angekündigte Debatte vor einem Jahr nicht so richtig in Gang kam, ließ die „FAZ“ in der letzten Woche ausgerechnet Oskar Lafontaine ganzseitig zu Wort kommen, der noch mal nachkartet: „Warum die Linke oft recht hat, es aber nur selten bekommt.“

Wahrscheinlich musste es schnell gehen. Also hat der eilige Experte gegoogelt, was das Zeug = die wikipedia – hergab: „Ein System, das nur der Minderheit der Reichen dient, kann auch nicht Demokratie genannt werden, wie Perikles schon vor mehr als 2000 Jahren feststellte.“ 2000 Jahre, mal über den Daumen gepeilt. Von Perikles gleich zu Rousseau und John Locke. Dann kommen schon John Steinbeck, danach Goethe und schließlich Horkheimer und Adorno. Am Schluss die Mahnung an die Linke und wohl auch „Die Linke“, dass es Werte gibt, die man nicht kaufen kann. Finden wir auch. Man müsse, meint der ehemalige SPD-Wirtschafts- und Finanzminister, die Hoffnung auf die vielen Millionen Nichtwähler setzen. Lafontaine und die Linke, Rächer der Enterbten, Hoffnung der Protestwähler? Finden wir nicht.

Eine ziemlich große Anzahl der Deutschen, ungefähr ein Drittel, mit steigender Tendenz auch im Westen, ist unzufrieden mit der Politik. Mit der Politik der Regierungsparteien, aber auch mit der SPD. Die Volksparteien bröckeln. Was tun?

Lafontaine wählen? Oder gar die „Anderen“? Auch rechts sind die Rattenfänger am Werk. Eine demokratische Rechte fehlt – bisher.

Mindestens 35 Prozent aller Deutschen geht es schlecht, mit steigender Tendenz. Sie sind arbeitslos oder Rentner oder haben nur einen wackeligen Job und keine richtigen Aussichten und kein Geld mehr in Reserve. Sie sehen für sich und die Zukunft schwarz. Sie sind ohne Illusionen und deshalb hellhörig. Oft ratlos und am Abend manchmal schon betrunken. Aber sie sehen klar. Die da unten sind aufmerksamer, misstrauischer, klüger. Sie leben bewusster. Weil sie dauernd aufpassen müssen, bei jedem Einkauf und jedem Schluck Kaffee, den sie trinken und jedem Lichtschalter, den sie anknipsen. Sie leben von 967 Euro gesetzlicher Rente (statistischer Durchschnitt), davon gehen Miete, Strom und andere Nebenkosten ab. Sie leben von Schulden oder von dem biss-chen Vermögen, das sie früher angespart hatten, oder von ihren Eltern oder ihrer Frau. Viele aber leben nur von Hartz IV.

Sie werden unruhig. Sie haben jeden Tag mehr Wut im Bauch und glauben immer weniger dem Fernsehen, dem Radio und den Zeitungen. Und diese Wut ist gefährlich. Gefährlich nicht nur für das System der Sozialen Marktwirtschaft. Auch für seine Voraussetzung: Die funktionierende Demokratie, in der jeder für das Gemeinwohl arbeitet. Die Deutschen da unten glauben nicht mehr, dass Angela Merkel und Volker Kauder noch national denken und handeln. Oder dass SPD-Chef Sigmar Gabriel die soziale Gerechtigkeit will. Sie hören viel von Europa, vom Gemeinwohl, von „Werten“. Aber wofür sollen sie und ihre Kinder arbeiten, lange Wege und harte Einsparungen in Kauf nehmen, wenn es keine Werte mehr geben darf, und leider auch – außer einmal in vier Jahren bei einer Fußballmeisterschaft – keine Nation? Keine Identität mit dem eigenen Volk? Sollen sie ihre Identität auf den Wohlstand gründen statt auf Deutschland? Der Wohlstand ist – für sie – weg. Wackelt aber das Vertrauen, dann ist das ganze System, zu dem die „FAZ“ ebenso gehört wie die „Die Linke“, in Gefahr.

Kurz vor den Wahlen – und das wird bald sein − werden also Angela Merkels Berater ihr Herz entdecken für die deutschen Eingeborenen, für ihre Leitkultur, für die Mütter, die wieder mehr Kinder aufziehen, für die deutsche Sprache und Geschichte und für einfache Tugenden wie Ordnung und Pünktlichkeit und Sparsamkeit und Fleiß, über die Lafontaine noch 1982 gespottet hat, dass es „Sekundär-Tugenden“ seien, mit denen man auch ein KZ betreiben könne. Werden die deutschen Protestwähler ihnen noch einmal vertrauen? Lafontaine werden sie jedenfalls nicht wählen.

Schreiben Sie dem Autor unter klausrainer@gmx.de


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