27.04.2024

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22.09.12 / Die ostpreussische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Die ostpreussische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es ist selten, wenn ich fast eine ganze Kolumne nur einem Thema widme, vielmehr einer Zuschrift, denn es werden mehrere Kriterien in der Familiengeschichte angesprochen, die uns Frau Ute Henke aus Wallitz übersandte. Mit der Bitte zu prüfen, ob sie sich nicht für unsere Ostpreußische Familie eigne, denn in ihr wird ja von einer glücklichen Zusammenführung berichtet. Nicht nur diese ist eine Veröffentlichung wert, sondern weil auch in ihrem Bericht das mühevolle, lange und oft irrläufige Suchen geschildert wird, das so viele unserer Vertriebenenschicksale behindert und manchen Verzweifelten kapitulieren lässt. Auch Ute Henke und ihr Vater Siegfried Dombrowski mussten das erleben, aber sie versuchten immer wieder neue Wege zu finden, die zur Erhellung der Geschichte einer ostpreußischen Familie führte, die für sie bis dahin im Dunkel lag. Zwar gibt es immer noch einige nicht ausgeleuchtete Ecken und auch deshalb hat sich Frau Henke an uns gewandt, weil hier unsere Leserinnen und Leser helfen könnten. Und wenn ich in der letzten Kolumne geschrieben hatte: „Es ist spät, aber noch nicht zu spät…“, so hat das auch in diesem Fall seine Berechtigung, denn die Suche nach dem Schicksal der Familie Dombrowski begann erst vor sieben Jahren. Wie es dazu kam, lasse ich Ute Henke selber erzählen.

„Meine eigentliche Geschichte beginnt mit meinem Großvater Heinz Dombrowski, *1. März 1916 in Labiau. Er kam 1945 in russische Gefangenschaft, wurde 1946 entlassen und landete über Frankfurt/Oder in Wittstock/Dosse. Hier heiratete er meine Großmutter Anni, und am 3. März 1951 wurde mein Vater Siegfried Heinz Herbert geboren. Mein Großvater verstarb 1979 im Alter von 63 Jahren und hat leider bis zu seinem Tode nicht erfahren können, was aus seiner Familie – seinen Eltern, den Geschwistern und seiner ersten Ehefrau Else Anna geborene Baugstat, *1921 in Königberg, und ihrer 1945 geborenen Tochter Annemarie geworden ist.

Ich war bei dem Tod meines Großvaters erst sechs Jahre alt und wuchs in der DDR auf, da wurde über russische Kriegsgefangenschaft nichts erzählt. Für mich endete der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945. Mein Interesse wurde erst viel, viel später geweckt. Im Winter 2005 erkrankte mein Vater so schwer, dass er dachte, er müsste sterben. Danach fing er an über seine Herkunft zu sprechen und meinte immer wieder, dass jemand von der großen Familie Dombrowski überlebt haben müsse. Er wollte wissen, wie und wo sein Vater die Kinder- und Jugendjahre in Ostpreußen verbracht, wie er als junger Mann gelebt hatte. Mein Großvater hatte ihm kaum etwas darüber erzählt. Nur so viel, dass sie insgesamt 12 oder 13 Geschwister gewesen waren, darunter ein Zwillingspärchen. Wir wussten nicht einmal einen Vornamen, nichts. So kam es, dass mein Vater und ich im März 2006 zu den Mormonen nach Neubrandenburg fuhren. Mit der Hoffnung, Einsicht in die Kirchenbücher zu erhalten und so – ruck zuck – die Familie Dombrowski zu finden, aber weit gefehlt. Es sollte noch fast sechs Jahre dauern, bis unsere Mühe sich ausgezahlt hatte. Im April 2010 schrieb ich an die WASt in Berlin, fast ein Jahr später erhielt ich eine Antwort mit der Angabe der Heimatanschrift: Vater Samuel Dombrowski, Peicken, Kreis Labiau – oh, was für ein Erfolg!“

So glaubten es jedenfalls Vater und Tochter, die inzwischen Kontakt zur Kreisgemeinschaft Labiau hatten, und mit der Vorsitzenden Frau Brigitte Stramm und Herrn Erdmann, der sich mit Familienforschung befasst, in Verbindung standen. Frau Henke teilte ihnen überglücklich den Bescheid mit und – erhielt einen argen Dämpfer. Denn es gibt im Kreis Labiau keinen Ort Peicken. Die Euphorie war weg! Doch Vater und Tochter machten aus dem nicht vorhandenen Peicken einfach Reiken und suchten weiter. Was verständlicherweise auf Schwierigkeiten stieß, wie sich auf einem landsmannschaftlichen Treffen im September 2011 in Otterndorf herausstellte. Von den Labiauern kannte niemand eine Familie Dombrowski, auch Frau Annie Lore Lemke nicht, die aus Reiken stammte. Aber sie übergab Frau Henke ein Büchlein, in dem ihr Vater in den Nachkriegsjahren alle Lastenausgleichsgesuche eingetragen hatte. Frau Henke stieß beim Forschen mehrmals auf den Namen Dombrowski – und dann ein Aufschrei: Sie fand den Namen einer Frieda Dombrowski aus Plicken! Das war der richtige Ort! Der Vater konnte dies bestätigen. Was nun kam, rollte in geradezu rasanter Geschwindigkeit ab. Frau Henke schrieb im Ok­tober 2011 das DRK in München an und – erhielt die Akte ihres Großvaters aus russischer Kriegsgefangenschaft! Ihre Reaktion darauf schildert sie so:

„Es war der blanke Wahnsinn! Da ich in der DDR aufgewachsen bin, konnte ich die Namen und Geburtsjahre der Eltern, Geschwister und der ersten Ehefrau übersetzen. Auch wusste ich nun, wie viele Kühe und Pferde sie gehabt hatten. Auch hier stand der Name PLICKEN, also lagen wir richtig. So konnte ich Herrn Erdmann erneut anschreiben und erhielt zwei bemerkenswerte Angaben: Ursula Dombrowski, *30.05.1933, Plicken, vermutlich 1947 nach Litauen verschleppt, gesucht von ihrer Schwester Emmi Dumschat. Ich habe sofort einen Abgleich mit Opas Akte gemacht, hier gab es zwar die Ursula, aber keine Emmi.“ Wie nun Frau Henke die richtige „Emmi“ auffinden konnte, ist eine Geschichte in der Geschichte, machen wir es kurz: Wie bei dem falsch angegebenen Ortsnamen handelt es sich auch hier um eine fehlerhafte Namensangabe, aus Dombrowski war Dambrowski geworden. Unter diesem Namen fand Frau Henke eine Emmi, die einen Emil Dumschat geheiratet hatte. Von einer Verwandten des Ehemannes erfuhr Frau Henke, dass Emmi viele Geschwister gehabt hätte, von denen einige als Dombrowski, andere als Dambrowski geführt wurden, und dass das Ehepaar eine Tochter Dora gehabt hätte, die jetzt den Namen Reiter trägt. Als Frau Henke schließlich die Telefonnummer dieser möglichen Verwandten in der Hand hielt, stieg die Erwartung, wie sie schreibt:

„Nun wurde ich immer aufgeregter, wenn dies wirklich alles so stimmte, wie ich annahm, dann ist die Dora die Cousine meines Vaters. Ich rief sie an, stellte mich kurz als die Enkeltochter von Heinz Dombrowski vor – und auf einmal hatten wir uns gefunden. Zwei Stunden sprachen wir miteinander! Verabredeten uns dann für das erste Märzwochenende, an dem mein Vater 61 Jahre alt wurde. War das ein Geburtstagsgeschenk! Ich habe meinen Vater selten so glücklich gesehen. Es waren sehr schöne Tage, die wir in Rinteln-Engern verleben durften, wir wurden herzlich empfangen und aufgenommen. Wir bekamen sogar Bilder, so hatte mein Vater nun auf einmal ein Foto von seinen Großeltern Samuel Dombrowski, geboren in Karlsrode, und Martha, geborene Sprie aus Steinort, meine Urgroßeltern“.

Das war aber noch nicht alles. Es fanden sich weitere Verwandte, die zumeist noch in Plicken geboren wurden. Nach vielen weiteren Recherchen und Befragungen weiß Frau Henke nun viel über das Schicksal der Familie Dombrowski. Samuel muss mindestens einen Bruder gehabt haben, August Dombrowski, vermutlich Fischer in Jägertal , der mit seiner Frau Auguste einen Sohn Emil hatte. Samuel und Martha müssen zuerst in Lauknen, Labiau und Jorksdorf gelebt haben, dort wurden ihre ersten vier Kinder geboren, erst etwa 1922 muss die Familie nach Plicken gezogen sein. Samuel und Martha wurden auf der Flucht in Schaaken in einer Gaststätte erschossen. Immerhin haben zehn von ihren 13 Kindern überlebt, zwei werden vermisst, zwei leben noch heute und stehen mit Frau Henke in Kontakt. Neun Geschwister hatten sich nach Krieg und Flucht gefunden, nur Frau Henkes Großvater Heinz hatte keinen Kontakt aufnehmen können, da er in der DDR lebte. „Dies war wohl die Aufgabe von meinem Vater und mir“, meint Ute Henke. Und es war spät, aber eben nicht zu spät gewesen, denn Siegfried Dombrowski konnte den Sucherfolg noch erleben, ehe er im Juli dieses Jahres im Alter von 61 Jahren verstarb. Das ist für seine Tochter sehr traurig, denn gemeinsam wollten sie im nächsten September nach Ostpreußen reisen und den Stammort der Familie Dombrowski aufsuchen. Nun muss seine Tochter allein fahren und um sich auf diese Reise gut vorzubereiten zu können, bittet sie unsere Leserinnen und Leser aus dem Kreis Labiau, ihr etwas über die Försterei Plicken mitzuteilen und hofft auch auf alte Fotos oder anderes Infomaterial. Vielleicht können sich ja auch ehemalige Nachbarn oder Freunde an die Großfamilie Dombrowski erinnern oder wissen etwas über das Schicksal des 1914 geborenen Artur Dombrowski, der seit 1944 vermisst wird oder von der wahrscheinlich in Litauen verstorbenen Ursula Dombrowski *1933. Auch von der ersten Frau ihres Großvaters, Elsa Anna Dombrowski, geborene Baugstat (oder ähnlich), und der 1945 geborenen Tochter Annemarie konnte bisher nichts in Erfahrung gebracht werden. Das Foto zeigt Frau Henkes Großvater Heinz Dombrowski in Uniform vor einer Statue. Wer weiß, wo sie stand oder vielleicht heute noch steht? (Zuschriften bitte an Ute Henke, Dorfstr. 38a in 16837 Wallitz, Telefon: 033923/71211, E-Mail: umkl-henke­@freenet.de)

Damit aber nicht nur eine Geschichte den ganzen Raum füllt, hier noch einige kurze Mitteilungen, die aber nicht weniger wichtig sind. Wie der Fund, von dem uns Frau Barbara Soukup aus Frankfurt berichtet. Er wurde in einem Haus im Königsberger Stadtteil Maraunenhof in der Nähe der Cranzer Allee gemacht. Es handelt sich um eine Mappe mit Aufzeichnungen über ein Krankenhausgerät der ehemaligen Augenklinik, ein Röntgen-Diagnostik-Gerät namens Ventil-Heliodor, die von einem Dr. med. Mahraun verfasst wurden. Das Papier, auf dem die Aufzeichnungen gemacht wurden, ist schon etwas vergilbt, die Schrift ist aber gut lesbar. Weil Frau Soukup meint, dass die Aufzeichnungen vielleicht wissenschaftlichen Wert haben können, hat sie die Mappe bei ihrem Königsberg-Besuch an sich genommen. Sie könnte vor allem für Angehörige des Verfassers von Interesse sein, vielleicht melden sich ja Nachkommen von Herrn Dr. Mahraun. Wahrscheinlich handelte es sich bei dem Fundort um die Privatwohnung des Verfassers oder eines anderen Mediziners. Die Augenärztliche Klinik der Albertus-Universität befand sich in der Wagnerstraße. Frau Soukup würde sich freuen, wenn die Mappe in die richtigen Hände käme. (Barbara Soukup, Bornwiesenweg 53 in 60322 Frankfurt am Main, Telefon: 069/5972870)

Die Schmackostergeschichte aus der Folge 14, entnommen dem Erinnerungsbuch der Geschwister Höchst „Raum ist in der kleinsten Hütte“ hat so viel Anklang gefunden, dass sich einige Leserinnen und Leser an den Mitverfasser und Herausgeber Otto Höchst wandten, um das Buch zu bestellen. Er und seine Schwester Liesbeth Röder hatten dieses 360- Seiten starke „Sammelsurium“, in dem die Kindheit in einer Landarbeiterfamilie aus Alt-Katenau und ihr Schicksal nach der Flucht liebevoll geschildert und ebenso illustriert wird, als Script herausgegeben. Leider gab es Lieferschwierigkeiten, und so konnte der 82-Jährige die Wünsche nicht erfüllen. Nun ist es möglich, wie uns Otto Höchst erfreut mitteilte. Seit einigen Tagen ist das Buch „Raum ist in der kleinsten Hütte“, erschienen im Verlag Wissenschaftliche Scripten, Kaiserstraße 32 in Auerbach/Vogtland, unter der ISBN 978-3-942267-46-5 in jeder Buchhandlung erhältlich.

Eure Ruth Geede


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