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22.09.12 / Appell an das »Nicht-Vergessen« / Verena Berg stellt erste Objekte in Nürnberg aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Appell an das »Nicht-Vergessen«
Verena Berg stellt erste Objekte in Nürnberg aus

Generation Flucht“ hat die Hamburger Fotografin Verena Berg ihr Projekt genannt, das wir in Folge 20 vorstellten mit der Bitte an unsere Leserinnen und Leser, sich an dieser audiovisuellen Dokumentation über die Vertreibung und ihre Folgen zu beteiligen.

Die junge Bildredakteurin war durch beruflich bedingte Begegnungen mit Vertriebenen, für die der Verlust der Heimat zum persönlichen Schicksal wurde, auf dieses Kapitel deutscher Geschichte gestoßen, mit dem sie sich bisher kaum beschäftigt hatte. Nun aber umso intensiver, denn ihr war bei diesen Begegnungen immer mehr bewusst geworden, dass jedes Vertriebenenschicksal für sie als Kind der dritten Generation nach Kriegsende noch fassbare Geschichte ist, die es mit modernen Medien zu dokumentieren gilt, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Noch leben Zeitzeugen und mittels fotografierter Portraits und geschriebener wie gesprochener Dokumentation wollte Verena Berg ihnen ein visuelles Gesicht geben. Ein Appell an das „Nicht-Vergessen“ sollte es werden und vor allem bei jüngeren Generationen Interesse und Wachsamkeit für die eigene Geschichte erwecken. Am Ende des Projektes sollte eine Ausstellung oder ein Buch mit unterschiedlichen Zeitzeugen aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien stehen.

Die Arbeit ist aufgrund der positiven Resonanz gut angelaufen und noch lange nicht zu Ende – doch eine Ausstellung findet bereits jetzt statt: Am 2. Oktober wird sie mit den ersten 16 Objekten in Nürnberg eröffnet. Dass die Dokumentation der Hamburger Fotografin so schnell in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist, hat einen für Verena Berg überaus erfreulichen Grund: Sie erhielt für ihr audiovisuelles Projekt „Nicht Vergessen“ den Lagois-Förderpreis. Mit ihm werden Foto-Projekte unterstützt, die erst noch realisiert, erweitert oder beendet werden sollen, vorzugsweise zu sozial- oder gesellschaftspolitischen Themen, Kriterien, die das Projekt der Hamburger Fotografin voll erfüllte. Dieser Förderpreis gehört zum „Martin-Lagois-Fotowettbewerb“, ausgelobt vom Evangelischen Presseverband für Bayern (EPV), eine Auszeichnung für herausragende fotografische Arbeiten im Rahmen der Berichterstattung über Kirche, Diakonie und Religion, die alle zwei Jahre vergeben wird. Hauptsponsor ist das Evangelische Siedlungswerk in Bayern. Wir wollen Verena Berg zu dieser Auszeichnung herzlich gratulieren.

Für die junge Fotografin bedeutete dieser Preis nicht nur eine willkommene Unterstützung, die ihr die Arbeit wesentlich erleichtert, sondern auch eine Anerkennung für ihre selbst gewählte Dokumentation gegen das Vergessen oder Verleugnen. Auch in unserem Leserkreis fand ihr Projekt volle Unterstützung.

Obgleich die Zeitzeugen, die Verena Berg fotografieren und interviewen wollte, möglichst im Raum Hamburg wohnen sollten, bekam sie Zuschriften aus der ganzen Bundesrepublik und sogar aus dem Ausland. Über 40 Leserinnen und Leser waren bereit, an dieser aufwendigen Dokumentation mitzuwirken, wollten von Heimat und Heimatlosigkeit berichten, sich portraitieren lassen. Sogar ein Enkel rief bei Verena Berg an und sagte, seine Oma könnte doch so schön erzählen – was sie dann auch bewies.

Die älteste, von Frau Berg abgelichtete und befragte Ostpreußin hatte immerhin das stolze Alter von 101 Jahren, aber ein gutes Erinnerungsvermögen. Unsere Landsleute erzählten nicht nur von den schwersten Jahren ihres Lebens, von Flucht, Gefangenschaft, Verschleppung, die noch heute ihr spätes Leben im Wachen und Träumen bestimmen, − sie zeigten auch, wie sie die Heimat bewahrt hatten: In Gedichten, auch selbstverfassten, in Erinnerungen an ihre Kindheit irgendwo zwischen Memel in Elbing, vom Leben in der Weite des Landes, das sie geprägt hatte. Der Wunsch von Verena Berg, Lebensbilder zu schaffen und aufzuzeigen, wie stark ein Mensch mit seiner Heimat verbunden ist, auch wenn er sie verloren hat, wie er auch nach Jahrzehnten ihre Sprache spricht, ein Teil von ihr geblieben ist − dieses alles hat sich bereits in den ersten Befragungen erfüllt.

Nun hofft die Künstlerin, dass dies auch auf der Ausstellung in Nürnberg sicht-hör-spürbar wird. Die großformatigen Portraits werden durch Schrifttafeln und audiovisuelle Dokumentation ergänzt, so entstehen Lebensbilder von großer Eindringlichkeit und Authentizität. Die Ausstellung soll nach der Nürnberger Einführung in verschiedenen Orten Bayerns gezeigt werden. Wir werden noch Näheres darüber berichten. Dies soll zuerst einmal ein Dankeschön für die Leserinnen und Leser sein, die sich so spontan bereit erklärten, mit ihren Aussagen das Projekt einer jungen Fotografin zu unterstützen. R.G.


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