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22.09.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Klein wenig anders / Warum wir den Papst ruhig bekleckern dürfen, wo wir hingegen ganz sensibel sind, und wie der Frieden den Rechtsstaat besiegt

Die katholische Welt ist in Aufruhr. Grund ist die Beleidigung ihres Heiligen Vaters, in katholischer Überzeugung der Stellvertreter Christi auf Erden. Der höchste Würdenträger von 1,2 Milliarden Gläubigen wurde in einem deutschen „Satire-Magazin“ mit einem Urinfleck am Gewand dargestellt.

„Wer unseren Heiligen Vater beleidigt, der beleidigt uns alle“, skandieren aufgebrachte junge Katholiken in zahllosen Ländern mit starker katholischer Bevölkerung. Junge Männer zerreißen deutsche Flaggen, stürmen gar deutsche Botschaften und setzen sie in Brand. Diplomaten aus protestantisch dominierten Staaten fürchten um ihr Leben. Das Auswärtige Amt in Berlin will noch keine Reisewarnung herausgeben, mahnt bei Reisen in besonders katholisch geprägte Länder wie Polen, Mexiko und Altbaiern jedoch zu erhöhter Vorsicht. Es müsse mit Übergriffen empörter Jungkatholiken gerechnet werden.

Radikalkatholische Hassprediger heizen die Atmosphäre an, rufen vereinzelt gar zur Ermordung der Urheber der Schandzeitung auf. Wer den Heiligen Vater und alle Katholiken derart herabwürdige, für den gäbe es nur eine Strafe: den Tod durch das Feuer der Inquisition. Nach diesen Aufrufen wurden die Macher des „Satire-Magazins“ von der Bundespolizei in Gewahrsam genommen – zu ihrem Schutz, wie es heißt.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wandte sich in aller Schärfe gegen die Herabwürdigung des katholischen Glaubens: „Provokation und Intoleranz gegenüber Religion werden wir nicht dulden.“ Man werde im Rahmen des rechtlich Möglichen alles versuchen, um die Verbreitung jener „Satire“ zu verbieten.

Der Grünen-Politiker Volker Beck bezeichnete das Magazin mit dem Urinfleckbild als „ekelhaftes Schundmachwerk“, seine Parteichefin Claudia Roth sprach von einem „Drecksblatt“. Ein Verbot stehe jedoch im Konflikt mit der Meinungsfreiheit. Das sieht auch die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, so. Kipping setzt darauf, „breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand“ zu mobilisieren. Zeitschriftenverkäufer würden sich dann schon überlegen, ob sie das Blatt bei sich öffentlich zugänglich machen wollten. Selbst Kanzlerin Merkel distanzierte sich vor der Hauptstadtpresse von dem „Satire-Magazin“, machte gleichwohl deutlich, welch hohes Gut die Meinungsfreiheit in Deutschland sei.

Allen Verantwortlichen gemein ist die Sorge um den öffentlichen Frieden, den sie durch die unnötige, fahrlässige Provokation in Gefahr sehen. Offenbar zu Recht: Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz warnte im Interview mit den ARD-„Tagesthemen“: Deutschland laufe Gefahr, „dass der öffentliche Frieden dadurch empfindlich gestört wird“. Es sei vorstellbar, dass Extremisten Straßenschlachten anzettelten.

Derzeit ist nicht abzusehen, wie hoch die Wellen der Empörung in der katholischen Welt noch schlagen. Experten rechnen mit weiteren schlimmen Ausschreitungen und rufen zu mehr Sensibilität im Umgang mit den religiösen Gefühlen unserer katholischem Mitbürgerinnen und Mitbürger auf. Solche Appelle reichen dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages nicht mehr. Ruprecht Polenz (CDU) will den Paragraphen 166 des Strafgesetzbuchs auf die „Satire“-Macher angewendet wissen. Der stellt die Störung des „öffentlichen Friedens“ unter Strafe.

Ich höre Zwischenrufe: Das haben Sie alles nicht mitbekommen? Natürlich haben Sie das, nur eben ein klein wenig anders. Das Bild mit dem Papst ist auf dem Titelblatt von „Titanic“ erschienen, dem führenden deutschen Satiremagazin. Es gab eine breite Debatte, nur die beschriebenen Gewaltreaktionen und Drohungen, die blieben aus. Wenig später drehten ein paar Typen in den USA ein Video-Filmchen, das sich auf wenig respektvolle Weise am Religionsstifter Mohammed abarbeitete. Den billigen Streifen stellten sie ins Internet, wo ihn zunächst kaum jemand beachtete, bis er plötzlich zum Weltskandal aufgebauscht wurde. Es hat sogar Tote gegeben. Merkwürdig, dass einem das alles erst so richtig bizarr vorkommt, wenn man ein paar Wörter und Namen austauscht: Obwohl der Sachverhalt (Verulkung einer höchst heiligen Person einer Religion) ähnlich schwerwiegend ist, fällt die Reaktion gänzlich anders aus. Und wir alle finden das ganz normal. Sind wir noch ganz normal?

Interessant ist das mit dem Paragraphen 166, Störung des öffentlichen Friedens. Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für Zeitgenossen, die es satt haben, die Meinungen anderer Leute tolerieren zu müssen. Das hatten wir ja schon öfters: Gruppe A hat eine Demo angemeldet, woraufhin Gruppe B damit gedroht hat, aus Protest dagegen die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Was passiert? Der Bürgermeister ruft dazu auf, die Gruppe-A-Demo zu verbieten, weil der „öffentliche Frieden“ gefährdet sei.

So einfach ist das: Wenn Sie nicht wollen, dass sich Ihre Gegner öffentlich zeigen dürfen, versammeln sie nur ausreichend Freunde um sich, die glaubhaft den Eindruck erwecken, ordentlich Rabatz machen zu können – und schon ist es aus mit dem Demonstrationsrecht für die Widersacher. Auf diese Weise kann man die Meinungsfreiheit völlig legal plattmachen.

Da benötigen wir denn auch keine Verbote mehr, die wirken uns ohnehin viel zu spießig, zu obrigkeitsstaatlich. Katja Kipping hat den Dreh raus: „Zivilgesellschaftlicher Widerstand“ gegen den Mohammed-Film, damit es keiner auch nur wage, den (in der Tat geschmacklosen) Streifen zu zeigen. Auf Deutsch: Wir drohen denen einfach so massiv, dass die tun, was der „Widerstand“ gebietet. Eine in den 1930er Jahren bereits äußerst erfolgreich praktizierte Übung. So erfolgreich, dass die Deutschen den „Rechtsstaat“ am Ende gar nicht mehr wahrgenommen hatten. Und daher kaum aufgewühlt waren, als eben dieser auch ganz offiziell abgewickelt wurde. Was hatte sich denn verändert? Statt dass zwei verschiedene Gruppen (KPD und NSDAP) „Widerstand“ leisteten, „Warnungen“ erteilten und „Boykotts“ durchsetzten, war es plötzlich nur noch eine einzige, na und? Als die Deutschen merkten, was das alles wirklich bedeutete, war es ein wenig spät.

Glücklicherweise leben wir heute in weit gemütlicheren Zeiten als unsere Vorfahren damals in den 20ern und 30ern. Außerdem haben wir ja aus deren Fehlern unsere Schlüsse gezogen, wozu wir uns bei diversen Gedenktagen stetig aufs Neue gratulieren.

Welche Schlüsse sind das? Das wissen wir nicht mehr so ganz genau, weshalb manche klugen Leute darauf drängen, dass wir die alten Fehler im Umgang mit dem Rechtsstaat noch einmal ausprobieren sollten, doppelt hält bekanntlich besser: Der Herausgeber der linken Zeitschrift „Freitag“, Jakob Augstein, ist voll des Entzückens: Mit dem Einknicken des Bundesverfassungsgerichts hätten die Deutschen nach der Bundesbank nun die letzte große nationale Institution verloren, in die sie ihr Vertrauen setzten.

Der Erbe des „Spiegel“-Gründers findet das großartig. Nun müssen wir noch den Rechtsstaat „zivilgesellschaftlich“ unsichtbar machen, dann fehlt der historischen Erfahrung nach nur noch ein Sargnagel, um der Republik den Garaus zu machen. Der wird für gewöhnlich aus wirtschaftlicher Not geschmiedet.

Die Deutsche Bank lässt verlauten, dass der Euro ohne Inflation und dem Hinschmelzen der Sparvermögen leider nicht zu verteidigen sei. Das sei schade, aber eben der Preis, den die Deutschen für das Wunderwerk der Einheitswährung zu zahlen hätten. Augstein und seinen Freunden müssen die Augen funkeln ob dieser weiteren guten Nachricht.

Am Ende bleiben dem Volk nur noch Wut, Enttäuschung, schließlich Verzweiflung, dann ist erneut die große Stunde gekommen für ... ach, warten wir’s einfach ab.


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