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29.09.12 / Vom Wohlfühlklima in Kühlschrank-Wohnungen / Für einen Besuch in der Westernstadt Tucson des US-Bundesstaates Arizona darf man nicht hitzeempfindlich sein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Vom Wohlfühlklima in Kühlschrank-Wohnungen
Für einen Besuch in der Westernstadt Tucson des US-Bundesstaates Arizona darf man nicht hitzeempfindlich sein

K aum durch die Schiebetüren des klimatisierten Flughafens nach draußen ge­gangen, haut mich Hitze um. Dabei hatte noch im Flugzeug der Pilot die Temperatur angekündigt: 102 Grad Fahrenheit. Aber wer weiß schon, dass damit 40 Grad Celsius gemeint sind?

„Dabei ist es heute viel kühler“, tröstet mich Jon, mein Gastgeber, der mich in seinem klimatisierten Van abholt, „gestern hatten wir 112 Grad.“ Er meint 44 Grad Celsius. Hitze ist immer ein Thema in Tucson (sprich: Tuhßon). Die nach der Hauptstadt Phoenix zweitgrößte Stadt des an Mexiko angrenzenden US-Bundesstaats Arizona liegt mitten in der Wüste. Umgeben von Kakteen und Klapperschlangen leben 500000 Menschen in klimatisierten Räumen.

Ich bin für ein paar Tage zu Besuch bei einem befreundeten Ehepaar. Jon und seine Frau Karen leben auf einem 20 Hektar großen Land knapp außerhalb der Stadt. Der Weg dorthin führt durch Downtown Tucson. Die für amerikanische Städte typischen Wolkenkratzer in der City fallen hier verhältnismäßig niedrig aus. Tucson ist eher flach gehalten. Auf meine Frage, wo denn die Stadtmitte sei, da nirgends Shops oder Bars zu sehen sind, schüttelt Jon verwundert den Kopf. „Aber wir sind mitten drin.“ Er zeigt auf die Plaza der University of Arizona. Das Zentrum der Stadt und des Nachtlebens bilden demnach der Campus und das Viertel um die älteste Universität Arizonas.

Wer etwas einkaufen will, erklärt mir Jon, fährt zu den Walmart-Läden und den riesigen „Shopping malls“ am Stadtrand. In der City arbeiten nur die Manager und Angestellten in ihren Büros. Außer am Univiertel sei nachts alles verwaist.

Dafür ist bei der Ankunft in Jons Hazienda umso mehr los. Karen, ihre drei Kinder, zwei Ziegen und etliche Hühner veranstalten ein lautes Begrüßungskonzert. Bei der Ankunft werden sofort die Türen geschlossen. Die Hitze muss draußen bleiben! Drinnen rattert die Klimaanlage ununterbrochen. Kein Wunder, dass die Amerikaner Weltmeister beim Energieverbrauch sind. In Tucson gleichen die Häuser Kühlschränken in heißer Umgebung. Mein Schlafzimmer wird auf 18 Grad heruntergekühlt, was das Schlafen eigentlich angenehm macht, wäre da nicht das Ventilator-Dröhnen mit einem Luftzug in gefühlter Orkanstärke.

Nachdem ich mein Winterfell abgelegt und mir T-Shirt und Shorts angezogen habe, zeigen Jon und Karen mir voller Stolz ihr Land. Zum nächsten Nachbarn ist es eine Meile. Eine unsichtbare Grenze trennt die wegen Kakteen und vertrocknetem Dornengestrüpp schwer begehbaren Areale voneinander. Vor hundert Jahren hatten Jons Vorfahren das Land für eine Handvoll Dollar erworben. Heute ist es ein Vermögen wert. Warum zieht es die Menschen bloß in diese Wüste? Um sich einen Weg durch das Dornengeflecht zu bahnen, haben die Indianer früher Trails in den ausgetrockneten Boden getreten. Auf diesen Pfaden sind die ersten Siedler in das unwirtliche Gebiet gelangt. Was einige dazu bewegt hat, sich hier niederzulassen, bleibt deren Geheimnis. Vieh- und Landwirtschaft sind unmöglich, denn hier regnet es nur fünf Mal im Jahr. Jetzt lebt Tucson wie auch Las Vegas vom Wasser des Colorado-River des nahen Grand Canyon, ein Durst, der den Fluss wie auch den Hoover-Stausee immer mehr versiegen lassen.

Auf dem Weg vorbei an den bis zu 20 Meter hohen Kandelaberkakteen, die auch für den nahen Saguaro-Nationalpark der Sonora-Wüste so typisch sind, warnt mich Jon: „Vorsicht, komm’ dem Stein dort nicht zu Nahe.“ Als er mit einem Stock an dem Brocken herumstochert, ertönt ein Rasseln. Hier brütet eine Klapperschlange ihre Jungen aus. Einmal hat er eine der Giftschlangen sogar im Haus entdeckt, erzählt er. Es gelang ihm, sie mit einer Schaufel zu entfernen. Aber für den Notfall hat er immer einen Revolver im Schrank. Nein, ein Waffennarr sei er nicht, betont der überzeugte Demokrat.

Im ansonsten konservativen Arizona, stehen Karen und Jon ebenso wie weit über 50 Prozent der Einwohner Tucsons aufseiten Barack Obamas. „Er macht einen guten Job“, sagt Jon über den US-Präsidenten, nur die „Obama­care“, wie die neue Krankenpflichtversicherung kurz genannt wird, sei doch reiner Sozialismus.

Ich kann nur hoffen, nicht von Schlangen, Pumas oder anderen wilden Tieren angefallen zu werden, um mich von teuren US-Ärzten behandeln zu lassen. Einige Tage später erschrecke ich aber doch. Als ich draußen im heißen Pool schwitze, kommt eine Horde wilder Schweine und schlabbert seelenruhig Wasser. „Das sind ‚Javelinas’“, erklärt mir Karen, „die sind harmlos und tun Menschen nichts.“ Manchmal kommen diese kleineren Verwandten europäischer Wildschweine von den nahen Bergen herunter, um sich an den leicht zugänglichen Swimming- und Whirlpools oder Springbrunnen zu erfrischen.

Gerade, als ich mich akklimatisiert habe, geht meine Zeit in Tucson schon zu Ende. Im Van, mit dem mich Jon zum Airport fährt, friere ich fast angesichts der eisigen 20 Grad im Wageninneren. Jon fährt diesmal nicht durch die City. Er will mir einen Flughafen der US-Air Force zeigen. Und ich staune nicht schlecht: Kilometerweit geht es an hunderten, nein, tausenden Militärmaschinen vorbei. Hier warten seit Jahren Kampfbomber und Jets auf ihren Einsatz, um das stets paranoide Amerika vor Angriffen zu bewahren. Im Notfall können die Flieger innerhalb eines Tages startklar gemacht werden. Bis dahin schützt sie das trockene Wüstenklima und die salzfreie Luft vor Rost und Alterung.

Da kann ich nur froh sein, in meiner Zeit in Tucson außer einem Sonnenbrand wenigstens keinen Rost angesetzt zu haben. Harald Tews


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