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29.09.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Endlich Geschenke! / Worauf sich Versicherer und Banken freuen, was die Dämmstoffhersteller jubeln lässt, und warum wir nicht recht mitfeiern mögen

Weihnachten rückt näher, die Zeit der Barmherzigkeit und der Geschenke. Ein paar Bekannte wollen schon die ersten Nikoläuse in den Läden gesehen haben. Geht ja immer früher los.

In dieser kuscheligen Atmosphäre macht sich soziale Kälte recht schlecht, weshalb Angela Merkel nicht einfach nur „Nein“ sagen will zu dem Vorschlag mit der Zuschussrente für arme Ruheständler. Das Problem werde angegangen, verspricht die Kanzlerin und ließ schon mal durchblicken, was sie vorhat: eine neue Zusatzrente, über welche die Deutschen privat vorsorgen und so ihre gesetzliche Altersrente aufbessern sollen.

Mit anderen Worten: Wir erhöhen einfach die Rentenbeiträge, dann kommt hinten auch mehr raus. Darauf hätten wir selber kommen können. Aber nein, die Beiträge sollen ja stabil bleiben, das ist ein Politiker-Versprechen, und die halten ihre Zusagen. Deshalb nennen sie das nicht „Anhebung der Rentenbeiträge“ sondern „Einführung einer allgemeinen privaten Zusatzvorsorge“.

Aber – haben wir das nicht längst? Klar doch, nennt sich Riester-Rente. Die allerdings ist ein wenig in Verruf geraten. Habe neulich mal auf meine Abrechnung geblickt und entdeckt: Ein gutes Drittel meiner Beiträge (inklusive des staatlichen Zuschusses) sind nie im Kapitalstock angekommen, sondern irgendwo in der Versicherungswirtschaft versickert.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, hat diesen Blick kürzlich auch mal riskiert und gab daraufhin im Fernsehen bekannt, dass er seine Riesterrente gekündigt habe. Lieber nehme er einen gewaltigen Verlust auf einen Schlag hin als sich jeden Monat aufs Neue über die Abbuchung ärgern zu müssen. Schneider ist nicht allein, immer mehr Deutsche erkennen den Riester-Schmu und hauen ihrer gierigen Versicherung den schmierigen Vertrag um die Ohren.

Da kommt die Entdeckung der Kanzlerin, dass dringend etwas gegen Altersarmut unternommen werden muss, gerade recht: Zwingen wir die Leute einfach zum Riestern, muss sich die Versicherungsbranche keine Sorgen mehr machen. Das nützt auch dem Finanzminister: Per Gesetz sind die Versicherer nämlich gezwungen, einen erheblichen Teil der Versicherten-Gelder in Staatsanleihen zu investieren, das Geld also dem Hause Schäuble zu leihen. Das Gesetz gilt der „Sicherheit“ der Einlagen, heißt es. „Sicher“ ist vor allem, dass Schäuble Minizinsen zahlt, die nicht einmal die Inflationsrate ausgleichen.

So profitieren alle: Die Versicherungskonzerne bekommen ein todsicheres Geschäft, Schäuble bekommt seine Staatsanleihen für Quasi-Nullzins unter und die deutschen Normalverdiener bekommen das gute Gefühl, etwas gegen ihre Verarmung im Alter zu tun. Ein Gefühl, das ein halbes Leben lang anhält bis zu dem Moment, wo es an die Auszahlung der „sicheren“ Zusatzrente geht. Dann werden die von Vorfreude breitgegrinsten Gesichter ganz lang von den schmalen Zahlen.

Geschenke soll es nicht bloß für die Versicherungsbranche geben, auch der Dämmstoffindustrie leuchten die Augen: Ab 2016 wird die „Energie-Einsparungs-Verordnung“, kurz EnEV, noch einmal drastisch verschärft. Für den Klimaschutz. Ja, ja. Dann, so hofft die Branche, werden Dämmstoffe noch viel besser gehen als heute.

Hoffentlich wird sie nicht enttäuscht. Irgendwann wird bauen so teuer, dass es sich der Normalverdiener nicht mehr leisten kann. Kann er ja heute schon kaum noch. Als Ausweg gibt es daher die Überlegung, auch Besitzer von Bestandsbauten zum Nachdämmen gesetzlich zu verdonnern. Dann wären die Dämmstoff-Hersteller auch aus dem Schneider, wenn sich keiner mehr ein neues Eigenheim leisten kann.

Leider wurden die Konsequenzen eines solchen Nachdämmzwangs viel zu schnell öffentlich, was einen Proteststurm auslöste. Zwar hielt die Politik, und mit ihr die klimabesorgten Anbieter von Isoliermaterial, dagegen, dass sich das Nachdämmen in nur 30 Jahren amortisiere. Manch 80-jähriger Hausbesitzer aber wollte sich von dieser sagenhaften Aussicht nicht wirklich entflammen lassen. Also verschwand das Vorhaben zunächst in der Schublade. Da können wir es hoffentlich später wieder rausholen.

Woher diese Verbundenheit der Politik mit der Dämmstofflobby rührt, wissen wir nicht. Korruption kann es nicht sein, denn die ist bei uns ja verboten. So drohen heftige Strafen, wenn jemand einem Abgeordneten vor einer Abstimmung Geld zusteckt, damit der sein Händchen in gewünschter Weise hebt.

Ganz anders ist es, wenn man ihm die Tausender erst danach unterm Tisch durchreicht. Das ist in Deutschland völlig legal. Zwar hat die Bundesrepublik schon 2003 eine UN-Resolution unterschrieben, wonach dieser merkwürdige Unterschied zwischen Vorher und Nachher gestrichen werden müsste. Doch eigen­artigerweise hat der Bundestag bis heute keine Gelegenheit gefunden, die Resolution in ein Gesetz zu gießen, was bis auf Deutschland und Tschechien alle europäischen Staaten längst getan haben. Auch weltweit zögern nur noch Länder wie Birma, Saudi-Arabien, Tschad oder Sudan – eine erlesene Gesellschaft, was?

Da die Sache langsam peinlich zu werden droht, soll sich am 17. Oktober der Rechtsausschuss des Bundestages mit der Angelegenheit befassen. Noch sind viele Parlamentarier zuversichtlich, dass die Ausschuss-Mitglieder einen Weg finden, die gute bundesrepublikanische Schmiergeld-Tradition zu retten. Ein Abgeordneter heulte in die Kamera, seine „Unabhängigkeit“ sei in Gefahr, wenn die großzügige Erlaubnis für Geldgeschenke an Politiker beschnitten würde. Seine Unabhängigkeit! Der Mann sagte das mit völlig ernster Miene, eine schauspielerische Meisterleistung. Unsereins wäre ob dieser Dreistigkeit vor laufendem Mikrofon im Lachkrampf versunken. Als Polit-Profi lernt man eben, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Wolfgang Schäuble hat uns ohne die geringste Gesichtsverfärbung vorgesungen, dass das Risiko für die Deutschen im Rettungsschirm ESM nie und nimmer über die veranschlagten 190 Milliarden Euro steigen werde. Nun wird bekannt, dass man den ESM auf sein vierfaches Volumen „hebeln“ will. Statt 500 Milliarden will man ihn auf 2000 Milliarden aufblähen, damit auch Spanien und Italien drunterpassen.

Ebenfalls ohne rot zu werden versichert man in Berlin trotzdem, dass dadurch „keine zusätzlichen Haftungsrisiken für die deutschen Steuerzahler“ entstünden. Die Kreditsumme steigt aufs Vierfache, doch das Risiko bleibt gleich? Wir hätten bei Mathe besser aufpassen sollen. Es wird noch schöner: Zum „Hebeln“ will man private Kreditgeber ins Boot holen. Damit die überhaupt kommen, gewährt man ihnen absoluten Vorrang bei der Rück­zahlung der Kredite. Die Steuerzahler hingegen werden ganz hinten in der Reihe der Gläubiger Platz nehmen.

Mit anderen Worten: Während die Finanzindustrie noch daran mitverdienen soll, dass man ihre gefährdeten Kredite aus dem Feuer der Mittelmeerländer rettet, werden die Steuerzahler für die Reise in den Totalschaden gebucht. Sollte also genau ein Viertel der ESM-Kredite per Schuldenschnitt flötengehen, haben die Deutschen ihre 190 Milliarden komplett verloren, während die Banken, welche damit gerettet wurden, für ihre eigene Rettung sogar noch einen Zinsgewinn einstreichen.

Und mit einem Viertel werden wir wohl rechnen müssen. Aus Griechenland kamen in der vergangenen Woche im 48-Stunden-Takt neue Geldforderungen: Erst hieß es, das Land benötige in etwa zwölf Milliarden Euro mehr, dann 20 und schließlich 30. Dass davon jemals etwas wiederkommt, darf bezweifelt werden. Längst ist von einem zweiten Schuldenschnitt die Rede. Übrigens: Die milliardenschweren griechischen Reeder genießen noch immer das Privileg völliger Steuerfreiheit.


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