20.04.2024

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06.10.12 / In Kürze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-12 vom 06. Oktober 2012

In Kürze

Nagano dirigiert an der Elbe

Hamburg – Von 2015 an wird der amerikanische Stardirigent Kent Nagano neuer Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper. Er löst damit die Australierin Simone Young ab, die dort seit 2005 das Sagen hat und die nicht verhindern konnte, dass wegen der Hamburger Sparzwänge das Opernhaus von der Weltliga, in der es früher einmal mitspielte, weiter ins Mittelmaß abrutschte. Nagano kündigte an, „eines der besten Opernorchester der Welt“ installieren zu wollen. Ob ihm das mit einem Sparbudget gelingen kann, bleibt abzuwarten. tws

 

Als Genosse Witz verstarb

Berlin – „Witz ist überlisteter Schmerz“, sagte man in der DDR und meinte Witz als knapp pointierte Textform oder als Synonym für „gewitzten“ Verstand. Diesem Witz und Esprit gilt das Buch von PAZ-Autor Wolf Oschlies („Hammer und Kichern – Eine Galerie osteuropäischen Witzes und Geistes in kommunistischer Zeit und danach“, Wieser Verlag, Klagenfurt 2012, 315 Seiten, 12,95 Euro). Dafür entlieh er sich einen „Kompass“ des sowjetischen Autors Efraim Sevelas: Spätere Forscher werden den Kommunismus nicht anhand seines verlogenen Schrifttums oder seiner kunstlosen Literatur rekonstruieren, sondern entlang der Witze, die Unterdrückte über die Mächtigen machten.

Diesem „Kompass“ folgt der Autor durch fast das ganze „sozialistische Lager“, dessen Witzkultur er mit Proben von Moskau über Warschau bis Sofia und Bukarest vorstellt. Aber diese Pointen-Geographie ist nur der kleinere Teil seiner Rundreise, die mit boshaftem Vergnügen die unfreiwillige Komik erhellt, wie sie aus Filmen, Namensgebungen, Parolen, Reden und Appellen hervorleuchtete, vor allem aus „Pleiten“ kommunistischer Zensur. Von wegen, es gab in der DDR keine Zensur! Es gab gewitzte Autoren, die die „Wachsamkeit“ der Aufpasser notlanden ließen.

Dazu kommen liebevolle Porträts hierzulande unbekannter „Helden“ wie des sowjetischen TV-Spions Schtirlitz, um den sich eine tausendfache Witzkultur rankte, oder Satiriker wie des Bulgaren Radoj Ralin und des Serben Dusko Radovic, geliebte Ombudsmänner ihrer Mitbürger. Oschlies’ Gespür für Realsatire ist stets präsent, etwa wenn er in genüsslicher Breite und ohne Erfindung die Geschichte des Prager Stalin-Denkmals ausbreitet, wenn er hirnrissige Originaltöne aus Kasernen osteuropäischer „Volksarmeen“ aufspießt oder sich pointensicher über die Schnapsetikette von früher und heute amüsiert.

Als der Kommunismus verblich, starb auch dieser politische Witz, was Oschlies nur unter kulturhistorischem Aspekt bedauert. Einen „postkommunistischen Witz“ gebe es nicht, meint er, wohl aber einen Esprit, der neue Mängel mit alten Mitteln aufspieße, wie es etwa der Slowene Ivan Godnic mit „Geisteranrufung“ vorführte, legendären Funkinterviews mit dem längst toten Tito. Einen ähnlichen Kunstgriff stellt Oschlies ans Ende seines Buchs, ein fiktives Interview mit dem 2003 ermordeten Belgrader Politiker Zoran Djindjic, wobei dessen bissige und geistvolle „Antworten“ ein reiner Originalton aus den Reden und Erklärungen dieses charismatischen serbischen Reformers sind. PAZ


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