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13.10.12 / Teufelsdroge überrollt Brandenburg / »Crystal«: Freizügige Handhabung in Tschechien lenkt Rauschgift nach Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Teufelsdroge überrollt Brandenburg
»Crystal«: Freizügige Handhabung in Tschechien lenkt Rauschgift nach Deutschland

Im Süden Brandenburgs gelten mittlerweile mehrere Zehntausend Menschen als abhängig von der synthetische Droge „Crystal“. Die langfristigen Folgen sind für Brandenburg noch nicht abzusehen. Crystal gilt als eine der gefährlichsten Substanzen auf dem weltweiten Drogenmarkt überhaupt.

Es ist ein verheerender Ruf, welcher Crystal vorauseilt – Müdigkeit, Hunger und Schmerz werden über Tage unterdrückt. Länger andauernd als bei Kokain stellt sich ein Gefühl von überwältigender Stärke und Selbstvertrauen ein. Ebenso schnell macht sich allerdings auch die dunkle Kehrseite der vermeintlichen Wunderdroge bemerkbar.

Der in Crystal enthaltene Wirkstoff Methylamphetamin hinterlässt nach relativ kurzer Zeit menschliche Wracks. Schnell stellen sich eine starke körperliche und seelische Abhängigkeit und körperliche Schäden ein: Schlaf- und Kreislaufstörungen, starker Gewichtsverlust, Zahnausfall, Nierenschäden und Organblutungen.

Noch folgenreicher sind die Auswirkungen auf das Nervensystem. Wird Crystal länger konsumiert, stellen sich Halluzinationen und schwere Fälle von Paranoia ein. Die Drogenabhängigen hören ständig Stimmen, sehen sich von Teufeln umzingelt, viele trauen sich aus Angst nicht mehr auf die Straße. Erst in diesem Stadium – wenn sich massive Wahnvorstellungen einstellen – wird nach den Erfahrungen der Drogenberatungsstellen von den Abhängigen Hilfe von außen gesucht.

Das geschieht in Brandenburg inzwischen immer häufiger. Die besonders teuflische Droge hat sich im Süden Brandenburgs – um die Städte Cottbus, Finsterwalde, Elsterwerda und Senftenberg – seit zwei Jahren zu einem massiven Problem entwickelt: „Ich schätze die Zahl der Crystal-Konsumenten allein in Südbrandenburg auf mehrere Zehntausend. Und sie nimmt weiter zu“, so die Einschätzung des Leitenden Oberstaatsanwalts Bernhard Brocher gegen-über dem Berliner „Tagesspiegel“.

Weder dieser alarmierende Befund, noch was damit auf das Land Brandenburg zukommt, ist allerdings im Bewusstsein der Öffentlichkeit bisher wirklich angekommen. Die Rückfallquote bei Abhängigkeit von Crystal liegt nach den bisherigen Therapieerfahrungen bei erschreckenden 90 Prozent, gleichzeitig ruiniert die Droge Gesundheit und Psyche wie kaum eine andere Substanz auf dem weltweiten Drogenmarkt. Dabei ist die Wirkung samt den verheerenden Nebenwirkungen des Methylamphetamins seit langem bekannt.

Bei dem, was in illegalen Hinterhof­labors in aller Welt unter Namen wie „Crystal“, „Meth“ oder auch „Ice“ zusammengebraut wird, handelt es sich um eine künstliche Droge, die mittlerweile seit über 100 Jahren bekannt ist. 1893 von einem japanischen Chemiker entwickelt, fand es in Deutschland unter dem Markennamen „Pervitin“ im Zweiten Weltkrieg millionenfache Anwendung. Unter Soldaten als „Stuka-Tabletten“, „Panzerschokolade“ oder „Hermann-Göring-Pillen“ bekannt, sollte das Präparat Angstgefühle nehmen und die Leistungsfähigkeit im Kampf steigern.

Dass die Droge mit den furchtbaren Nebenwirkungen nun im Süden Brandenburgs, in Sachsen und Bayern sogar die Einstiegsdroge Haschisch zu verdrängen beginnt und sich auf dem Drogenmarkt massiv ausbreitet, hat seinen Hintergrund in der Liberalisierung der tschechischen Drogenpolitik. Seit dem Januar 2010 ist in Tschechien der Besitz von bis zu zwei Gramm Crystal nicht mehr strafbar. In Deutschland reicht bereits der Besitz eines Gramms für eine bis zu dreijährige Haftstrafe.

Bisher scheint sich die Verbreitung von Crystal noch weitgehend auf den Südosten der Republik zu beschränken, während in anderen Landesteilen die Droge bisher kaum ein Problem ist. Eine mögliche Erklärung hierfür könnten die Vertriebswege liefern. Beim Weg von den illegalen Labors in Böhmen zu den Drogenkonsumenten in Deutschland spielen lokale deutsche Rockerbanden eine entscheidende Rolle, so die Vermutung von Ermittlern. Die Gewinnspannen sind gewaltig: Nach Erkenntnissen des Hauptzollamtes Dresden kostet das Gramm Crystal in Tschechien 20 bis 30 Euro, in Deutschland wird es dagegen für 80 Euro gehandelt.

Wenig überzeugend klingen bisher die Konzepte, mit denen man die weitere Ausbreitung verhindern will. Beim Zoll sind zwar sowohl die Anzahl der Zugriffe als auch die sichergestellten Mengen an Crystal deutlich gestiegen – auf dem Drogenmarkt zeigt dies aber kaum Wirkung. Allein im sächsischen Bautzen hat sich im vergangenen Jahr bei der Drogenberatung der Arbeiterwohlfahrt die Zahl der Crystal-Konsumenten, die um Beratung baten, verdoppelt.

Ob eine verstärkte Kooperation mit tschechischen Ermittlern, wie sie nun geplant ist, tatsächlich nachhaltigen Erfolg bringt, wird von Kennern des Problems bezweifelt. Bei offenen Grenzen und den lukrativen Gewinnspannen werde der Strom von Crystal aus Böhmen kaum versiegen, sondern eher noch zunehmen. Unklar ist bisher, wie man in den betroffenen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Bayern mit den Langzeitfolgen der Drogenschwemme aus Böhmen fertigwerden will. Die Kosten für das Gesundheits- und Sozialsystem dürften bald spürbar steigen. Auch drastisch wachsende Schäden durch die Beschaffungskriminalität der Süchtigen sind zu befürchten.    Norman Hanert


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