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13.10.12 / Erdogan spielt mit dem Feuer / Eskalation des Grenzkonflikts mit Syrien liegt im Interesse Ankaras

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Erdogan spielt mit dem Feuer
Eskalation des Grenzkonflikts mit Syrien liegt im Interesse Ankaras

Buchstäblich mit einem lauten Knall endete die Männerfreundschaft zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und Syriens Präsidenten Baschar al-Assad endgültig. Die Spannungen zwischen beiden Ländern spitzen sich gefährlich zu. Obwohl immer noch nicht klar ist, ob die syrische Armee oder die Rebellen das Feuer auf den türkischen Grenzort Akcakale eröffneten, redet Erdogan gegen die Mehrheit seiner Landsleute einen Krieg herbei. Während Assad kaum an einer Eskalation des Grenzkonflikts gelegen sein kann, da er genug damit zu tun hat, sich seiner Gegner im eigenen Land zu erwehren, könnte Erdogan davon profitieren.

Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien waren die Beziehungen zwischen beiden Staaten geradezu freundschaftlich. Erdogan und Assad verstanden sich bestens. Als selbst ernannte Führungs- und Ordnungsmacht im Nahen Osten ist der Türkei an Stabilität in der Region und guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten gelegen. Nachdem abzusehen war, dass sich die „Arabellion“ in Syrien nicht auf mehr oder minder friedlichem Wege wiederholen lässt, war diese Politik gescheitert. Damit wurde Erdogan zum erbittertsten Widersacher seines einstigen Männerfreundes und unterstützte fortan offen dessen Gegner.

Der Grenzkonflikt gibt ihm nun die Möglichkeit, die innere Angelegenheit Syriens durch deren Internationalisierung zu bereinigen. Seine Hoffnung, den Selbstverteidigungs- zum Bündnisfall auszuweiten, hat sich indes nicht erfüllt. Der Nato-Rat war auf seiner Sondersitzung nicht einmal bereit, die Frage einer Beistandspflicht gemäß Paragraf 5 des Nato-Vertrages überhaupt zu erörtern. Zwar hat das Bündnis ihm Unterstützung zugesagt, ohne weiter zu definieren, wie diese aussehen könnte, auf ein Eingreifen der Nato-Partner wie im Fall Libyen darf Erdogan aber zumindest derzeit nicht hoffen. Das eigene Parlament dagegen hat Erdogan Rückendeckung für eine Militärintervention im Nachbarland gegeben. Würde er davon Gebrauch machen, dürfte das zu Verärgerung bei den Verbündeten und im eigenen Land führen.

Gleichwohl könnte es sich für Erdogan nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen lohnen, dieses Risiko einzugehen. Dabei geht es um die Kurdenfrage, die Erdogan derzeit wieder einmal mit militärischer Gewalt zu lösen versucht. Das Assad-Regime unterstützt die kurdischen Kämpfer und beliefert sie mit Waffen. Eine Schwesterorganisation der türkischen PKK kontrolliert einen etwa 100 Kilometer langen Abschnitt entlang der Grenze. Mit Sorge blickt Ankara auf den Irak, wo ein selbstverwaltetes kurdisches Gebiet entstanden ist. Würde Syrien im Bürgerkrieg zerfallen, könnte auch hier eine autonome Kurdenregion entstehen. Würde diese sich mit dem kurdischen Nordirak zusammenschließen, wäre eine kurdische Konföderation unter Einschluss des Südostens der Türkei in greifbare Nähe gerückt. Für Ankara wäre das eine unerträgliche Entwick­lung, die es mit allen Mitteln zu verhindern gilt.

Mit einem Militärschlag gegen das Nachbarland und der Beseitigung Assads von außen könnte Erdogan nicht nur das Scheitern seiner Außenpolitik verhindern, sondern auch sein Kurdenproblem zumindest teilweise lösen. Es könnte aber auch anders kommen und die Internationalisierung des syrischen Bürgerkrieges die ganze Region entflammen. Erdogans Kriegsrhetorik bleibt also ein Spiel mit dem Feuer.         Jan Heitmann


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