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13.10.12 / Weidmann gibt nicht auf / Bundesbankchef bietet den Mächtigen in Sachen Euro-Rettung die Stirn – Geld soll nicht entwertet werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Weidmann gibt nicht auf
Bundesbankchef bietet den Mächtigen in Sachen Euro-Rettung die Stirn – Geld soll nicht entwertet werden

Der Chef der Deutschen Bundesbank war im Rat der Europäischen Zentralbank der einzige, der sich gegen die Käufe von Staatsanleihen aussprach. Da diese gegen seine Überzeugungen sind, will er sie nun auf anderem Wege verhindern.

Letztlich waren es Angela Merkel und Wolfgang Schäuble höchstselbst, die Mario Draghi den Sieg über die Deutsche Bundesbank beschert haben. Der italienische Chef der Europäischen Zentralbank hatte die deutsche Kanzlerin und ihren Finanzminister auf seine Seite gezogen im Ringen mit Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Nun hatte der Bundesbanker nicht einmal mehr seine eigene Regierung im Rücken. Die Sache jener bewunderten Institution, deren Name für die erfolgreichste Währung der jüngeren europäischen Geschichte, die Deutsche Mark, steht, schien verloren.

Wer jedoch gedacht (gehofft?) hatte, dass der erst 44-jährige oberste deutsche Währungshüter nun klein beigeben würde, hatte sich getäuscht. Durch den Verrat aus Berlin fühlte sich Weidmann vielmehr davon befreit, weiter Rück-sicht nehmen zu müssen auf die Belange einzelner Politiker, Parteien oder Regierungen. Von nun an konnte er sich allein der Aufgabe widmen, welche der Bundesbank seit Bestehen aufgegeben war: der Erhaltung der Geldwertstabilität, also dem Kampf gegen die Inflation als Folge einer Politik des lockeren Geldes.

Konkret geht es darum, dass Draghi Schulden klammer Euro-Staaten aufkaufen will. Er will so dafür sorgen, dass die Länder sich Geld zu niedrigeren Zinssätzen leihen können. Dagegen läuft die Bundesbank Sturm, aus zwei Gründen. Erstens werde dadurch der Reformdruck von den Ländern genommen. Zweitens wäre dies Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Die Bundesbank verweist auf zahllose historische Beispiele (nicht zuletzt aus Italien), wo diese (für die Regierungen) äußerst bequeme Art der Geldbeschaffung zu Inflation geführt habe. Das Geld der Bürger wurde entwertet, damit die Politik großzügiger wirtschaften konnte.

Per Vertrag ist der EZB eine solche „Staatsfinanzierung mit der Notenpresse“ tatsächlich verboten. Doch Draghi wehrt sich mit einem Trick: Da er das Geld nicht direkt an die Staaten gebe, sondern „nur“ Schuldtitel aufkaufe, die sich bereits in den Händen von Investoren (wie etwa Banken und Versicherungen) befänden, bekäme der Staat ja gar nichts. Also sei das auch keine Staatsfinanzierung durch die Notenbank.

Ein durchschaubares Manöver: Draghi unterschlägt dabei, dass solche Aufkäufe sehr wohl das Zinsniveau drücken, womit auch die betreffenden Staaten finanziell profitieren, weil sie sich billiger neu verschulden können. Dennoch beharrt die EZB darauf, dass sie nicht zur Bedienung der Politik, sondern allein zur Erhaltung der Euro-Stabilität Staatsanleihen kaufe.

Die Bundesbank will das durchschaubare Spiel verhindern. Dabei kommt ihr zu Hilfe, dass sich die EZB auch ganz offensichtlich in Widersprüche verstrickt. Um den Rückfall in den Schlendrian zu verhindern, fordert Draghi von den Krisenländern nämlich, dass sie zunächst einen Antrag auf Hilfskredite vom Rettungsschirm ESM stellen sollen. Dafür müssten sie Auflagen erfüllen, also sparen und ihre Länder reformieren. Auf diese Weise will Draghi verhindern, dass sich die klammen Länder – mit EZB-Hilfe aus der Patsche gekommen – gleich wieder in den Schlendrian sinken lassen.

Hier jedoch beißt sich die Argumentation der EZB in den Schwanz: Denn wenn das Wohlverhalten der Regierungen von Spanien oder Italien darüber entscheidet, ob die EZB aktiv wird, dann geht es offensichtlich um die Finanzierung dieser Staaten, und eben nicht um Geldwertstabilität im gesamten Euro-Raum. So jedenfalls sieht es Jens Weidmann, dessen Bundesbank die Anleihekäufe daher gerichtlich stoppen lassen will.

Dafür aber müsste zunächst das Bundesverfassungsgericht über die Klagen gegen den ESM entscheiden. Am 12. September hatten die Richter ein „vorläufiges“ Urteil gefällt. Bislang ist unklar, wann das endgültige Urteil ergeht. Zunächst war von Dezember die Rede. Anfang Oktober jedoch deutete Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, an, dass es länger dauern könne.

Lehnt Karlsruhe den ESM ab, wäre logischerweise auch Draghis Anleihe-Kaufprogramm hinfällig, hat er selbst es doch an den ESM gekoppelt. Darüber aber müsste dann der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden.

Skeptiker fürchten nun, dass  das Verfahren in Karlsruhe und beim EuGH so lange hingezogen wird, bis es sich von selbst erledigt habe, weil alle ESM-Gelder ausgereicht und Billionen an Staatsanleihen von Krisenländern von der EZB gekauft wären. Dafür benötigten die Chefs von EZB und ESM bloß zwei Jahre, schätzt Peter Boehringer von der „Deutschen Edelmetallgesellschaft“.

Wie bange Jens Weidmann tatsächlich um die Stabilität des Euro ist, enthüllte er erst dieser Tage: Offen pries der Bundesbankchef die Funktion von Gold als „zeitlosen Klassiker in seiner Funktion als Tausch-, Zahlungs- und Wert-aufbewahrungsmittel“.

Ein unerhörter Tabubruch, denn: Seit der Aufhebung des Goldstandards 1971 gilt Gold als Konkurrent zum Notenbankgeld. Seit jenen Tagen sind alle Notenbanker bemüht, die Bedeutung des Edelmetalls herunterzureden und stattdessen die Werthaltigkeit des Papiergelds hervorzuheben, das schließlich ihr „Produkt“ ist.

Dass ein hochrangiger Notenbanker Gold so lobend hervorhebt, ist daher eine absolute Neuigkeit. Sie fügt sich nahtlos in Weidmanns abfälliges Zitat, der Euro sei im Grunde nur „bedruckte Baumwolle“. Finanzminister Schäuble hatte den Bundesbankchef nach dem „Baumwolle“-Ausspruch gemahnt, seine Wortwahl zu zügeln. Die jüngsten Äußerungen zu Gold geben jedoch den Anschein, dass Weidmann nicht mehr daran denkt, sich zurückzuhalten. Zu groß sind seine Sorgen um den Geldwert, zu riskant scheint ihm, was Draghi, Merkel und Schäuble mit dem Geld der Bürger anstellen.      Hans Heckel


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