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13.10.12 / Das Troja des Balkans / Pfiffige Ideen helfen, um Ausgrabungen in der von einem Erdbeben zerstörten Stadt Stobi zu finanzieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Das Troja des Balkans
Pfiffige Ideen helfen, um Ausgrabungen in der von einem Erdbeben zerstörten Stadt Stobi zu finanzieren

Für Archäologen ist Makedonien eine einzige Fundgrube. Über 4500 Ausgrabungsstellen gibt es in der kleinen Balkanregion, die sich über drei Staaten – Griechenland, Mazedonien und Bulgarien – erstreckt. Dass es in der Bibel häufiger erwähnt wird als Griechenland, zeugt von seiner früheren Bedeutung. Von hier ging um 50 n. Chr. der Apostel Paulus auf europäische Missionstour. Und hier haben nicht nur die Römer, sondern auch Erdbeben gewütet. Ein solches verwüstete die Stadt Stobi vor gut 1500 Jahren.

Die Römer haben in Stobi, das ab dem späten fünften nachchristlichen Jahrhundert Hauptstadt der römischen Provinz Macedonia secunda war, deutliche Spuren hinterlassen. Denn dank seiner Lage war es zum strategischen und kommerziellen Zentrum für den Salzhandel prädestiniert. Östlich der heutigen mazedonischen Hauptstadt Skopje am Zusammenfluss zweier Flüsse gelegen, war es mit Donau und Ägäis verbunden und war auch wegen der Überlandstraße Via Egnatia eine Stadt, wie sie sich der sparsame Kaiser Vespasian nur wünschen konnte, der sie 69 n. Chr. zum „Municipium“ beförderte, zur freien Stadt.

Stobis Geschichte setzte im dritten vorchristlichen Jahrhundert ein und stand zumeist unter einem glücklichen Stern. In frühchristlicher Zeit war Stobi Sitz des Bischofs Budios, der 325 am Konzil von Nicäa teilnahm. Das Erdbeben von 581  ließ diese bewundernswerte Entwicklung abreißen. Die Stadt wurde nicht wieder aufgebaut.

Vor etwa 100 Jahren begannen erste Ausgrabungen in Stobi, oberflächlich vorgenommen von österreichischen Offizieren. Gründlicher arbeiteten Experten, die 1923 bis 1940 unter Leitung des österreichischen Frühgeschichtlers Balduin Saria gruben. Mit von dieser Partie war Djordje Mano-Zissi, der von 1970 bis 1980 das „jugoslawisch-amerikanische Stobi-Projekt“ leitete.

Nach der makedonischen Eigenstaatlichkeit 1991 folgten kleinere Grabungen, bis im Dezember 2008 Stobi zum „Nationalen Institut“ erklärt und der jungen Archäologin Silvana Blashevska unterstellt wurde. Ihr stehen dieses Jahr 28 Archäologen, Konservatoren und Fremdenführer zur Seite, die möglichst alle am Ort arbeiten und leben sollen.

Vom alten Bahnhof des benachbarten Städtchens Gradsko hat man einen prachtvollen Blick auf die bisherigen Funde in Stobi: drei Basiliken, eine Synagoge, mehrere Paläste und Straßen, ein Theater, zwei Thermen, ein Spiel-Kasino, drei Friedhöfe und vieles mehr, darunter berühmte Mosaiken von Vögeln und Amphibien, deren akribische Restauration derzeit läuft. Das alles ist erst der Anfang, denn bislang hat man bloß 15 Prozent des Areals von Stobi erschlossen. 

Dabei ist von Vorteil, dass Stobi seit einigen Jahren von der Stiftung „Balkansko Nasledstvo“ (Balkanisches Erbe) betreut wird, die im ostbulgarischen Stara Zagora ihren Sitz hat und sich erfolgreich bemüht, junge Fachleute aus Europa und Übersee in der „Methodik archäologischer Feldforschung“ an klassischen Objekten wie Stobi zu schulen, was speziell von US-Amerikanern und Kanadiern begeistert angenommen wurde. Jede „Sommerschule“ arbeitet nach einem anspruchsvollen Programm (zum Beispiel „Werkstatt für Konservierung und Restaurierung römischer Mosaike“), was es nicht zum Nulltarif gibt. Jeder Teilnehmer zahlt 1300 Euro, die zur „Selbstfinanzierung“ Stobis beitragen.

Anderweitig verfügt Stobi kaum über nennenswerte Einkünfte, kann aber bei speziellen Projekten wie der Restaurierung der Fresken (4. und 5. Jh. n. Chr.) in Budios’ großer Basilika auf großzügige Förderung von den USA und weiteren rechnen. Andere Quellen fließen spärlich: Das jährliche „Festival des antiken Dramas“ bringt wenig ein, die Eintrittskarten kaum mehr. Pro Jahr verlieren sich ganze 12000 Besucher in dem Riesenareal von 20 Hektar und zahlen eine runde Million Denar (17000 Euro). Die finanzielle Hauptlast trägt der Staat, aber Kultusministerin „Betty“ Kanceska-Milevska muss Prioritäten setzen, wie in diesem Herbst bei Stobis antikem Theater, dessen Be­su­cherränge ge­fähr­lich bröckeln.

Für Stobi müssen Werbetrommeln ge­rührt werden, wofür Chefin Blashevska ein „Händ­chen“ hat. Sie hat bereits in ganz Europa Vorträge gehalten, kürzlich sogar in Athen, wo man gemeinhin nicht gut auf Makedonien zu sprechen ist. In Stobi plant sie ein großes Museum und ein überregionales Informations-Netzwerk. Im August sorgte sie für Medienecho, als die jungen Archäologen der „Sommerschule“ rund 30 alte Münzen aus der Zeit von Kaiser Flavius Anastasius (5. Jh. n. Chr.) ausgruben. Das gefiel, denn zu den Privilegien des „Municipiums“ Stobi gehörte auch die Ausgabe eigener Münzen.

Die „Lokalität“ bietet eben immer Anlass zum Staunen, so wurde 2008 ein heidnischer Tempel (2. Jh. n. Chr.) freigelegt, den man erst im Juni 2012 der ägyptischen Göttin Isida (Isis) zuordnen konnte. Deren Kult verbreitete sich bereits unter dem altmakedonischen König Alexander dem Großen (4. Jh. v. Chr.). Isidas (kopflose) Statue zierte in den 1990er Jahren den zehn-Denar-Schein, ihr Tempel war bis zum 4. Jahrhundert „in Gebrauch“, wurde dann von Christen  zum profanen Wohnhaus degradiert. Heute ist das Gebäude in restauriertem Glanz dabei, dem Theater die Rolle als Stobis Kronjuwel abzulaufen.             Wolf Oschlies


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