20.04.2024

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13.10.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           
liebe Familienfreunde,

es gibt so viele Zuschriften, die auf meinem Schreibtisch landen und die ich gerne weitergeben möchte, aber da ist eine Schranke, nämlich der Vermerk „persönlich“. Das tut mir leid, denn manche Briefe enthalten so nette Erinnerungen oder eigenwillige Kommentare zu unseren Themen, die auch unsere Leser interessieren würden, doch ich muss die Bedingungen einhalten. Aus einigen Zuschriften kann ich aber doch gewisse Anregungen entnehmen, ohne den Namen der Schreibenden zu nennen, das ist immerhin ein Kompromiss. Andere haben keinen Bezug zu den von uns veröffentlichten Themen, es sind lediglich Mitteilungen, aber sie bereichern das ohnehin schon breite Spektrum unserer Ostpreußischen Familie. Einige will ich heute bringen, um Euch, lewe Landlied und Familienfreunde, einen Einblick in diese so unterschiedliche Leserpost zu geben.

Zum Thema „Zeitzeugen“, das ja für uns immer wichtiger wird, berichtet Herr Wolfgang Czolbe aus Norderstedt aus einiger Erfahrung. „Heute habe ich, inzwischen 76-jährig, vor Schülern des 12. Jahrgangs im Beruflichen Gymnasium Norderstedt eine fast zweistündige Unterrichtsstunde als Zeitzeuge über die Flucht aus Ostpreußen gehalten. 27 Schüler lauschten konzentriert und stellten viele Fragen – Fragen über meine Zeit als Kind in Allenstein, über die Flucht und über die Eingliederung im Westen. Anhand einer noch vorhandenen Landkarte zeichnete ich den Fluchtweg von Allenstein über Marienburg, Karthaus, Stolp, Greifswald, Lübeck bis nach Hamburg vor der Klasse nach. Fragen waren von den Schülern vorher formuliert worden, sie wurden mir einige Wochen vor dem Termin überreicht. Dem einladenden Lehrer, Herrn Günter Diekmann, danke ich sehr, dass er mir diese Gelegenheit zur Information über unsere Heimat gegeben hat. Die Schüler dankten mir mit Beifall, einige sogar persönlich.“

Eine interessante Zuschrift zu unserem – durch unsere „Patenschaft“ für den nachgebauten Kahn in Nidden – sehr intensiv behandelten Komplex „Kurenkahn“ kommt von Herrn Heinz Ney aus Potsdam, der sich sehr über den glücklichen Ausgang der „Herz-Motor-Geschichte“ der „Kursis“ gefreut hat, aber gleichzeitig eine Korrektur anbringt. „Es gibt nicht den Kurenkahn – die Kähne an der Kurischen Nehrung bestehen aus vielen Typen. Die Kähne wurden meistens nach der Art der Fischerei bezeichnet, deshalb ist die richtige Typenbezeichnung der „Kursis“ Kurrenkahn und nicht Kurenkahn. Dieser war, wie auch der Keitelkahn, für die Schleppnetzfischerei konzipiert. Die Kurre war ein Baumnetz, das einen Kurrbaum hatte, um das Netz offen zu halten. Allerdings meine ich, die richtige Kahnbezeichnung wird sich im allgemeinen Sprachgebrauch wohl nicht durchsetzen.“ Das glaube ich auch, lieber Herr Ney, der „Kurenkahn“ ist heute so fest verankert in unserem Sprachgebrauch, dass er wohl nicht mehr zu ändern geht. Wir sehen in ihm keine Typenbezeichnung, sondern verbinden mit ihm ein unverwechselbares, wunderbares Stück Heimat: die Kurische Nehrung und das Kurische Haff und auch den bunten Kurenwimpel auf dem Mast. Lasst den „Kurrenkahn“ ruhig auf anderen Wassern fahren – so wird, wie Herr Ney uns auch mitteilt, gerade vor einem rührigen Verein in Wolgast an der vorpommerschen Küste ein Kurrenkahn gebaut. Wer sich technisch mit diesem Thema befassen will, den wird der Hinweis von Herrn Ney auf ein hervorragendes Fachbuch von Werner Jaeger interessieren: „Fischerkähne auf dem Kurischen Haff. Einblick in die Geschichte des Kahnbaus und der Fischerei bis 1945“, ISBN: 3-89534-160-6. Wir danken Herrn Ney für die vielen Informationen. (Heinz Ney, Zum Kahleberg 85 in 14478 Potsdam, E-Mail: neypreussen@googlemail.com)

Freude und Enttäuschung liegen manchmal ganz dicht beieinander. Das bekam auch unser Landsmann Werner Mai aus Maisach zu spüren, denn zuerst sah es nach einem Blitzerfolg aus, weil seine Suchfrage nach ehemaligen Nachbarskindern aus Königsberg gleich zwei Namen ins Spiel brachte, die absolut stichfest schienen. Was dabei herauskam, war ein Tiefschlag für Werner Mai, denn der von ihm Angerufene lehnte – trotz Namensgleichheit – jegliche Verbindung zu dem gesuchten Kinderfreund ab und legte einfach nach kurzem, fast beleidigendem Gespräch den Hörer auf. „Er hat mich wohl für einen Telefonbetrüger gehalten“, resigniert Herr Mai, und gibt sich unterschwellig wohl etwas Mitschuld an dem Desaster, denn „es ist doch sehr schwierig, nach 67 Jahren die richtigen Worte zu finden, um Erinnerungen wach zu rufen“. So zeigt er sich nach seinen eigenen Worten „sehr be­druckst“, aber das Fünkchen Hoffnung bleibt, doch noch Mitbewohner aus dem Haus Schönstraße 11 zu finden, denn Herr Mai hängt sehr an seiner Heimat, zumal er sich in seinem süddeutschen Wohnsitz recht einsam fühlt. Seine Frau verstarb schon vor 30 Jahren, die Kinder sind längst ausgeflogen und fühlen sich ihrem Geburtsland Bayern verbunden. Da tut es gut, dass man sich in einem Brief mal so richtig ausschabbern kann, dazu ist ja die Ostpreußische Familie da. Vielleicht gibt es ja doch noch Tragheimer, die sich an die Bäckerei seines Vaters Fritz Mai erinnern, die Ecke Paulstraße – gegenüber der „Regierung“ im Mitteltragheim – lag? Hierzu kam bisher keine Zuschrift, auch die Suchfrage nach der zur Zeit der Flucht etwa zehnjährigen Ursula Brandenburg aus dem Haus in der Schönstraße blieb unbeantwortet. Deshalb hier noch einmal seine Anschrift: Werner Mai, Bürgermeister-Bals-Straße 8 in 82216 Maisach, Ortsteil Malching.

Du sollst nicht mehr allein sein! Das war der Leitsatz, unter dem 1972 unsere Ostpreußische Familie“ ins Leben gerufen wurde – und ihre Mittleraufgabe hat sie in den nun 40 Jahren ihres Bestehens voll erfüllt und will es weiter tun. Nicht allein konnte sich Frau Edeltraud Knoche aus Heide fühlen, die einmal das Familientreffens der ostpreußischen Sippe Mill ins Leben gerufen hatte, die sich diesmal im holsteinischen Lexfähre zusammen fand. Über 100 Nachkommen der „Stamm-Mutter“ Johanna Mill, die 1996 im Alter von 94 Jahren verstarb, wurden zu diesem Treffen erwartet – 108 waren gekommen, von der 84-jährigen Seniorin bis zum vierjährigen jüngsten Spross. Einer der Aktiven der Sippe, ein 71-Jähriger aus Halle, hat einen Stammbaum erstellt, der inzwischen auf vier Meter Länge angewachsen ist und natürlich das Prunkstück des Familientreffens war. Herr H.-J. Manthey aus Hohn hatte uns auf dieses Ereignis aufmerksam gemacht, und wir haben gerne darüber berichtet, denn es ist schon erstaunlich, dass sich die Nachkommen einer Ostpreußin, die 1945 mit ihren neun Kindern auf die Flucht ging, nach 67 Jahren in solch großer Zahl zusammen finden. Insgesamt gibt es 156 direkte Nachkommen von Johanna Mill! Frau Edeltraud Knoche, die Initiatorin dieses nun zur Tradition gewordenen Familientreffens, hat sich sehr über die Veröffentlichung in der PAZ gefreut, wie uns Herr Manthey berichten konnte.

Zu den Zuschriften mit dem Vermerk „persönlich“ gehört auch der Brief eines Berliner Lesers, allerdings sehr höflich formuliert: „Dieser Brief ist nur für Sie gedacht, also kein Leserbrief!“ So sehr ich mich über die netten Zeilen und vor allem über die beiliegende Foto-Kopie gefreut habe, bin ich doch etwas bedripst, weil ich das Bild nicht veröffentlichen kann, das zweifellos viele Leser interessieren würde. Herr M. schrieb zu unserem Bericht über die Flugtage in Rossitten, weil er eine umfangreiche Luftfahrt-Dokumentation besitzt und über diesen Beitrag sehr erfreut war. Im Rahmen dieser historischen Sammlung besitzt er auch schriftliche und fotografische Unterlagen von ostpreußischen Fliegern und Flugveranstaltungen auf ostpreußischem Boden. Er selber ist kein Landsmann, aber sein Interesse an unserer Heimat ist groß, und deshalb möchte er als langjähriger Abonnent unsere Zeitung nicht mehr missen. Und ganz lieb hat er sich über unsere „Ostpreußische Familie“ geäußert, vor allem über „die Freude, die aus den vielen Beiträgen herausstrahlt“. Das kann und das muss ich doch weitergeben!

Auf den Wunsch von Frau Ursula Karge aus Norden nach Konfirmationsurkunden haben unsere Leserinnen und Leser ebenfalls sehr schnell und positiv reagiert. Bereits einige Tage nach der Veröffentlichung in Folge 36 konnte uns die Sammlerin den Erhalt von 26 Dokumenten melden. Das finde ich beachtlich, ja sogar erstaunlich, wenn man bedenkt, dass einige Urkunden aus dem 20. Jahrhundert stammen. Die älteste Konfirmationsurkunde ist mit dem Jahr 1846 aus Pletzpodahl datiert, es folgen weitere aus Gudmin (1857), Goldap (1856) und Riga (1893). Die frühesten Dokumente aus dem vergangenen Jahrhundert sind Urkunden aus Kraupischcken (1901) und Weichkaufin (1903). Einige der Gemeinden wird man auf keiner Landkarte mehr finden, auch viele Kirchen, die auf den Urkunden abgebildet sind, werden längst zerstört sein. Ostpreußen ist mit Dokumenten aus fast allen seinen Teilen vertreten, von Tilsit bis Johannisburg. Andere stammen aus dem Baltikum, aus Pommern und Westpreußen. Man bedenke, dass nur wenige Dokumente im Fluchtgepäck gerettet werden konnten. Allein in meiner Familie weiß ich von keiner Konfirmationsurkunde, die bis heute erhalten blieb. Da Frau Karge für ihre Aktion keine finanzielle Unterstützung erhält, ist ihr Aktionsradius beschränkt. Deshalb bitte ich unsere Leserinnen und Leser, auch Freunde und Bekannte auf diese Urkundensammlung, die nach dem Wunsch von Frau Karge später einem Museum übergeben werden soll, aufmerksam zu machen. Zuerst aber sagen wir auch im Namen der Ostfriesin herzlichen Dank für die ersten Kopien, vor allem auch für die netten Begleitworte und Berichte, die beweisen, wie positiv von vielen Landsleuten das Bemühen von Ursula Karge, diese Urkunden als Zeugnisse eines christlichen Lebens zu bewahren, aufgenommen wurde. Wir werden weiter über den Fortgang der Aktion berichten. (Ursula Karge, Hollweg 20b in 26506 Norden, Telefon 04931/3166.)

Eure Ruth Geede


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