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13.10.12 / Zu späte Annäherung / Tochter versucht nach dem Tod der Mutter diese zu verstehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Zu späte Annäherung
Tochter versucht nach dem Tod der Mutter diese zu verstehen

Klare Strukturen und Ziele im Leben sowie ein geregelter Tagesablauf sind für viele Menschen unverzichtbare Dinge. Im Roman „Pink Hotel“ zeigt die Autorin Anna Stothard, dass es auch anders geht. Nachdem sie wegen eines Missverständnisses von der Schule geflogen ist, bucht ein 17-jähriges Mädchen mit der Kreditkarte seiner Stiefmutter einen Flug von London nach Los Angeles. Sie will zur Totenwache ihrer Mutter Lily, die sie nie kennen gelernt hat.

Ohne Geld oder anderes Gepäck erreicht die namenlose Hauptdarstellerin schließlich ein heruntergekommenes Hotel in Venice Beach Kalifornien, das „Pink Hotel“, welches ihrer verstorbenen Mutter und ihrem Mann gehörte. Im „Pink Hotel“ lässt sie im Schlafzimmer ihrer Mutter einen roten Koffer mitgehen, welchen sie mit allerlei Klamotten, Modeschmuck und Schuhen von Lily vollstopft.

„Pink Hotel“ ist ein zum Teil recht chaotischer Roman, dessen Hauptfigur völlig widersinnige und unverständliche Dinge tut. Ab dem Moment, wo sie den roten Koffer ihrer Mutter im „Pink Hotel“ mitgehen lässt, gerät die 17-Jährige in eine Art Strudel der Ereignisse. Statt Vernunft zu bewahren und zu ihrem Vater nach London zurückzukehren, lässt sie sich von diesem Strudel erfassen und Tage, Wochen und Monate scheinbar ziellos durch L.A. treiben. Jedoch nur scheinbar ziellos. Denn ohne wirklich darüber nachzudenken, wandelt sie auf den Spuren ihrer verstorbenen Mutter. Wie ferngesteuert streunt sie in Lilys Kleidern durch die Kneipen und Bars von L.A., in denen auch ihre Mutter einst verkehrte.

Als Lilys Tochter bemerkt, dass ihr jemand auf den Fersen ist, um ihr den roten Koffer wieder abzuknöpfen, sucht sie Schutz bei dem Fotografen David, von dem sie vermutet, dass er einst eine Affäre mit Lily hatte. Zwischen den beiden entspinnt sich eine völlig verworrene und bizarre Liebesgeschichte, bar jeder Romantik. Ein inneres Gefühl hält Lilys Tochter jedoch davon ab, David gegenüber ihre wahre Identität zu offenbaren. Und wäre da nicht dieses kleine, etwas anrüchige Geheimnis gewesen, hätte es möglicherweise ein Happy End zwischen den beiden geben können.

In Anna Stothards Roman vergeht die Zeit wie im Fluge, und dennoch spielt Zeit in der Geschichte eher eine untergeordnete Rolle. Vielmehr ist es die tragische Tatsache, dass erst der Tod ihrer Mutter die bis zum Schluss namenlose Hauptfigur ins „Pink Hotel“ und somit unter anderem zu David führt und sie dazu bringt, ausgerechnet den roten Koffer mitgehen zu lassen. Die Zusammenhänge offenbart Stothard dem Leser jedoch erst zum Ende des Buches. Denn dort, wo der Roman beginnt, da endet er auch, im „Pink Hotel“.   Vanessa Ney

Anna Stothard: „Pink Hotel“, Diogenes Verlag, Zürich 2012, broschiert, 354 Seiten, 14,90 Euro


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