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20.10.12 / Nettozahler auf der Flucht / Immer mehr starke Regionen wollen nicht länger ihre Staaten finanzieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Nettozahler auf der Flucht
Immer mehr starke Regionen wollen nicht länger ihre Staaten finanzieren

Wenn Vertreter aus Brüssel am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis für die Europäische Union entgegennehmen, befindet sich Spanien möglicherweise kurz vor dem Auseinanderbrechen. Und nicht nur in Madrid fürchtet man den Zerfall des Staates.

Während Europas Regierungschefs und EU-Spitzenvertreter aus Brüssel stets die europäische Integration loben und die Zusammenarbeit intensivieren wollen, ja sogar von den Vereinigten Staaten von Europa schwärmen, befinden sich gleich mehrere EU-Mitgliedsstaaten in Auflösung. Vor allem Madrid kann gar nicht mehr erfassen, welche Krise akuter das Land gefährdet: Ist es die Euro-Krise oder die Drohungen des Baskenlandes und Kataloniens, sich von Spanien loszusagen? Fakt ist, dass jede der beiden Krisen die andere befeuert. Bereits am 21. Oktober, sprich an diesem Wochenende, wird im Baskenland gewählt. Die Regionalwahl wurde um sechs Monate vorgezogen, weil sich die dortige Regierung nicht von Madrid Kürzungen wegen der Euro-Krise vorschreiben lassen will. Und auch in Katalonien wurde vorzeitig zu den Wahlurnen gerufen. Am 25. November will der katalanische Regierungschef Artur Mas die Mehrheit der Stimmen erlangen und kurz darauf ein Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens durchführen. Mas weiß die Mehrheit der Katalanen hinter sich. Erst im September marschierten eine Million seiner Landsleute durch Barcelona und forderten die Unabhängigkeit von Madrid. Die Katalanen haben keine Lust mehr, Nettozahler in Spanien zu sein. Umso schmachvoller war für sie die drohende Zahlungsunfähigkeit, die es notwendig machte, als erste der 17 autonomen Regionen des Landes den von Madrid aufgelegten Rettungsfonds in Höhe von 18 Milliarden Euro anzuzapfen. Fünf Milliarden Euro braucht Katalonien insgesamt, doch das läge daran, dass man in den Jahren zuvor 20 Prozent des spanischen Staatshaushaltes habe finanzieren müssen, Geld für Investitionen vor Ort gefehlt habe und man nun in der Krise als erster die Folgen spüre, heißt es aus Barcelona. Da ist es den Katalanen egal, dass ihre Regierung auch so manche Fehler gemacht hat, in erster Linie sucht man die Schuldigen für die Krise in Madrid, das einem nicht erlaube, selbst über das eigene Budget zu schalten und zu walten.

Aber Spanien ist nicht das einzige Land der EU, in dem es Abspaltungsbewegungen gibt und vor allem die starken Regionen nicht mehr solidarisch mit den schwachen im Staat sein wollen. Anfang Oktober gingen Zehntausende in Venedig auf die Straße und forderten die Unabhängigkeit von Rom. Sie träumen von einer Republik Venedig, die mit Venedig, Teilen der Lombardei, Trentino und Friaul rund fünf Millionen Einwohner zählen würde. Auch im zur Republik Italien gehörenden Süd-Tirol werden die schon seit langem vorhandenen Rufe nach Selbstständigkeit mit dem Anwachsen der Euro-Krise und den daraus folgenden Spardiktaten und Steuererhöhungen aus den Hauptstädten Südeuropas immer lauter. Und auch in Belgien verstärkt die Euro-Krise die Unabhängigkeitsbestrebungen der Flamen und Wallonen. Selbst im Nicht-Euro-Land Großbritannien streben die Schotten eigene Wege getrennt von London an.

Umso irritierender muten die EU-Einheits-Parolen aus Brüssel und den meisten Hauptstädten der Mitgliedsstaaten an. Doch möglicherweise sieht man die Auflösungserscheinungen in manchen EU-Staaten in Brüssel gar nicht so ungern. Denn während starke Staaten auch alleine ihre Wege beschreiten können, ist eine Vielzahl von Kleinstaaten auf Brüssel angewiesen, um international wahrgenommen zu werden (siehe Seite 8). Rebecca Bellano


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