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20.10.12 / Der lange Marsch zur Größe / Deutschlands Historie ist eine Geschichte der Kleinstaaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Der lange Marsch zur Größe
Deutschlands Historie ist eine Geschichte der Kleinstaaten

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation des 17. Jahrhunderts war nur dem Namen nach ein Reich. Gewachsen aus der blutigen Geschichte des Mittelalters bestand es aus 300 einzelnen Staaten: Grafschaften, Fürstentümer, Fürstbistümer, Fürstprobsteien, Reichsabteien und Herzogtümer wurden von Herrschern regiert. Dazu kamen noch freie Reichsstädte. Der Kaiser hatte so gut wie nichts zu sagen.

Zollstationen an jeder Grenze machten das Reisen beschwerlich und teuer, sorgten aber für die Einnahmen der Des­poten. Allein 80 solcher Schlagbäume mussten bei einer Reise von Köln nach Königsberg passiert werden. Und wiederum 80 der Ministaaten umfassten ein Gebiet, das nicht einmal zwei Drittel des heutigen Berlin ausmachte.

Auch nach der Zerschlagung des Reiches durch den französischen Kaiser Napoleon (1769–1821) blieb diese Kleinstaaterei erhalten. Frühe Forderungen nach einem Nationalstaat analog dem Vorbild Frankreichs wurden von den sogenannten Operettenstaaten und Duodezfürsten mit Vehemenz bekämpft. Erst mit der Gründung des Norddeutschen Bundes durch Otto von Bismarck (1815–1898) wurde der Grundstein für einen Nationalstaat gelegt. 1834 folgte der preußisch geführte deutsche Zollverein, 1871 wurde das deutsche Kaiserreich gegründet, dem Österreich nicht mehr angehörte.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 wurden im Reich zuvor noch verbliebene kleine Flächenstaaten durch Zusammenschlüsse abgeschafft, ebenso geschah es nach dem Zweiten Weltkrieg, als beispielsweise Braunschweig, Schaumburg-Lippe und Oldenburg im Bundesland Niedersachsen aufgingen. In Süddeutschland verschmolzen Baden und Württemberg sowie Hohenzollern zum Südweststaat Baden- Württemberg.

Die Kleinstaaterei hatte allerdings nicht nur Nachteile. Lange war der norddeutsche Raum das Dorado des Bieres und die Herrscher in München importierten den Gerstensaft aus Einbeck. Der hohen Transitzölle leid, warben sie 1614 den Einbecker Braumeister Elias Pichel ab und gründeten selbst eine Sudstätte, die Geburtsstunde des Münchner Hofbräuhauses.

Auch sonst brachten die Jahrhunderte des Partikularismus einige Vorteile, etwa für die kulturelle Blüte und die Schaffung regionaler Strukturen. Den Naturwissenschaftler Gottfried Wilhelm Leibniz und den Dichter Gotthold Ephraim Lessing zog es in die Kleinstädte, Johann Wolfgang Goethe verteidigte als Staatsbeamter das Herrschaftsgebiet seines Gönners in Weimar. Und auch Friedrich Schiller setzte mehr auf die deutschen Charaktereigenschaften als auf einen Nationalstaat. Architekten und Musiker belebten die Szene, denn viele der Landesherren pflegten kulturelle Leidenschaften. Letztendlich profitierte auch die deutsche Küche von der Vielfalt. Und Heimatliebe geht schließlich auch durch den Magen. J.F.


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