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20.10.12 / Buchmesse am Scheideweg / Noch ist offen, ob Verlagsbranche Umbruch erfolgreich meistert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Buchmesse am Scheideweg
Noch ist offen, ob Verlagsbranche Umbruch erfolgreich meistert

Gut 300000 Besucher, 7000 Aussteller, 3000 Veranstaltungen. Sieht so eine „Krise“ aus? Offenbar ja und in Frankfurt war sogar gleich zweifach von Krise die Rede: Ökonomische Nöte sind nicht geringer geworden und sie sind nicht nur „Branchengejammer“, wie die „FAZ“ bemerkte. Außerdem ist da der technische „Umbruch“: Die „Gutenberg-Galaxy“ bröckelt, Printmedien sind auf dem Rückzug, die Zukunft gehört den „E-Books“ mit ihren völlig anderen Produktions- und Honorierungsbedingungen. Was wird aus dem Urheberrecht? Sind digitalisierte Kreationen so „haltbar“ wie klassische Bücher? Katja Böhne, Vize-Marketingchefin der Messe, hat gewisse Befürchtungen: „Die Archivierung ist tatsächlich ein noch ungelöstes Problem. Von dem sind wir alle betroffen und ich bin gespannt, wie das künftig gelöst werden soll.“

Aktuelle Sorgen haben die Messemacher vielfältig thematisiert. Ein „Cyber-Classroom“ lockte Kinder. Bezahlverlage warben um selbstfinanzierte Publikationen erfolgloser Schreiber. Ein Heer von Rechtehändlern und Agenten mühte sich um Verträge, erfolgs­trächtige Bereiche wie Kinderbücher oder Pornografie rückten, in einer Halle vereint, erneut ins Rampenlicht und die aus Leipzig übernommene Idee einer Antiquariatsmesse zog erneut viele Besucher an. Auch hat Frankfurt sein legendäres Händchen bei der Auswahl von Ehrengästen erneut bewiesen: 2012 war es Neuseeland, dessen bunte Literaturlandschaft, gerade im Klagenfurter Wieser Verlag von Thomas Kohlwein in einer Anthologie vorgestellt, eine „appetitanregende“ Bereicherung ist.

Krise kann kreativ machen, siehe Deutschland nach 1920. In der damaligen Inflation entstanden traumhafte Bücher, die in nummerierten Miniauflagen zu Maxipreisen erfolgreich „vermarktet“ wurden. Ähnlich waren in Frankfurt nun Dutzende Mini-Einmannverlage zugegen, die bibliophile Perlen anboten. Deren „Nestor“ ist seit Herbst 1990 Christian Ewald aus Berlin-Köpenick, dessen jährlich zwei „Katzengraben-Bücher“ (mit dem eingenähten Faden als Markenzeichen) als „schönstes deutsches Buch“ oder „eins der 20 schönsten Bücher der Welt“ prämiert wurden. Manche Kleinstverleger wie Reinhard Scheuble mit seiner „Quetsche“ bevorzugen den Begriff „Buchkunst“, und was sie mit Lettern, Papier und Einbänden anfangen, ist wahrhaft große und hochpreisige Kunst. Zwei Stände illustrieren deren Bandbreite. Da ist zum einen das Mainzer „Gutenberg-Museum“, das auf der Messe an alten Maschinen alte Texte à la Gutenberg druckt wie eine Seite aus dem Johannes-Evangelium mit dem berühmten Eingang: „In principio erat verbum“ (Am Anfang war das Wort). Der andere Pol ist das „Buchlabor“ von Studenten des „Instituts für Buchforschung“ der Fachhochschule Dortmund, die mit einem hundertteiligen Kriterienkatalog das Kulturphänomen „Buch“ restlos ergründen möchten.

Fremdwort scheint „Krise“ für Länder zu sein, die ökonomisch krisengeplagt sind: An den Ständen Griechenlands, Kroatiens, Serbiens oder Rumäniens wurde nie geklagt, nur debattiert, gelesen, geblättert, gelegentlich auch gefeiert – etwa am bunten Stand Armeniens: Die Hauptstadt Eriwan ist Unesco-Weltbuchhauptstadt 2012, Armenien präsentiert ein halbes Jahrtausend nationaler Buchkultur (seit 1512). Das ist schon ein paar armenische „Kognacs“ wert! Wolf Oschlies


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