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27.10.12 / Erdogan auf dünnem Eis / Ankara lässt die Muskeln spielen, hat aber gar keinen Grund dazu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Erdogan auf dünnem Eis
Ankara lässt die Muskeln spielen, hat aber gar keinen Grund dazu

Erst vier Jahre ist es her, dass der syrische Staatschef Baschar al-Assad mit seiner Frau auf Einladung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan mit ihm einen gemeinsamen Urlaub in Bodrum verbrachte. Aus den einstigen Duzfreunden sind inzwischen erbitterte Feinde geworden. Vorläufiger Tiefpunkt der Beziehung: Das türkische Parlament hat Erdogan die Erlaubnis für eine militärische Intervention in Syrien erteilt.

Was auf den ersten Blick wie eine machtvolle Drohgebärde aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als das weitgehende Scheitern der türkischen Außenpolitik. Innerhalb weniger Jahre hat die Türkei gleich mehrmals die Außenpolitik auf neue Ziele ausgerichtet und dabei jedes Mal Schiffbruch erlitten. Obwohl immer noch Verhandlungen laufen, hat die Türkei kaum noch ernsthafte Chancen, in absehbarer Zeit Mitglied der EU zu werden. Alternativ versucht die Türkei bereits seit einigen Jahren, sich eine Stellung als dominierende Regionalmacht zu sichern. Auch dieses Vorhaben ist gescheitert. Unter Ausschaltung des Westens wollte die Türkei unter den Völkern der Region eine Führungsrolle einnehmen und so quasi in der Tradition des ehemaligen Osmanischen Reichs wieder zur regional dominierenden Vormacht aufsteigen. Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieses Konzepts von Außenminister Ahmed Davutoghlu: Die Türkei legt ihre Konflikte mit den Nachbarländern bei. Tatsächlich ist das Land aber inzwischen mit wichtigen Nachbarn tief zerstritten. Der Wunsch, zur Regionalmacht zu werden, wird damit unrealistischer. Die Pläne der Türkei, sich als Drehscheibe des Energiehandels zu etablieren, sind bisher ebenfalls Wunschtraum geblieben.

Tatsächlich ist es die Türkei selbst, die in einer energiepolitischen Falle sitzt. Die Türkei ist extrem abhängig von Energie-Importen. Hauptlieferanten sind die beiden wichtigsten Verbündeten Syriens: Russland und der Iran. Sie liefern 70 Prozent der Öl- und Gasmengen, die von der Türkei eingeführt werden müssen. Überspannt Ankara in Bezug auf Syrien den Bogen, dann könnten bei einem russischen und iranischen Lieferstopp in der Türkei regelrecht die Lichter ausgehen. Wie prekär die Türkei von Energieeinfuhren abhängig ist, wird an einer Entwick-lung deutlich, die vor einigen Jahren noch als undenkbar gegolten hätte: Unabhängig von Bagdad liefert ausgerechnet der kurdische Nordirak inzwischen immer mehr Öl in die Türkei. Die steigenden Einnahmen der nordirakischen Kurden zusammen mit der Destabilisierung Syriens könnten eines Tages einen regelrechten Albtraum der türkischen Politik zur Realität werden lassen: Die schon jetzt autonome Region Kurdistan löst sich vollständig vom Irak und wird Keimzelle eines Kurdenstaates. Der könnte eines Tages auch die türkischen und syrischen Kurdengebiete umfassen. Schon jetzt haben sich Assads Truppen aus dem Norden Syriens zurückgezogen, um der kurdischen Guerilla-Organisation PKK das Feld zu überlassen. Nach dem Scheitern des Projekts „EU-Mitglied Türkei“ und dem Ausbleiben des Regionalmachtstatus im Erbe des Osmanischen Reiches wäre die Entstehung eines Kurdenstaates der größte Fehlschlag der türkischen Außenpolitik, der überhaupt denkbar ist. Die Grundlagen für eine solche Entwicklung hätte die türkische Politik allerdings selbst geschaffen – durch die gemeinsam mit den arabischen Golf-Staaten betriebenen Destabilisierung Syriens. N.H.


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