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03.11.12 / »Ich will Ostpreußen bewahren« / Der Sprecher der Landsmannschaft erklärt, wieso er für die Heimat seiner Eltern entflammte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

»Ich will Ostpreußen bewahren«
Der Sprecher der Landsmannschaft erklärt, wieso er für die Heimat seiner Eltern entflammte

Fast zwei Jahre ist Stephan Grigat nun Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen (LO). Im Gespräch mit Jan Heitmann schildert er, was er seitdem bewirkt hat und was er in Zukunft erreichen will.

PAZ: Vor knapp zwei Jahren wurden Sie zum Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen gewählt. Sie sind Jahrgang 1964 und gehören damit zur Bekenntnisgeneration. Was hat Sie zu Ihrem Engagement in der LO bewogen?

Stephan Grigat: Ganz am Anfang – 1987, das Jahr meiner ersten Reise nach Goldap – war ich auf der Suche nach eigenen ostpreußischen Wurzeln. Wenn Ostpreußen einen dann gefangen hat, lässt es einen nicht mehr los. Bei meinem ersten Besuch eines Deutschlandtreffens in Düsseldorf hat mich die Kreisgemeinschaft Goldap „eingefangen“. Der Rest ergab sich mehr oder minder von alleine. Substanziell gingen wir 1987 und 1988 noch von der damaligen Rechtslage, dem Fortbestand des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand von 1937, als Grundlage aller landsmannschaftlichen Betätigung aus. Nach den turbulenten Entwicklungen der Jahre 1989 bis 1990 blieb als Motivation, möglichst viel von Ostpreußen zu bewahren. Immerhin soll Grigat ein pruzzischer Name sein und man durchtrennt auch die Wurzeln eines Baumes nicht, denn sonst stirbt er. Bei den Menschen ist das komplizierter, doch am letzten Ende ist es ähnlich wie beim Baum.

PAZ: Mit Ihrer Wahl ist ein Generationswechsel an der Spitze erfolgt. Was hat sich seitdem verändert?

Grigat: Verändert habe ich Dinge, die man von außen auf den ersten Blick nicht sieht. Der Bundesvorstand und dem folgend die Bundesgeschäftsstelle haben ihre Arbeitsweise verändert. Der Bundesvorstand ist dadurch mehr zu einem Kollegialorgan geworden. Gleichzeitig haben wir auch den hauptamtlichen Apparat gestrafft. Inhaltlich hat sich die Arbeit des Gesamtverbandes mehr auf Ostpreußen verlagert, was man schon an der Eröffnung des Verbindungsbüros in Ostpreußen und den größeren Veranstaltungen in der grenzüberschreitenden Arbeit wie dem Deutsch-Russischen Forum, dem Kommunalpolitischen Kongress und dem Ostpreußischen Sommerfest ablesen kann.

PAZ: Im vergangenen Jahr hat die LO neue Ziele verabschiedet. Worum geht es darin im Kern, wo sind die Unterschiede im Vergleich zur früheren Zielsetzung?

Grigat: Die verabschiedeten Ziele sind im Kern nicht neu: das deutsche kulturelle Erbe Ostpreußen bewahren und Ostpreußen als Teil des historischen Deutschlands im Bewusstsein des Deutschen Volkes verankern. Gerechtigkeitslücken für die Angehörigen der Erlebnisgeneration schließen. Den Bestand der deutschen Volksgruppe in Ostpreußen sichern. Den Zusammenhalt der Ostpreußen stärken. Ostpreußen – auch für Deutsche eine lebenswerte Region Europas.

Neu ist eine gewisse Kodifikation dessen, was wir bewegen oder erreichen wollen. Die Ostpreußische Landesvertretung hat nach Vorbereitung und Vorberatung im Bundesvorstand die Enden zusammengebunden und ein Grundlagenpapier verabschiedet, das als Richtlinie für alle Gliederungen gilt.

PAZ: Welche Bedeutung hat Ostpreußen heute für Deutschland und Europa?

Grigat: Wenn Sie die Bedeutung Ostpreußens an der Wahrnehmung und an der Gewichtung in Politik und Gesellschaft festmachen – leider kaum noch eine. Allerdings gibt es eine Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Zum Einfluss der ostpreußischen Geistesgeschichte braucht man statt vieler nur auf Kant zu verweisen, der Einfluss in viele philosophische und politische Strömungen gefunden hat. Tagespolitisch kristallisieren sich in Ostpreußen alle Probleme der Schengen-Raum-Außengrenze. Bewegung ist bekanntlich in die Visafrage gekommen: Es gibt jetzt eine Regelung zum sogenannten kleinen Grenzverkehr, der vorher in der EU für Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Ansonsten findet Ostpreußen als solches kaum statt, sondern allenfalls als Nordpolen oder Oblast Kaliningrad. Westerwelle hat bekanntlich 2011 in Königsberg das umfassende deutsche Nicht-Interesse an Ostpreußen demonstriert.

PAZ: Der Bundestag hat Sie vor zwei Jahren in den Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gewählt. Welches sind Ihre Aufgaben?

Grigat: Der Stiftungsrat hat die Aufgabe, unter Einbeziehung des Wissenschaftlichen Beraterkreises die Konzeption für die Arbeit der Stiftung und die Leitlinien für die Dauerausstellung zu erarbeiten und für eine sachgerechte Darstellung in der Dauerausstellung zu sorgen. Ersteres ist vor den Sommerferien nach zwei Jahren harter Arbeit erreicht worden. Die Dauerausstellung soll 2015 oder 2016 fertig sein. Unser Augenmerk wird jetzt auf der Umsetzung von Konzeption und Leitlinien liegen.

PAZ: Wie beurteilen Sie die bisherige Tätigkeit der Stiftung und wie sind ihre Erwartungen?

Grigat: Die bisherige Arbeit der Stiftung war zäh und in den Ergebnissen nicht immer befriedigend. Allerdings muss man konzedieren, dass der gesetzliche Auftrag der Stiftung weit über das Thema der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches und aus den übrigen Siedlungsgebieten in Ost- und Mitteleuropa hinausgeht. Nach dem Verlauf der Dis-kussionen in den Gremien und in der Öffentlichkeit muss man es als Erfolg werten, dass die Vertreibung der Deutschen nach der Konzeption der Stiftungsarbeit den Schwerpunkt der Ausstellung bilden wird sowie dass die Vertreibung der Deutschen unabhängig von dem im deutschen Namen begangenen Unrecht ausdrücklich als Unrecht gewertet wird.

PAZ: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wird es die LO auch in 25 Jahren noch geben, wenn kein Angehöriger der Erlebnisgeneration mehr unter uns ist?

Grigat: Zunächst einmal greifen Sie zu kurz. In 25 Jahren schreiben wir das Jahr 2037. Da die Zahl der Hundertjährigen stetig steigt, werden auch 2037 – so Gott will – noch Angehörige der Erlebnisgeneration leben. Mein Vorgänger wird dann 97 sein. Trotzdem lautet die Antwort Ja. Die Landsmannschaft Ostpreußen ist ein zukunftszugewandter Verband, dessen Tätigkeitsschwerpunkt sich mehr und mehr in Richtung Bewahrung und vor allem Vermittlung von Kultur und Geschichte verlagern wird. Es gibt immer noch einen Salzburger Verein, obgleich die Vertreibung der Salzburger – nach Ostpreußen – 280 Jahre zurück liegt. Die LO hat mit ihrem Wissen, ihren Einrichtungen und ihrem Potenzial das Zeug dazu, ein dauerhafter Player im Spiel der politischen und gesellschaftlichen Kräfte zu sein und zu bleiben.


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