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03.11.12 / Unbequemer »Schandfleck« / Im Mai 2013 soll endlich der Prozess gegen fünf Guantánamo-Häftlinge beginnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Unbequemer »Schandfleck«
Im Mai 2013 soll endlich der Prozess gegen fünf Guantánamo-Häftlinge beginnen

Im Militär-Gerichtssaal des US-amerikanischen Marine-Stützpunkts Guantánamo auf Kuba hat eine Vorverhandlung für den für Mai geplanten Prozess gegen Khalid Shaikh Mohammed und vier weitere Gefangene stattgefunden. Die Fünf sind angeklagt, am Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 beteiligt gewesen zu sein. Mit Mohammed, kurz KSM genannt, dem selbsternannten Initiator des Anschlages, sitzen auf der Anklagebank Ramzi Binalshib, der angeblich die verantwortliche Terrorzelle von Hamburg aus führte, Walid bin Atash, mutmaßlicher Ausbilder einiger Attentäter in einem Al-Kaida-Trainings-Camp, sowie zwei Mit-Organisatoren des Attentats: Ali Abdul Aziz Ali und Mustafa Ahmed Hawsawi. Zur Diskussion standen in erster Linie die umstrittenen Fragen, ob der CIA-Agent, der die Folter von Mohammed (allein 187-mal Waterboarding) leitete, aussagen muss, obwohl dadurch möglicherweise Geheimaktionen der CIA enthüllt würden, und ob die unmenschliche Behandlung der Angeklagten und die langen zumeist in Einzelhaft verbrachten Jahre in Guantánamos Hochsicherheitstrakt „Camp V“ sie verhandlungsunfähig gemacht haben.

Die US-Regierung will unbedingt verhindern, dass streng geheimgehaltene Informationen beispielsweise über die „Secret Prisons“ der CIA an die Öffentlichkeit gelangen, während die Verteidigung dies als notwendig für die Jury ansieht, da das Leben ihrer Klienten auf dem Spiel steht.

„Mein Rat ist“, empfahl KSM nun dem Richter, Army-Oberst James L. Pohl, „dass Sie aufhören, Krokodilstränen über Opfer zu vergießen. Wir sind alle menschliche Wesen … Wenn Ihre Regierung die 3000 beklagt, die bei 9/11 ums Leben kamen, sollte sie vielleicht an die Tausende, ja Millionen denken, die Amerika selber auf dem Gewissen hat.“ Der hochintelligente, mehrsprachige pakistanische Ingenieur, verheirateter Vater mehrerer Kinder, hatte einst mit den Amerikanern gegen die Russen in Afghanistan gekämpft und sich verbittert mit Al Kaida verbündet, als die USA das Land später „im Stich ließen“.

Zehn Jahre besteht das Lager in Guantánamo nun schon. Von den einst 800 Gefangenen ist der größte Teil inzwischen entlassen oder verlegt worden. Jetzt sind es noch 167. Davon sind 86 zur Entlassung (ohne Anklage!) freigegeben. Einige von ihnen warten aber bereits seit drei Jahren auf ihre zugesagte Entlassung. Doch sie sitzen immer noch, weil die Angst, dass sie ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, ihre Entlassung verhindert. Zudem ist ungeklärt, welches Land sie aufnimmt. Einer von ihnen ist der junge Jemenit Adnan Latif. Dieser war laut eigener Aussage eine kostenlose Behandlung für eine Kopfverletzung suchend nach Afghanistan gereist und vor zehn Jahren als angeb-licher Taliban-Anhänger gefangen genommen und nach Guantánamo gebracht worden. Keiner wusste, was er überhaupt gemacht haben soll. Und trotzdem behielt man ihn in „Camp V“. Nach etlichen Selbstmordversuchen über die Jahre fand man ihn am 8. September tot in einer Einzelzelle, wo er wegen Aufsässigkeit hin verlegt worden war. Die Todesursache wurde noch nicht bekanntgegeben. Doch sein Anwalt Marc Falkoff meint, er hätte sich diesmal tatsächlich das Leben genommen. Denn die endlich angeordnete Freilassung war im Juni blockiert worden.

Und was macht Präsident Barack Obama? Wie bei seiner Wahl versprochen, hatte er am ersten Tag im Amt die Blockade von 120 Verfahren von Guantánamo-Häftlingen zwecks Überprüfung der Anklagen angeordnet. Einen Tag später befahl er mit einer „Executive Order“ die Schließung der Anlage innerhalb desselben Jahres. Doch dann tauchten Hindernisse auf. Über viele Häftlinge waren keine Unterlagen vorhanden. Dann bestimmte Obama drei Gefängnisanlagen in Kansas, Michigan und Illinois, die Gefangenen auf US-Boden zu übernehmen. Kansas und Michigan weigerten sich. Dann sperrte der Kongress jeglichen Mittel für eine Verlagerung der Gefangenen in US-Gefängnisse oder deren Überführung in ihre Heimatländer. Das verhinderte endgültig Obamas Bemühen, Militär-Tribunale durch Zivil-Prozesse zu ersetzen. Und so besteht der „Schandfleck“, wie der Präsident es selber nannte, immer noch. „Obama hatte recht, am zweiten Tag im Amt die Schließung anzuordnen“, sagt der Anwalt Falkoff. „Aber er hatte Unrecht, dem Druck von politischen Opportunisten im Kongress, die ihm einen Stein nach dem andern vor die Füße warfen, nachzugeben. Guantánamo muss weg. Es ist ungerecht und unamerikanisch Je länger es besteht, umso mehr werden dort sterben. Zu unser aller Schande.“ Liselotte Millauer


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