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03.11.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

der November ist da und löst einen – teilweise sehr vergoldeten – Oktober ab. Und mit ihm kommen die Gedenktage für die Toten, die in deutscher oder in fremder Erde liegen – irgendwo. Denn von manchen Vermissten wissen wir nicht, wann sie starben, ob und wo sie begraben liegen. Das lastet noch immer auf uns Älteren, die wir das Chaos von Krieg und Flucht überlebt haben, aber auch auf den Jüngeren, die den Spuren ihrer Vorfahren nachgehen wollen und keine Mühe scheuen, um diese zu finden. Wie Bernd Dauskardt aus Hollenstedt, der uns immer wieder mit neuen Entdeckungen überrascht. Denn einmal im Jahr zieht es ihn nach Ostpreußen, in das Land seiner Ahnen. So auch in diesem Sommer, und das sonderbare Erlebnis, das er an einem Augusttag zu verzeichnen hatte, bezeichnet er als „Wunder“. Deshalb betitelte er auch seinen für die Ostpreußische Familie geschriebenen Bericht mit der Zeile aus unserem Ostpreußenlied „Über weite Felder lichte Wunder gehen …“ Und das geschah also in Plaschken im Memelland.

Dort am nördlichen Ufer des Rußstromes hatten sich einige seiner Vorfahren, die aus der Niederung aus dem Raum Heinrichswalde/Neukirch stammten, etwa um das Jahr 1850 niedergelassen. Den ersten Hinweis hatte Bernd Dauskardt bereits in den 90er Jahren durch ein Grabkreuz erhalten, das er in Galsdon-Joneiten auf einem Hügelfriedhof am Strom fand. Es stand auf dem Grab seiner 1909 verstorbenen Urgroßmutter, das übrigens heute noch gepflegt wird. Kurz vor der Jahrhundertwende war Herrn Dauskardts Großvater aus dem Dorf Schauditten „ins Reich“ gegangen wie damals so viele Söhne aus kinderreichen ostpreußischen Familien. Den Enkel zog es immer wieder zu der Kirche seiner Ahnen in Plaschken, die dort getauft und konfirmiert wurden. Leider ist sie sehr verfallen, trotzdem hat Bernd Dauskardt schon fünfmal einen Gottesdienst abhalten lassen, so auch 1995 zur 300-jährigen Wiederkehr der Gründung des Kirchspiels Plaschken. Was er nun in diesem ent­deck­te, lassen wir ihn selber erzählen:

„Als ich gedankenverloren vor der Kirche stand, machte mich die letzte dort noch lebende Bewohnerin aus deutscher Zeit, Irmgard Gerullis, auf eine Steinspitze aufmerksam, die kaum sichtbar aus dem Erdreich ragte. Eine innere Stimme sagte mir: Nachgraben! Mein bewährter Fahrer Adolf Schulze holte sich eine Schaufel und fing an zu graben. Eine Inschrift kam zu Tage. Erst las ich „Daus“ und dann den vollen Namen „Dauskardt“. Ich hatte tatsächlich einen Grabstein meiner Ahnen gefunden, bisherige Recherchen haben das bestätigt.“ Die gut lesbare Inschrift besagt, dass hier Mikelis Dauskardt begraben wurde. Er verstarb bereits 1871 im Alter von 45 Jahren. Seine 1832 geborene Frau Anna Dauskardt überlebte ihn lange, sie verstarb 83-jährig im Ersten Weltkrieg. Die hier Begrabenen stammten aus Pillkarren, das damals zum Kirchspiel Plaschken gehörte und heute vom Erdboden verschwunden ist. Der Stein steht jetzt auf einem Sockel vor der Kirche. Dass er ihn nach den früheren Besuchen des ehemaligen Kirchhofs erst jetzt durch einen Zufall entdeckt hat, bezeichnet Bernd Dauskardt als ein Wunder.

Dieses Wort bereichert unsere Ostpreußische Familie doch ungemein. In vielfältigen Varianten und das seit langer Zeit, denn nicht umsonst wurde sie einmal von begeisterten Lesern als „einfach wundervoll“ bezeichnet – und so lautete dann auch der Titel unseres ersten, leider längst vergriffenen Familienbuches. Wunder gibt es eben immer wieder, wenn auch im Kleinformat, und das dürfte auch für Ingrid Theis aus Bad Wörishofen gelten und über das, was sie mir zu berichten wusste. Darüber war ich nun sehr „ver–wunder–t“, denn auf einer Karte grüßten mich zwei Königsberger Marjellchen, die im Café Schwermer saßen und wohl den berühmten Baumkuchen genossen. Was wie ein Gruß aus alter schöner Zeit erschien, hatte seine absolute Realität: Denn das Café Schwermer liegt nicht mehr am Königsberger Schlossteich, sondern in Bad Wörishofen, und die beiden Marjellens, die sich da trafen, stammen zwar aus Königsberg, hatten sich aber vorher nie gesehen. Ingrid Theis und Herta Manfraß haben sich erst durch unsere Ostpreußische Familie kennengelernt, nachdem ich die Wünsche von Frau Theis nach Informationen über den Königsberger Stadtteil Ponarth veröffentlicht hatte. Sie bedankte sich nun in einem Schreiben, in dem sie uns mitteilt, dass sie mehrere erfreuliche Reaktionen auf ihre Fragen zu verzeichnen hatte. Und eine hat dann sichtlich zu diesem Treffen im Café Schwermer geführt, bei dem ich gerne dabei gewesen wäre – schon allein des Baumkuchens wegen!

Vielleicht kann Herr Dieter Schittko aus Berlin auch auf ein kleines Wunder hoffen – ganz unrealistisch ist es nicht, wenn es auch auf den ersten Blick so erscheint. Seit Jahrzehnten geht ihm etwas nicht aus dem Kopf, und das hat ihn veranlasst, sich nun an unsere Ostpreußische Familie zu wenden. Als kleiner Berliner Junge, etwa drei Jahre alt, war Dieter mit seiner Mutter und einer Schwester nach Ostpreußen evakuiert worden, in ein in der Nähe von Gumbinnen gelegenes Dorf. Herr Schittko hat diese Zeit und die Familie, bei der sie unterkamen, nie vergessen und beschloss deshalb vor einigen Jahren, zusammen mit seiner Frau das Dorf aufzusuchen, dessen Namen er leider vergessen hat. „Ich dachte mir, mit dem Auto durch die Gegend zu fahren und das alte Dorf aufzusuchen, müsste doch ganz einfach sein – was natürlich, wie ich jetzt weiß, ein großer Denkfehler war“, schreibt Herr Schittko. Zuerst ließ es sich ja auch ganz gut an. Das Ehepaar kannte bereits den polnischen Teil Ostpreußens, war schon einige Male in Masuren gewesen, deshalb erschien Herr Schittko der Weg nicht schwierig. Sie fuhren mit ihrem kleinen Auto über die abenteuerliche Grenze ins Königsberger Gebiet. „Ich glaube, wir waren damals die einzigen Deutschen, die auf eigene Faust unterwegs waren, denn überall wurden wir von den Bustouristen bestaunt. Alle Menschen, denen wir begegneten, waren freundlich und hilfsbereit. In Cranz hatten wir in einem Hotel Quartier bezogen und unternahmen von hier aus Touren, die nach Gumbinnen führten, dem eigentlichen Hauptgrund unserer Reise.“ Aber die Schwierigkeiten begannen schon in Gumbinnen, wo sie kein Esslokal finden konnten. Auf einer Brücke versorgten sie dann nette Menschen mit Salat und Schaschlik. Die Suche nach dem Dorf wurde ein zielloses Herumirren, denn Herr Schittko kannte ja nicht den Namen des Dorfes, das – wenn es überhaupt noch existierte – nun einen russischen Namen trug. Und die Erinnerungen eines damals Dreijährigen bilden auch nicht gerade eine gute Basis für die Suche in einem verfremdeten Land. Jedenfalls: Das Ehepaar Schittko kam ohne brauchbare Ergebnisse zurück bis auf die Erkenntnis, die es gewonnen hatte, dass nur ehemalige Bewohner des gesuchten Dorfes etwas aussagen könnten, wenn er seine wenigen Erinnerungen präzisiert. Und das geschieht wie folgt:

„Meine Vorstellung, woraus ich meine Erinnerungen nehme, ist folgende: Meine zwölf Jahre ältere Schwester, die leider verstorben ist, absolvierte in Berlin eine Lehre und wollte uns besuchen. Der Sohn Erwin der Familie Heigel, bei der wir wohnten, wurde beauftragt, mit einem Pferdewagen meine Schwester vom Bahnhof abzuholen. Nach einigen Stunden kam er jedoch zurück und sagte, dass meine Schwester nicht im Zug gewesen wäre. Einige Zeit später kam sie dann doch mit abgebrochenen Absätzen bei uns an und berichtete, dass der Milchwagen sie mitgenommen habe. Daraus schloss ich immer, dass das Dorf, in dem wir Quartier bekommen hatten, sich nicht allzu weit von Gumbinnen befinden müsste. Die Bauernfamilie hieß Heigel, und Herr Heigel soll Bürgermeister des Ortes gewesen sein. Neben dem Sohn Erwin gab es noch zwei Töchter, die ältere hieß Betty, die jüngere Christel.“ Na ja, das ist dann doch schon was, und darauf setze ich auch meine Hoffnungen. Wo gab es in der Nähe von Gumbinnen ein Dorf, das während der Kriegszeit einen Bürgermeister hatte, der Heigel hieß? Wer kannte die übrigen Mitglieder dieser Bauernfamilie? „Leider glaube ich nicht daran, dass sich jemand nach so langer Zeit noch an uns erinnern kann“, resigniert Herr Schittko. Und tröstet sich selber: „Aber ich habe endlich den Versuch unternommen, vielleicht etwas aus dieser Zeit zu erfahren.“ Hoffen wir, dass er nicht umsonst war. (Dieter Schittko, Hubertusstraße 47B in 13589 Berlin, Telefon 030/3751050, Fax 030/3754488.)

Unser hausgemachtes Königsberger Brückenrätsel hat weitere lösungswillige Leser gefunden. Wohlgemerkt: Es ging nicht um das berühmte Brückenrätsel des großen Mathematikers Euler – der mit dieser „Königsberger Aufgabe“ den Grundstein für die Topologie legte –, sondern um die Frage unseres Lesers Manfred Kremp, welche Königsberger Pregelbrücke wohl auf dem Bild abgebildet war, das über dem Schreibtisch seines Großvaters hing. Wir hatten diese Aufnahme aus dem Büro des Lederkaufmanns Albert Kremp in Folge 37 veröffentlicht, zugleich aber auf die Schwierigkeit einer Lösung hingewiesen, die durch die schwache Wiedergabe des Bildes gegeben war. „Die Grüne Brücke ist es unser Meinung nach nicht“, hatte Manfred Kremp geschrieben, und der gleichen Meinung war nicht nur ich, sondern auch mancher Leser. Schließlich war die Schmiedebrücke favorisiert worden. Aber jetzt behauptet unser Leser Peter Perrey, dass es sich auf keinen Fall um diese handeln könnte, da sie keinen Mittelpfeiler hatte, und dass es doch die Grüne Brücke sein müsste. Und er begründet das so: „Das Bild im Büro Kremp zeigt eine Brücke mit Mittelpfeilern. Von den drei in Frage kommenden Brücken scheiden Köttelbrücke und Holzbrücke aus, es bleibt nur die zur Kaiserzeit eröffnete neue Grüne Brücke. Und in der Tat: Das helle Gebäude rechts der Brücke kann unter der Lupe als Börse identifiziert werden. Man sieht nämlich deutlich den niedrigen Börsentrakt mit den kleinen Ecktürmchen und den beiden großen Türen in den Rundbögen. Rechts den zweistöckigen Hauptteil mit den podestartigen Ecken.“ Herr Perrey weist noch auf weitere Merkmale hin, die seine Theorie untermauern. Rätselhaft sind seiner Meinung nach die beiden in den Himmel ragenden Striche über der Brücke, die Herrn Kremp wie auch mich irritiert hatten. Herr Perrey meint, dass sie eher Masten als Kränen gleichen – falls es sich nicht um „Strempel“ handelt, die aus dem Zittergras auf dem Schreibtisch ragen. Es könnte sich auch um eine Reflexion handeln, wenn das Bild verglast war. Seines Erachtens passt auch die kaufmännische Tätigkeit des Abgebildeten zu dem Bild mit der Börse. „Ich weiß von einem verstorbenen Großonkel, dem Königsberger Prokuristen Paul Laue, dass die Königsberger Börse auch eine Produktenbörse war. Es wäre also nicht abwegig davon auszugehen, dass dort neben Getreide auch Leder gehandelt wurde.“ Also, das ist doch eine schon fast akribische Beweisaufnahme, die Herr Perrey uns übermittelt hat, und es könnte durchaus möglich sein, dass unser Königsberger Brückenrätsel damit gelöst ist. Auch Herr Kremp wird überrascht sein, vor allem über die Mühe, die sich einige unserer Leser mit der Lösung seiner kleinen Anfrage gemacht haben. Herrn Perrey gilt heute unser besonderer Dank.

Eure Ruth Geede


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