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03.11.12 / Noch einmal: »Generation Flucht« / Nachgedanken zu der Ausstellung von Eberhard Wever

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Noch einmal: »Generation Flucht«
Nachgedanken zu der Ausstellung von Eberhard Wever

Sie erregt Aufmerksamkeit, die Foto-Dokumentation „Generation Flucht“ in der Nürnberger Akademie am Gewerbemuseumsplatz, die gestaltet wurde von Verena Berg und für die die junge Hamburger Fotografin mit dem Förderpreis des diesjährigen Lagois-Fotowettbewerbs ausgezeichnet wurde. Wir haben ausführlich schon im Vorfeld auf diese außergewöhnliche Aktion hingewiesen, da unsere Leserinnen und Leser als befragte und porträtierte Zeitzeugen zu der Aufarbeitung dieses Themas beitragen sollten und dies auch taten. Einer von ihnen, der in Bartenstein geborene Eberhard Wever aus Hamburg, hat es sich nicht nehmen lassen, zu der Eröffnung der Ausstellung nach Nürnberg zu fahren, um durch seine Anwesenheit zu bekunden, wie hoch er diese aus eigener Initiative heraus gestaltete Dokumentation der engagierten Fotografin einschätzte. Darüber war es ihm wichtig, diesen „Appell an das Nicht-Vergessen“ zu unterstützen. „Wenn jemand, gerade aus der jungen Generation, sich dieses lange Jahrzehnte hindurch verschütteten Themas annimmt, verdient dieser Mensch höchste Zustimmung, Ermutigung, Bewunderung“, erklärte Herr Wever die Entscheidung für seine Teilnahme an der Veranstaltung. Die Eindrücke, die er vor allem im Gespräch mit Verena Berg gewann, wie auch seine Nachgedanken hat er für uns aufgezeichnet.

Herr Wever kannte die Fotografin bereits von ihrem ersten Besuch Mitte Juni bei ihm und seiner Frau in Hamburg. „Frau Berg hat mich fotografiert und interviewt über meine Fluchterlebnisse, von denen ich frei weg in ihr auf den Tisch gestelltes Mikrofon erzählt habe. Ein lockerer, freundschaftlicher Besuch. Auf der Veranstaltung war ich der einzige Anwesende der Interviewten gewesen. Das ist natürlich der stabilen Gesundheit eines nahezu 80-Jährigen geschuldet!“ Herr Wever vertrat somit aus freien Stücken unsere Ostpreußische Familie und vor allem die aus unserem Kreis kommenden Interviewten, die leider nicht kommen konnten, so gerne sie auch dabei gewesen wären. Das hohe Alter der meisten Teilnehmer an dieser Aktion verlangt eben doch seinen Tribut. So bin ich Herrn Wever sehr dankbar, dass er sozusagen unsere Ostpreußische Familie vertrat und durch seine Anwesenheit die Wichtigkeit seiner Zeitzeugenaussage belegen konnte. Deshalb wurde sein Eintreffen von den Veranstaltern mit Spannung erwartet, denn Frau Berg hatte den Gast aus Hamburg bereits angekündigt. „Da kommt einer aus Ostpreußen!“, hieß es erwartungsvoll. Einer, der als elfjähriger Junge aus seiner Heimatstadt fliehen musste und nun im reifen Alter diese schicksalsschweren Stunden seiner Kindheit großflächig dokumentiert sah.

Verena Berg führte den Gast aus Hamburg nach der Eröffnung – von der die PAZ in Folge 42 ausführlich berichtigt hat – persönlich durch die Ausstellung, die acht große, gleichförmig gerahmte Porträts zeigt. Rechts daneben ist ein „Fotomotiv“ zugeordnet, der schöpferischen, einfühlsamen Idee der Künstlerin entsprungen. Und ebenfalls eingerahmt die Texte der von den Interviewten selber gesprochenen Fluchtgeschichten, alle auf das gleiche Format gebracht. Dem Porträt von Eberhard Wever hat die Fotografin ein Fluchtmotiv zugeordnet, mit dem sich der gebürtige Bartensteiner identifizieren kann: Es zeigt einen Güterwaggon für Viehtransporte, brillant dunkel fotografiert, mit den von hinten durchleuchteten Luftritzen für das Vieh – als Inbegriff der von ihm geschilderten 72-stündigen Winterfahrt von Bartenstein nach Königsberg, ohne jede Nahrung, eingepfercht, eng zusammengedrängt, in Todesangst vor russischen Tieffliegerangriffen auf diese schwarze Zugschlange mit Flüchtlingen. Leider konnte die Gestalterin die von ihr aufgenommenen Tondokumente, in denen die Abgebildeten ihre Texte selber sprechen, nicht installieren, denn eine Wand-Anheftung mit Nägeln und Schrauben war in dem Ausstellungsraum in Nürnberg nicht gestattet. Da die Dokumentation aber nach Nürnberg, wo sie noch bis zum 11. November zu sehen ist, an anderen Orten gezeigt werden soll, wird sie vielleicht dann den Dreiklang finden, wie Verena Berg ihn konzipiert hat: Sehen – Lesen – Hören! Wir werden mit der Fotografin in Verbindung bleiben, denn es haben sich bereits weitere Leser gemeldet, die ihre Fluchterlebnisse dokumentiert wissen wollen. Wir wollen uns aber noch bei Herrn Eberhard Wever herzlich für seine Teilnahme an der Eröffnungsfeier bedanken, da er unsere „Ostpreußische Familie“ mit repräsentiert hat, und auch für seinen Bericht, den wir leider nicht in voller Länge bringen konnten. R.G.


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