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03.11.12 / Im Land der Geysire / Finanzkrise und Vulkanausbrüche, die den Flugverkehr stören, waren gestern. Heute erstrahlt Island im Glanz modernen Lebens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Im Land der Geysire
Finanzkrise und Vulkanausbrüche, die den Flugverkehr stören, waren gestern. Heute erstrahlt Island im Glanz modernen Lebens

Eine dünn besiedelte Einöde mit nur einer nennenswerten Stadt, umgeben von Vulkanen, Geysiren und Islandponys? Schroffes Klima, das mit langen Wintern und kurzen Sommern nicht zum Urlauben einlädt? Ein zurückgezogenes Volk, das nur vom Fischfang lebt? Diese und andere Klischees wie außergewöhnliche Speisen mit Schafshoden oder -köpfen beschreiben Island, wie man es sich vorstellt. Was bietet Island aber wirklich?

Ein besonders warmes Klima herrscht nicht auf der Insel, die von den Bewohnern Ísland (übersetzt: „Eisland“) genannt wird. Trotzdem ist der Unterschied zu Deutschland weniger gravierend, als man es sich vorstellt. Die Temperaturen sind zur warmen Jahreszeit meist nur wenige Grade niedriger, der Sonnenschein wird aber häufig von einem Wind begleitet, der dem Wetter die Schwüle des Sommers nimmt. Im Winter wird es früher dunkel, und der Schneefall ist stärker als in Deutschland. Die Wärme des Golfstroms verhindert jedoch eiszeitliche Verhältnisse, die man vor Augen hat.

Auf Island gibt es sehr viele naturbelassene Gebiete, was unvermeidlich ist bei einer Einwohnerdichte von 3,1 Einwohnern pro Quadratkilometer. Obwohl sich die 320000 Einwohner auf einer Fläche von etwa einem Drittel Deutschlands verteilen, herrscht deshalb noch keine düstere Atmosphäre. Die Besiedlungsorte befinden sich nämlich in einem Land­strich an der Westküste. Besonders in der Nähe der Hauptstadt Reykjavík sammeln sich einige größere Orte, die mit der Hauptstadt eine Metropolregion bilden. Mit etwa 200000 Einwohnern leben hier zwei Drittel der isländischen Bevölkerung. Da es verhältnismäßig wenige Isländer gibt und die Besiedlung erst 874 durch Norweger und später durch Wikinger erfolgte, kreuzen sich sehr viele der weit gefächerten Stammbäume.

Dieser Umstand führt dazu, dass sich viele Isländer untereinander kennen, auch wenn sie auf der Insel weit auseinander leben. Somit fehlt den Isländern weitgehend die Anonymität, die in dichtbevölkerten Ländern auftritt und häufig beklagt wird. Es ist dort nicht alles eine Frage des Sozialprestiges; das Bedürfnis, sich einen Namen zu machen sowie das ego­istische Bestreben, aus der Masse hervorzustechen, sind nicht annähernd so verbreitet wie hier.

Das führt zu einem starken Zusammengehörigkeits- und Nati­onalgefühl. „Wir streiten uns oft in der Politik, aber wenn etwas Ernstes wie die Finanzkrise über uns kommt, halten wir immer gut zusammen“, sagt Ómar Gardarsson, Leiter der Inselzeitung „Eyafréttir“ von den Westmännerinseln. In punkto Gastfreundschaft und authentischer Höflichkeit sind Isländer jedenfalls unschlagbar. Diese Offenheit gegenüber Gästen verhindert, dass man sich durch die isolierte Insellage vom Rest der Welt abschottet.

Die isländischen Sitten sind weder ungewöhnlich noch weltfremd. Zwar stimmt es, dass notgedrungen viel Fisch verspeist wird. Es gibt jedoch in jedem Supermarkt Produkte, wie man sie überall kaufen kann. Feste wie der nationale Sjómannadagur (Seemannstag) am ersten Sonntag des Juni werden ähnlich feuchtfröhlich gefeiert wie bei uns der Vatertag. Und das Thorrablót ist der einzige Tag, an dem traditionell in ganz Island die „Thorramatur“ genannten kulinarischen Spezialitäten wie Svid (halber Schafskopf), Seehundflossen, Haifisch oder andere Le­ckerbissen aus dem Meer oder vom Land als festliche Mahlzeit zubereitet werden.

Das Leben findet in erster Linie an der Westküste Islands statt. Unweit Reykjavík gibt es auch die weltberühmte Blaue Lagune, die mit 5000 Quadratmeter Oberfläche größte ausgebaute heiße Quelle Islands. Das Wasser hat eine bläuliche Färbung durch sehr viele natürliche Mineralien, Algen und Kieselsäure, die zur Linderung von Hautreizungen und -krankheiten beitragen. Es herrschen angenehm warme Badewannentemperaturen um 40 Grad und ein hoher Salzgehalt. Am Wasserboden befindet sich eine dicke Schicht Kieselerde, die zur geothermalen Hautpflege geeignet ist und einfach vom Boden abgetragen und auf der Haut verteilt werden kann. Die Blaue Lagune oder auf Isländisch „bláa lóniò“ liegt mitten in einer moosbewachsenen Felsenlandschaft, die bis zum Horizont hin reicht, was das Wellness-Gefühl perfektioniert.

Die Mitte des Landes ist naturbedingt weitgehend unbewohnt. Trotzdem gibt es in diesen weiten Landschaftszügen sehenswerte Attraktionen. Über eine Hauptstraße gelangt man zu Naturspektakeln wie umwerfend hohen Wasserfällen, Gletschern oder weiten Wiesenlandschaften umrahmt von Gebirgszügen. Vereinzelt gibt es auch Bauernhöfe und Pferde- oder Schafsfarmen in kleinen Gemeinschaften. Die meisten Touristenattraktionen liegen jedoch im Westen des Landes. So auch der „Gullni hringurinn“ („der goldene Ring“), eine beliebte Reiseroute. An der befinden sich unter anderem der Wasserfall Gullfoss, der Nationalpark Thingvellir und das Haukadalur, ein Tal aus einer Vulkanlandschaft mit vielen im Minutentakt ausbrechenden Geysire.

In Thingvellir traf sich zum ersten Mal im Jahr 930 die gesetzgebende Versammlung Islands, was den Ort zum kulturell bedeutendsten auf Island macht. Diese Versammlung zog 1881 als Parlament in das Althingishús in Reykjavík, wo sie bis heute tagt. Das Althing ist somit das älteste bestehende Parlament der Welt.

Auch die Hallgrímskirkja ist ein kulturell wertvolles Bauwerk in Reykjavík, weil sie nach einem Büroturm das zweithöchste Gebäude und die größte Kirche des Landes ist. Bemerkenswert sind ihre Architektur und Lage, die zur Prägung des Stadtbildes beitragen: Durch die Platzierung auf einer Anhöhe ist sie von vielen Stellen Reykjavíks aus gut zu sehen und auffällig durch die Betonpfeiler, die sich seitlich an den Kirchturm reihen und von Pfeiler zu Pfeiler kürzer werden. Die Hallgrímskirkja besteht aus einer Mischung expressionistischem Äußeren und gotischem Inneren.

Entgegen vielen Erwartungen gibt es auf dem Land beinahe überall Telefonanschlüsse, Mobiltelefonnetz und Internetanschlüsse. Supermärkte und Tankstellen findet man in den meisten Dörfern, speziellere Läden wie Textilgeschäfte oder Friseurstudios aber nur in größeren Orten.

Was auf Großstädter wie Einsamkeit wirken mag, ist für die Isländer ein normales, naturnahes Leben. Ereignisse wie kleinere Vulkanausbrüche sind zwar nicht an der Tagesordnung, werden aber in gewissen Abständen nach Prognosen der Vulkanforscher erwartet. Auch die meilenweiten naturbelassenen Flächen sind ein Teil des Landes und nicht wegzudenken.

Der Reichtum an Natur ist es auch, der den Isländern die Depression durch den Bankenzusammenbruch zu überwinden hilft. „Die internationale Finanzkrise hat uns zwar finanziell ausgeblutet, aber dafür sind wir reich an Fischen, Wasserenergie, reiner Luft und wunderschöner Natur. Hier auf Island haben wir es trotz allem gut!“, beteuert Gardarsson.

Reist man nach Island, kann einem die isländische Sprache zu einer Hürde werden. Sie gilt aus deutscher Sicht als sehr fremd und schwer, sowohl in der Aussprache mit gänzlich anderen Lauten und Betonungen als auch im Schriftlichen mit teils eigenen Buchstaben und einer ungewöhnlichen Grammatik. Die Isländer sprechen aber fast alle sehr gut Englisch durch gute Schulbildung und fehlende isländische Synchronisation von Filmen.

Ein Besuch auf Island lohnt sich in kultureller Hinsicht, als Wellness-Reise oder wenn man dem Stadtleben entfliehen will und eine Weile fernab in der Natur verbringen möchte. Und dabei wird man immer freundlich empfangen. Sindri Grétarsson


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