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10.11.12 / Umstrittener Pakt / NRW-Schulministerin setzt für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts auf traditionelle Muslime

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Umstrittener Pakt
NRW-Schulministerin setzt für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts auf traditionelle Muslime

Wieso darf die türkische Religionsbehörde über die Ditib jetzt deutsche Lehrpläne mitgestalten? Dies ist nur eine der vielen Fragen, die sich nicht nur liberale Moslems in Nordrhein-Westfalen stellen.

„Die ich rief, die Geister, Werd’ ich nun nicht los.“ Vieles spricht dafür, dass sich die nordrheinwestfälische Ministerin für Schule und Weiterbildung, Sylvia Löhrmann, in naher Zukunft dieser Worte Goethes erinnern wird. Derzeit antwortet sie auf Kritik an dem von ihr mit geschaffenen Beirat für den islamischen Religionsunterricht, dass dieser seine Rolle eben noch finden müsse. Interessanterweise sollen es laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) genau jene sein, die über Jahre für die Einführung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen (NRW) gekämpft haben, die nun mit Enttäuschung auf das bisherige Ergebnis blicken.

Zu Schuljahrsbeginn startete in dem von Rot-Grün regierten Bundesland mit Zustimmung der oppositionellen CDU an 33 Schulen der bekenntnisorientierte muslimische Religionsunterricht. Weitere Schulen sollen Folgen, so dass alle geschätzten 320000 muslimischen Schüler in dem Bundesland in naher Zukunft ihr Recht auf islamischen Religionsunterricht einfordern können.

Das Ganze war nur möglich, indem das Land als Herr über die Schulen und ihre Lehrpläne sich künstlich einen Ansprechpartner für islamische Religion schuf. Da es bei den Moslems nicht wie für den evangelischen und katholischen Religionsunterricht eine Kirche im Hintergrund gibt, die bei der Lehrplangestaltung mitredet, wurde ein Beirat gebildet, der anstelle der Kirchen mit dem Schulministerium über Lehrpläne, Lehrmittel und Lehrkräfte bestimmt. In diesem Beitrat sitzen neben vier vom Ministerium ernannten Experten für die Bereiche islamische Theologie und Religionsdidaktik vier Vertreter des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM), in dem aber höchsten 15 Prozent der deutschen Muslime organisiert sind. Und genau diese vier Herren von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib), dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wittern nun offenbar Morgenluft.

Da die rot-grüne Landesregierung den islamischen Religionsunterricht schnell einführen wollte, um Vorreiter der anderen Bundesländer zu sein und wohl auch um bei den muslimischen Wählern zu punkten, fehlen Lehrpläne und Lehrer. Erst zum Wintersemester startete das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der Universität Münster die Lehrerausbildung. Zwar gab es ein Vorgängerinstitut, aber das bildete nur 20 Studenten pro Jahr aus, jetzt sind es 80, die meisten der 418 Bewerber scheiterten am Numerus clausus für das zweite Hauptfach (Mathematik oder Deutsch). Die geringe Studentenzahl wird mit Bedauern vom Land zur Kenntnis genommen, denn in den nächsten Jahren werden 800 Lehrer für das neue Fach landesweit benötigt. Da die Münsteraner Studenten erst nach drei Jahren Studium frühestens ihren Fuß in eine Schule setzen werden, einige sollen auch den Beruf des Imam ergreifen, fehlt Ministerin Löhrmann schlicht das Personal, um ihr gemachtes Angebot landesweit umzusetzen. Immerhin kann sie auf die rund 40 Lehrkräfte zurückgreifen, die in den letzten Jahren das seit 1999 laufende Projekt eines sachlich gehaltenen Fachs Islamkunde an einigen Schulen begleitet haben. Beim bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht wird aus der Perspektive des Glaubens gelehrt. Die bisherigen Islamkunde-Lehrer wurden in einem Kompaktseminar an einem Wochenende auf die Änderung vorbereitet. Allerdings müssen sie auch in einem mündlichen Bewerbungsgespräch mit dem Beirat ihre persönliche Eignung und Glaubensfestigkeit bezeugen. Und genau diese Bewerbungsgespräche sorgen bei vielen erfahrenen Islamkunde-Lehrern für Unmut.

Im Gespräch werden die zumeist dem liberalen Lager unter den Muslimen zugehörigen Lehrkräfte befragt, wie sie ihren Glauben leben, wie oft sie beten und warum sie nicht Mitglied in einem der vier im KMR zusammengeschlossenen konservativ-traditionellen Vereine sind. Lamya Kaddor, die seit Jahren Islamkunde unterrichtet und bereits drei anerkannte Lehrbücher geschrieben hat, sieht ihrem Gespräch mit dem Beirat in den nächsten Tagen mit einem mulmigen Gefühl entgegen. Gegenüber der PAZ bestätigte die 34-jährige Tochter syrischer Einwanderer, was die „FAZ“ in ihrem Artikel „Allah oder der Beirat“ geschrieben hat. So sehen die Islamkunde-Lehrer laut der Tageszeitung nicht ein, Mitglied im von „Milli Görüs dominierten Islamrat“ oder im „von der Türkei aus gesteuerten“ Verband Ditib zu werden. Und Kaddors Positionen in Sachen Kopftuch und Gleichberechtigung von Mann und Frau sind den KMR-Vertretern verdächtig. Der Vorsitzende des Islamrates, Ali Kizilkaya, soll das Tragen von Kopftüchern 2006 als „religiöses Gebot“ bezeichnet haben. Für Kizilkaya ist ein Studium zudem nicht Voraussetzung für die Lehrtätigkeit, viel wichtiger sei das Engagement für die Gemeinde, ein stimmiger Lebenswandelt und der richtige Glaube – und sagt damit nicht nur den liberalen Islamkundelehrern den Kampf an, sondern auch dem Leiter des ZIT. Mouhanad Khorchide, Nachfolger des 2010 auch wegen Protestes des KMR bezüglich seines „falschen Glaubens“ aus seinem Amt entlassenen Muhammad Sven Kalisch, interpretiert den Koran aus Sicht von Männern wie Kizilkaya viel zu liberal. Khorchide betont immer wieder, wie wichtig Humanität sei und, vieles, was im Koran stehe, aus den historischen Begleitum-ständen erwachsen sei, die allerdings heute nicht mehr herrschten. Dass eines Tages ZIT-Absolventen als Imame in einer KMR-Moschee tätig sein werden, ist daher ähnlich wahrscheinlich, wie dass Sylvia Löhrmann an ihrem Beirat nur helle Freude haben wird. R. Bellano


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