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10.11.12 / Aufblähung statt Straffung / Stoiber sollte EU-Bürokratie abbauen, stattdessen will er mehr EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Aufblähung statt Straffung
Stoiber sollte EU-Bürokratie abbauen, stattdessen will er mehr EU

Ausgerechnet mit einer neuen Behörde will Edmund Stoiber (CSU), der EU-Chefberater für Bürokratieabbau, dem Wuchern der Brüsseler Bürokratie zu Leibe rücken. Das mögliche Resultat der Forderung: künftig ein hauptamtlicher EU-Beauftragter zur Vermeidung überflüssiger Gesetze anstatt des bisher in der Angelegenheit ehrenamtlich tätigen Stoiber. Zusätzlich will der ehemalige bayerische Ministerpräsident für die EU gleich noch einen Europäischen Normenkontrollrat installiert wissen. Der soll prüfen, ob neue Rechtsvorschriften tatsächlich gebraucht werden und welche Folgen sie haben. Mit Sicherheit würde die Umsetzung der Vorschläge erst einmal eine neue Brüsseler Behörde aus der Taufe heben – ob diese allerdings sonderlich erfolgreich wäre, ist fraglich. Bereits jetzt ist die EU-Kommission nämlich verpflichtet, ihre Gesetzesvorschläge zu begründen. Bisher scheint ihr das jeweilige Finden einer Begründung nicht sonderlich schwer zu fallen. Der bürokratische Apparat der EU ist inzwischen auf 45000 Beamte angewachsen, die mit rund 100000 Seiten an Gesetzen und Richtlinien das Alltagsleben in allen 27 EU-Staaten durchregulieren wollen: vom Energieverbrauch von Kaffeemaschinen bis hin zum Schuhwerk von Friseuren.

Welche Ausmaße mittlerweile die Brüsseler Regelungswut angenommen hat, wird an einem Entwurf zu einer neuen Richtlinie für das europäische Friseurhandwerk deutlich, aus dem die britische „Daily Mail“ unlängst zitiert hat. Im Entwurf reihen sich Trivialitäten aneinander, die für jeden Friseur eigentlich selbstverständlich sein sollten: die Vorgabe, sich mehrmals täglich die Hände zu Waschen, und die Pflicht zu festem Schuhwerk. Wie eine Realsatire nimmt sich die angedachte Verpflichtung aus, dass die Friseure Gespräche mit den Kunden führen sollen, um deren „Wohlbefinden“ zu fördern. Weniger grotesk, dafür aber im Einzelfall durchaus ruinös, sind dagegen genaue Vorgaben, wie viele Haarschnitte die Friseure pro Tag überhaupt leisten dürfen.

Dass es in Brüssel inzwischen als selbstverständlich gilt, derartiges per Verordnung regeln zu wollen, hat mit dem Aufbau der EU zu tun. Die 27 hochbezahlten EU-Kommissare entwickeln einen wahren Aktionismus, um in ihrem Ressort immer neue Aufgaben und damit Machtzuwachs vorweisen zu können. Zusätzlich dient das Erfinden neuer Aufgaben als Rechtfertigung zum Unterhalt des riesigen Beamtenheeres. Ein nicht unwichtiger Nebeneffekt aus der Sicht der EU-Kommission: Wird in einem der Mitgliedstaaten ein Verstoß gegen eine der zahllosen Richtlinien entdeckt – was fast immer möglich ist –, dann hat Brüssel ein universell einsetzbares Druckmittel in der Hand. Mit der Androhung von Vertragsverletzungsverfahren in der Hinterhand verhandelt die EU-Kommission gegenüber dem jeweiligen Mitgliedsstaat bei jedweder Forderung dann aus einer Position der Stärke.

Fraglich ist ohnehin, ob mit Stoiber der Richtige für die Aufgabe der Entbürokratisierung ausgewählt wurde: Noch im vergangenen Jahr war er es, der dem CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit dessen Forderung nach Rückverlagerung von Kompetenzen von Brüssel an die Mitgliedstaaten in den Rücken fiel. Was Stoiber stattdessen forderte, war eher eine Steilvorlage für noch mehr Bürokratie: mehr Kompetenzen für die EU-Kommission. Norman Hanert


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