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10.11.12 / Mursi provoziert Militär / Ägyptische Armee verliert immer mehr Macht: Untersuchung gegen Generalstabschef

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Mursi provoziert Militär
Ägyptische Armee verliert immer mehr Macht: Untersuchung gegen Generalstabschef

Bis zum 12. August schien der General, der Ägypten zwischen dem Sturz von Hosni Mubarak und der Wahl eines neuen islamistischen Präsidenten im Juni führte, unberührbar. Viele Ägypter sind weiterhin überzeugt, dass die Entlassung von Marschall Hussein Tantawi und Sami Enan, dem ehemaligen Generalstabschef, nicht ohne die Zustimmung der Betroffenen geschehen ist. Die beiden waren die starken Männer im Obersten Militärrat (Scaf) gewesen, der das Land seit dem Sturz von Hosni Mubarak im Februar 2011 regiert hatte. Der 76-jährige Tantawi war 22 Jahre lang Verteidigungsminister. Für ihren Rücktritt, so glauben die meisten Ägypter, sei ihnen damals Straffreiheit für die Verbrechen gewährleistet worden, die während der Zeit des Übergangs begangen worden waren. Allerdings hat der Generalstaatsanwalt am 15. Oktober gegen beide eine Untersuchung wegen ihrer Beteiligung an der Niederschlagung von Protesten angeordnet. Die zwei hochrangigen Offiziere könnten für das Massaker vom Maspero Platz vom 9. Oktober 2011, bei dem 28 koptische Demonstranten von der Armee getötet worden waren, angeklagt werden.

Ob es allerdings so weit kommen wird, ist ungewiss. Viele Ägypter glauben, dass die Untersuchung lediglich zeigen soll, dass Generäle nicht über dem Gesetz stehen und dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Dennoch, als Präsident Mohamed Mursi am 12. August beschlossen hatte, die zwei Männer in den Ruhestand zu schicken, hatte er bereits einmal die Analysten überrascht, denn alle glaubten, die Muslimbruderschaft würde alles tun, um das Militär nicht zu provozieren. Nach dem Anschlag auf einen Grenzposten im Sinai mit 16 Toten, der als nationale Tragödie und Versagen der Sicherheitskräfte empfunden wurde, hat Mohammed Mursi die Gunst der Stunde geschickt genutzt und die bereits geplante Pensionierung von Feldmarschall Tantawi und Generalstabschef Sami Anan vorgezogen. Als zweiten Schritt hat Mursi dem Scaf die politische Macht entzogen, die dieser sich vor der Wahl eines zivilen Präsidenten angeeignet hatte.

Mursis Coup ist überraschend geräusch- und widerstandslos über die Bühne gegangen. Er wusste, dass eine Mehrheit der jüngeren Offiziere gegen eine politische Rolle der Armee ist, sie sehen den Reformbedarf der veralteten Armee und haben keine Berührungsängste bei den Muslimbrüdern. Ohne selbst Mitglieder der Muslimbruderschaft zu sein, was ihnen die Tore der Militärakademie verschlossen hätte, sind viele junge Offiziere der Muslimbruderschaft weniger feindlich eingestellt als ihre älteren Vorgesetzten. Die jüngeren Offiziere wissen, dass die Zeiten der Staatsstreiche endgültig vorbei sind, sie sagen sich, wenn eine Bevölkerungsmehrheit die Muslimbruderschaft an die Regierung gewählt hat, muss sich die Armee mit diesem Votum abfinden, ohne allerdings ihre eigenen Interessen zu ignorieren.

Im April hatte es in Alexandria bereits eine Mini-Revolte von etwa 500 jüngeren Offizieren gegeben, die bessere Bedingungen forderten. Der neue Armeechef, Abdelfatah as-Sisi, der vorher dem militärischen Geheimdienst vorstand, hat die längst fällige Modernisierung der Armee angekündigt und eingeleitet. Auf dem Sinai zeigt sich derzeit, wie wenig eine schwerfällige Feldarmee gegen die Bedrohung durch Terroristen ausrichten kann. Faktisch hatte die Armee keine andere Wahl, als sich mit den Muslimbrüdern zu arrangieren. Die Muslimbrüder sind derzeit die stärkste verlässliche politische Kraft. Sie haben sich immer anpassungsfähig gezeigt.

Außerhalb der Kasernen hat in Ägypten ein Kampf um die Macht in den Institutionen begonnen. Im September hat Mursi zehn neue Provinzgouverneure ernannt, von denen nur drei Muslimbrüder waren, allerdings auch drei Militärs für die Grenzregionen. Zur gleichen Zeit hat er auch eine Studie über die Korruption in den oberen Rängen der Armee in Auftrag gegeben. Im Visier steht vor allem das Wirtschaftsimperium der Armee, die bis zu 40 Prozent der ägyptischen Wirtschaft kontrolliert.

Mursi hat das System von Privilegien und Pfründen, wegen dem das Land zuweilen „Offiziersrepublik“ genannt wurde, bislang nicht angetastet. Das Gespann Mubarak-Tantawi hatte ein Patronage-System eingeführt, das führenden Offizieren nach ihrer Pensionierung Posten in Ministerien, Behörden, Staatsfirmen und Lokalverwaltungen garantierte. In fast allen wichtigen Positionen sitzen deshalb Ex-Offiziere. Mursi hält an dieser Tradition fest. Noch! Bodo Bost


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