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10.11.12 / Wenn Kinder als Last erscheinen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Gastkommentar
Wenn Kinder als Last erscheinen
von Hinrich E. Bues

Dass in puncto Kinder etwas schiefläuft in unserem Staate, braucht eigentlich keine Begründung. Seit 1971 sterben hierzulande mehr Menschen als Neugeborene zu verzeichnen sind. Sah Familienministerin Kristina Schröder (CDU) 2010 schon Licht am Horizont und eine „größere Lust an Kindern“ heraufziehen, so stellte sich ihre Prognose Anfang 2012 als ziemlich voreilig heraus, denn 2011 wurden nur noch 663000 Kinder geboren – der niedrigste Stand seit Bestehen der Bundesrepublik.

Kinder sind die Zukunft eines Landes. Das ist wahr. Wo Kinder fehlen, sieht die Zukunft eines Landes düster aus, weil beispielsweise die Renten und die Gesundheitsversorgung bald nicht mehr bezahlbar sein werden. Auch das ist wahr. Aber wer will nur deswegen Kinder in die Welt setzen, um die Geburtenrate eines Landes, das „demografische Problem“ zu lösen? Kinder entstehen und kommen zumeist auf die Welt, weil zwei Menschen bereit sind, die Verantwortung für den neuen Menschen zu tragen, sie Freude daran haben, Kinder zu erziehen und groß werden zu lassen. Doch damit beginnen in unserer deutschen Gesellschaft die Probleme.

Während in vielen Ländern der Erde eine zahlreiche Kinderschar so etwas wie eine Rentenversicherung ist, geschieht hierzulande das Gegenteil. Wer viele Kinder hat, wird ärmer und hat schlechte Aussichten auf eine gute Rente. Berufstätige Eltern zahlen zum Beispiel die gleichen Rentenbeiträge wie kinderlose Ehepaare.

Nehmen wir als Beispiel eine Frau, die in den 80er Jahren drei Kinder geboren hat, die jetzt in das Berufsleben eintreten. Nehmen wir weiter an, dass diese Frau vorher einige Jahre berufstätig war und irgendwann in den 2020er Jahren in das Rentenalter kommt. Dann erhält sie für ihre drei gut ausgebildeten Kinder, die monatlich zusammen 2500 oder 3000 Euro an Rentenbeiträge bezahlen, davon ganze 81 Euro, keine drei Prozent. Bleibt die Ehe erhalten, dann ist sie immerhin über ihren verdienenden Mann einigermaßen abgesichert. Ist das nicht der Fall, dann ist eine solche Frau und Mutter eventuell auf die staatliche Fürsorge oder zusätzlich auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen.

Das ist ein Skandal, denkt man an den Grundgedanken zurück, dass Kinder ihre altgewordenen Eltern unterstützen sollen und wollen. Was bei der Einführung der Bismarck’schen Rentenversicherung im Jahr 1889 logisch klang, funktioniert heute schon lange nicht mehr. Trotz horrender Rentenbeiträge von über 19 Prozent des Bruttoeinkommens muss der Staat bereits jetzt 80 Milliarden Euro jährlich aus Steuergeldern dazu schießen. Die Zeiten haben sich gründlich geändert.

Das liegt an einigen Grundvoraussetzungen. Nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 waren die Staatsschulden auf 120 Millionen Mark (ein Prozent vom Bruttoinlandsprodukt) gesunken und die meisten Familien hatten drei und mehr Kinder; die Grundlage für den folgenden Boom der Gründerzeit, von dem Deutschland bis heute zehrt. Auch in den Zeiten des Wirtschaftswunders in den 1950er und Anfang der 1960er Jahren das gleiche Phänomen: kaum Staatsschulden und dafür viele Kinder, so dass Konrad Adenauer sagen konnte: „Kinder kriegen die Leute sowieso.“ Doch all das gilt seit der Einführung der Pille, der de facto Legalisierung der Abtreibung und der ausufernden Staatsausgaben nicht mehr.

Nun versucht der Staat an den Symptomen herumzudoktern. Die milliardenschwere Reform der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) läuft offenkundig ins Leere, weil sie falsche Signale setzt. Die flächendeckende Schaffung von zusätzlichen Krippen- und Kindertagesplätzen zielt letztlich darauf, dass möglichst viele Frauen schnell wieder ihren Beruf aufnehmen und so Steuern und Sozialabgaben bezahlen. Kluge Volkswirte haben ausgerechnet, dass sich die Kosten für die teuren Kitas und Krippen „rechnen“. Im Laufe ihrer Berufstätigkeit zahlen die Mütter und Väter tatsächlich mehr als die Ganztagsbetreuung kostet. Doch die Eltern tragen dafür untragbare Lasten, denn die viel beschworene „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ist in Wirklichkeit ein Doppel-, Dreifach- und Vierfachbelastung, meist für die Frauen: Haushalt, Kindererziehung, Beruf und Beziehung wollen unter einen Hut gebracht werden. Was einem Topmodell wie der millionenschweren Heidi Klum mit vielen Nannys, Privatflugzeug und Fitnesstrainern gelingen mag, schafft noch lange keine Verkäuferin, Sekretärin oder Lehrerin.

Als Vater von drei Kindern weiß ich, welche Freude, welche Sinnstiftung darin liegt, Kinder als Gabe Gottes zu sehen und groß zu ziehen. Die Begleitung von Kindern in ihrer Entwicklung, das Entdecken ihrer Begabungen, das erzieherische Eingreifen und Vermitteln von ererbten und erworbenen Werten, das Zusammensein in der Familie auf Reisen oder beim täglichen Essen, macht die „Lust an Kindern“ aus. Nur oft genug ist diese Freude nicht mit den Erfordernissen des heutigen Berufslebens vereinbar, wo aus Mitarbeitern oft genug das Letzte an Kraft und Zeit herausgepresst wird. Wer heute drei und mehr Kinder in die Welt setzen will, steht unweigerlich vor der Entscheidung: Familie oder Beruf.

Hier liegt der Knackpunkt. Denn ein Land braucht viele solcher Familien, damit rund 400000 Kinder mehr als heute geboren werden, sagen die Bevölkerungswissenschaftler. Genau hier sehen sich aber Eltern mit drei und mehr Kindern betrogen. Wenn sich (in der Regel) die Frau einer kinderreichen Familie um die Erziehungsarbeit, das Wohl ihrer Familien als „Hausfrau“ kümmert, kann sie leicht die Dumme sein. Gegenüber kinderlosen Ehepaaren, wo beide berufstätig sind und einigermaßen gut verdienen, führt sie ein bescheidenes und riskantes Leben. Wenn heute ein Alleinverdiener es tatsächlich schafft, für den Unterhalt der Familie alleine zu sorgen, ist nicht nur Sparsamkeit und ein bescheidener Lebensstil angesagt. Ein Blick auf den Gehaltszettel zeigt auch, dass erhebliche Steuern und Sozialabgaben vom Alleinverdiener gezahlt werden müssen.

Die Diffamierung der Hausfrau und Mutter hat System. Vergessen scheint, dass noch der Fünfte Familienbericht 1994 feststellte, dass die Familie „der bevorzugte Ort der Entstehung und Erhaltung von Humanvermögen“ ist, wie der sperrige Begriff damals lautete. In der Sache ist er aber nach wie vor richtig. Was in einer Familie an Sozialisierung, an Weitergabe wertvoller Werte, an Fürsorge und vor allen Dingen an gegenseitiger Liebe geschieht, ist durch nichts zu ersetzen.

Was aber darf die Förderung von Familien kosten in Euro und Cent? In Deutschland heißt es oft, dass Familien besonders großzügig gefördert werden. Angeblich reichte der regierungsamtliche Segen für Familien von 100 bis hin zu 184 Milliarden Euro jährlich. Zieht man davon aber die Leistungen ab, die Familien für den Staat erbringen, entsteht sofort ein anderes Bild. Das Statistische Bundesamt errechnete für 2001 eine Wertschöpfung privater Haushalte, also auch der Familien, in Höhe von imposanten 1121 Milliarden Euro. Eine andere Berechnung stellte die bekannte Robert-Bosch-Stiftung an. Sie ermittelte 2005 mithilfe des ifo-Instituts, dass ein „durchschnittliches Kind“ dem Staat 77000 Euro mehr einbringt, als es ihn kostet. Kinder machen also ein Land reich. Zeit zum Umdenken also, zu einem Mentalitätswechsel in Köpfen, Herzen und Politik, damit Eltern wieder Mut und Freude haben, Kinder in die Welt zu setzen.


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