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10.11.12 / Bonhoeffers Verlobte / Die Vita Maria von Wedemeyers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Bonhoeffers Verlobte
Die Vita Maria von Wedemeyers

Lang ist die Liste der Veröffentlichungen über den am 9. April 1945 im KZ Flossenburg ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und seine Gefängnis-Theologie. Erst seit dem Erscheinen des Briefwechsels „Brautbriefe Zelle 92 – Dietrich Bonhoeffer / Maria von Wedemeyer 1943–1945“ im Jahre 1992 richtete sich das Interesse der Forscher und Autoren auch auf Maria von Wedemeyer, Bonhoeffers Verlobte. Der von Ulrich Kabitz und Ruth-Maria von Bismarck, Maria von Wedemeyers Schwester, herausgegebene Briefwechsel zwischen dem inhaftierten Theologen und seiner 18 Jahre jüngeren Braut wurde anschließend mehrfach aufgelegt. Er ist ein beeindruckendes Zeugnis einer großen, unerfüllt gebliebenen Liebe. 2006 erschien anlässlich des 100. Geburtstags von Dietrich Bonhoeffer eine Doppelbiografie über ihn und Maria von Wedemeyer. Der 1944 geborene Theologe, Autor und ehemalige „Spiegel“-Journalist Wolfgang Seehaber hat sich durch seine langjährige Beschäftigung mit der Persönlichkeit und Theologie Dietrich Bonhoeffers ebenfalls eingehend mit der pommerschen Adeligen Maria von Wedemeyer befasst. Sein neues Buch mit dem Titel „Maria von Wedemeyer. Bonhoeffers Verlobte. Ein Lebensbild“ ist eine ergreifende, glänzend erzählte personen- und zeitgeschichtliche Darstellung. Sie umfasst im Wesentlichen drei Jahrzehnte bis zur Ermordung Bonhoeffers. Maria von Wedemeyers weiterer Lebensweg, der sie 1958 als Stipendiatin zum Mathematikstudium in die USA führte, wo sie später als Computerspezialistin tätig war, wird auf weniger als 50 Seiten nacherzählt. 1924 wurde Maria Friederike von Wedemeyer auf dem pommerschen Gut Pätzig in der Neumark als Tochter des aus Ostpreußen stammenden Großgrundbesitzers Hans von Wedemeyer und seiner Ehefrau Ruth geboren. Ihren Vater und die Großmutter mütterlicherseits, Ruth von Kleist-Retzow, beschreibt der Autor als bedeutende Persönlichkeiten. Letztere knüpfte 1936 den Kontakt zu Pastor Bonhoeffer, der seinerzeit in Finkenwalde bei Stettin ein Predigerseminar der Bekennenden Kirche leitete. Die verwitwete Besitzerin von Gut Kieckow beschäftigte sich mit den Anliegen der theologischen Erneuerungsbewegung. Erst seit Herbst 1942 kam es in Berlin häufiger zu Begegnungen zwischen Maria und Dietrich. Im Januar 1943 verlobten sie sich. Kaum drei Monate später wurden Bonhoeffer und sein Schwager Hans von Dohnanyi wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet. Die Briefe, die Maria ihrem Verlobten in das Tegeler Gefängnis schickte, waren zunehmend sehnsuchtsvoll. Seehaber kommentiert dies: „Eine heile Welt wurde beschworen. Es tut beinahe weh, wenn man das liest.“ Marias innere Spannung wurde fast unerträglich für sie, dennoch hoffte sie weiter. Dann kam es zu dem verhängnisvollen Fund des geheimen Archivs Hans von Dohnanyis in Zossen im September 1944. Bonhoeffer wurde tragischerweise nach einem Scheinprozess zusammen mit den Widerstandskämpfern Canaris, Oster, Strünck, Sack und Gehre gehängt, tragischerweise auch deshalb, weil es zu einem Zeitpunkt geschah, als die Alliierten schon die Lufthoheit über Deutschland besaßen.

Maria von Wedemeyer war zweimal verheiratet, wurde zweimal geschieden, und sie hatte zwei Söhne. 1976 starb sie mit 53 Jahren in Boston an Krebs. Seehaber hat es vermieden, Dietrich Bonhoeffer zu heroisieren, doch seine besondere Nähe zu Maria scheint immer wieder durch. Überschwänglich fällt sein vielfältiges Lob dieser Frau mit ihrem fest gegründeten Glauben aus: „Durch ihr offenes, herzliches Wesen hat sie andere zu sich eingeladen, … ist offen und mit herzlicher Neugier auf sie zugegangen. Kälte und etwas Abweisendes hat wohl niemand jemals an ihr verspürt.“  Dagmar Jestrzemski

Wolfgang Seehaber: „Maria von Wedemeyer. Bonhoeffers Verlobte. Ein Lebensbild“, Brunnen Verlag, Basel 2012, geb., 384 Seiten, 16,99 Euro


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