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17.11.12 / Brüssel verschlampt Milliarden / 18. Rüge in Folge: Europäische Union fordert aber lieber mehr Geld, statt System zu reformieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Brüssel verschlampt Milliarden
18. Rüge in Folge: Europäische Union fordert aber lieber mehr Geld, statt System zu reformieren

Der Europäische Rechnungshof in Luxemburg prüft seit 1975 die Finanzen der EU, um die Verwaltung zu verbessern. Sein jüngstes Urteil über den Umgang der Gemeinschaft mit den aus Steuern der EU-Bürger stammenden Mitteln des EU-Haushalts enthält erneut herbe Kritik. Doch die EU-Bürokratie, allen voran die Kommission, verlangt mehr Geld.

Mehr als fünf Milliarden Euro hat die Gemeinschaft 2011 verloren, bilanziert der Europäische Rechnungshof. Durch fehlgelenkte Subventionen, zu Unrecht gezahlte Beihilfen und durch Schlamperei. Somit gingen 3,9 Prozent des Gesamthaushalts von 130 Milliarden Euro verloren, 0,2 Prozentpunkte mehr als 2010. Nicht nur die steigende Tendenz bei den Fehlausgaben und die Verschwendung an sich alarmieren, es ist die 18. Rüge in Folge für den EU-Haushalt. Das Prüfungsgremium berichtete, dass die Kontrolle über 86 Prozent des Haushalts von 2011 nur „teilweise effektiv“ sei. Schlamperei ist demnach eine Hauptursache der Fehlausgaben, Betrug macht nur 0,2 Prozent aus. So pumpte Brüssel Geld nach Spanien und Italien, wo Subventionsjäger dreist Wald als „Dauergrünland“ angegeben hatten. Vor Ort stellte sich dann in der Lombardei auf den ersten Blick heraus, dass „beihilfefähige Merkmale“ nicht gegeben waren. Eine italienische Obstfabrik, gefördert mit 200000 Euro aus EU-Kassen, war klar als Wohnhaus erkennbar. Auch bei Österreichs Almwirtschaft machte der Rechnungshof deutliche Unterschiede zwischen beantragten Mitteln und den tatsächlichen Förderflächen aus. Die EU sponserte zudem noch ein „Weltfestival am Strand“ sowie ein Damengolfturnier, beides in Italien. Das ganze Ausmaß an Betrug und Fehlsteuerung ist noch nicht bekannt. Flächendeckende Prüfungen sind selbst beim großen EU-Förderposten Landwirtschaft noch nicht üblich.

Laut Vitor Caldeira, Präsident des Europäischen Rechnungshofs, hat seine Einrichtung festgestellt, dass in „zu vielen Fällen“ EU-Gelder nicht zielgerichtet oder suboptimal eingesetzt würden, während zugleich nationale Haushalte Einschnitte vorsähen und die Euro-Zone sich Sparziele auferlege. Caldeira spricht damit ungewohnt offen das Grundsatzproblem an, das auch der britische konservative Premier David Cameron als derzeit einflussreichster Europa-Kritiker mit der EU-Haushaltsführung hat: „Es wäre empörend, große Steigerungen im europäischen Budget zu haben, wenn wir zuhause die Dinge zusammenstreichen“, beschreibt der Brite die Schieflage bei der aktuellen Finanzierung der EU. Er spricht sich gegen eine deutliche Steigerung der Ausgaben, wie von EU-Parlament und Kommission gefordert, aus. Andernfalls will Cameron mit einem Veto im Ministerrat den EU-Haushalt blockieren.

Von Einsicht oder auch nur Problembewusstsein ist bei den derart angesprochenen EU-Behörden indes keine Spur zu sehen. Der polnische Liberale und EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski legte Großbritannien anlässlich des Streits um Verschwendung gar den Austritt nahe: „Entweder es sieht für längere Zeit seine Zukunft in der Europäischen Union oder nicht.“ Derzeit preist Lewandowski im Internet-Auftritt der EU-Kommission sogar „leichteren Zugang und verkürzte Antragszeiten für Zahlungen aus dem Europäischen Budget“ für Wirtschaft, Wissenschaft und Regionen an.

Die EU-Kommission schreibt die Schuld an der Mittelverschwendung allein den Mitgliedstaaten zu. Diese sollten bei der Geldzuteilung besser aufpassen, so die überstaatliche Einrichtung. Die Kommission, die zugleich Aufgaben der Exekutive und Rechtsetzung auf europäischer Ebene bündelt und keiner Kontrolle durch den Wähler unterliegt, forderte zeitgleich neun Milliarden Euro zusätzlich für den Nachtragshaushalt 2012, um aufgelaufene Rechnungen bezahlen zu können. Geht es nach dem Gremium, sollen im nächsten Jahr die EU-Ausgaben sogar um über sechs Prozent steigen. Und auch das EU-Parlament will mehr. Für den Haushalt 2013 forderte es Ausgaben in Höhe von 137,9 Milliarden Euro. Der Ministerrat, traditionell die Vertretung der Regierungen der Mitgliedsstaaten, will hingegen die Ausgaben auf nicht mehr als insgesamt 132,7 Milliarden Euro steigen lassen. Eine Einigung ist bisher nicht in Sicht, die Kommission muss nun einen neuen Haushaltsvorschlag unterbreiten.

Weil diese zunehmend politische Befugnisse an sich zieht und sorgloser denn je mit dem Geld der zum Sparen verurteilten Mitgliedsstaaten umgeht, ist Cameron mit seiner Kritik nicht allein. Jan Kees de Jager, christdemokratischer Finanzminister der Niederlande, sagte im heimischen Parlament, sein Land werde „die Hacken eingraben“ um für 2013 einen Anstieg des EU-Budgets über das Inflationsniveau zu stoppen. Das gelte auch für das Begehren der EU nach einem elfprozentigen Anstieg europäischer Ausgaben zwischen 2014 und 2020. Auch Dänemark und EU-Netto-Zahler Schweden empfinden wenig Sympathie für die Brüsseler Ansprüche. Sverre Gutschmidt


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