28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.11.12 / Helgoland – rote Insel im Umbruch / Gemütliche Butterfahrten? Das war einmal. Heute hat sich die Insel für mondäne Großstadt-Touristen herausgeputzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Helgoland – rote Insel im Umbruch
Gemütliche Butterfahrten? Das war einmal. Heute hat sich die Insel für mondäne Großstadt-Touristen herausgeputzt

Helgoland bröckelt? Von wegen! Solange die „Lange Anna“ noch steht, solange kommen die Touristen. Dank schneller Fährschiffe ist die Insel näher ans Festland gerückt und hat ihren biederen Butterfahrt-Charme abgelegt.

Wer erinnert sich nicht gerne an die Sommerferien seiner Kindheit und Jugend zurück? Als man mit der „Wappen von Hamburg“, der „Bunten Kuh“ oder der „Seute Deern“ von Cuxhaven nach Helgoland hinüberfuhr, auf Reede von den vor Anker liegenden Seebäderschiffen mit den Börtebooten abgeholt und auf die Insel gebracht wurde und wo dann im Zollparadies eingekauft werden konnte. Vorher mit dem Fahrstuhl zum Oberland, eine Wanderung zu den roten Klippen und dem Lummenfelsen, weite Sicht über das blau-grüne Meer und gigantische Menschenmassen mit Duty-Free-Tüten. Das war Helgoland in den 60er und 70er Jahren.

Damals benötigte ein Seebäderschiff über zwei Stunden von Cuxhaven bis Helgoland und die Fahrt war ein Abenteuer. Heute schaffen Katamaran-Boote dieselbe Strecke in 75 Minuten.

Vieles hat sich seitdem auf der Insel verändert. Als in den 80er Jahren Fernreisen per Flieger preisgünstiger und exotische Ziele immer attraktiver wurden, gingen die Passagierzahlen im Helgolandverkehr stark zurück. Die Insel verkam teilweise zu dem bei Kegelclubs beliebten sogenannten „Fuselfelsen“. Gegen dieses Negativ-Image anzukämpfen war für die Insulaner nicht einfach und spaltete sie zeitweise in zwei Lager. Immerhin verdienen die Einwohner ihr Geld fast ausschließlich durch den Massenansturm der Touristen.

Neue Ideen und tragfähige Konzepte mussten her. 2009 wurde Helgoland endlich auch an die Energieversorgung des Festlandes angeschlossen. Projekte wie das Bungalow-Dorf auf der Düne, die Wellness-Oase und das Luxushotel auf dem Unterland konnten realisiert werden. Die Idee eines Investors, eine künstliche Verbindung zwischen Insel und Düne durch Aufspülung – „Neuer Woal“ genannt – zu schaffen, scheiterte jedoch am Widerstand der Bevölkerung.

Eine schlechte Nachricht: Das hochgelobte und noch ziemlich neue Hotel „Atoll“ hat am

1. November seine Tore für Urlaubsgäste geschlossen und wird ausschließlich für die erwartete Off-Shore-Kundschaft der projektierten Windparks da sein.

Doch die positiven Nachrichten überwiegen. Im Zuge eines Strukturwandels, begünstigt durch politische Entscheidungen im fernen Berlin in Bezug auf die sogenannte „Energiewende“, erneuerbare Energien und Off-Shore- Windparks in der Deutschen Bucht, kommt Helgoland als Sprungbrett eine herausragende Bedeutung zu. Wo früher Dutzende von malerischen Fischkuttern Zuflucht vor den Stürmen der Nordsee suchten, werden in absehbarer Zeit Serviceschiffe der Windparkbetreiber gewartet und ausgerüstet. Eine Yacht-Marina und zwei neue Hotels sollen entstehen, und das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung investiert auf der Insel mehrere Millionen Euro in neue Projekte. Es geht hier nicht um realitätsferne Visionen, sondern um finanzierbare, praktikable und umsetzbare Pläne.

Mit dem aus Süddeutschland stammenden, parteilosen Bürgermeister Jörg Singer hat die Insel eine politische Führungspersönlichkeit, die vorsichtig eine Neu-Orientierung und Positionierung anstrebt, ohne dabei die Identität des Eilandes zu riskieren. Ein Schwerpunkt liegt traditionell auf dem Zubringerdienst von Gästen und Urlaubern per Schiff.

Hier hat sich die expansionsfreudige Helgoline (FRS Flensburg), eine international operierende Fähr-Reederei mit weiteren Liniendiensten auf Sylt, im Oman, in Dänemark und in Gibraltar, etabliert. Diese Schifffahrts-Linie erschließt im Sommer mit dem 33 Knoten (rund 60 Stundenkilometer) schnellen Katamaran „Halunder Jet“ ab den Landungsbrücken von Hamburg St. Pauli eine neue Spezies von Helgoland-Besuchern. Und zwar Menschen, die direkt aus der Großstadt zur Hochseeinsel aufbrechen und diese in knapp vier Stunden erreichen. Eine Klientel, die bereit ist, für Schnelligkeit und Komfort mehr Geld auszugeben, und die guten Service und Zeitersparnis zu schätzen weiß, was steigende Passagierzahlen belegen. Im Winter wird die Verbindung zur Insel von Cuxhaven aus mit dem traditionellen Fahrgastschiff „Atlantis“ der Helgoline wahrgenommen. Alles in Allem durchaus positive Ansätze und Aussichten in schwierigen, ungewissen Zeiten.

Die bei Heinrich Heine, Hoffmann von Fallersleben, Klaus Störtebeker und Abertausenden von Touristen und Tagesgästen so beliebte rote Insel liegt nach wie vor unverrückbar und trutzig in der Deutschen Bucht auf Position 54 Grad elf Minuten nördlicher Breite und sieben Grad 53 Minuten östlicher Länge. Das haben nicht einmal Kriege, Bombardements und Krisen ändern können. 1947 zerstörten die Briten hier mit der bislang größten nicht-nuklearen Sprengung die Bunkeranlagen. Helgoland aber hielt stand und ist weit mehr als ein touristisch nutzbarer Felsen. Helgoland ist nationales Symbol. Hoffen wir, dass die Neuorientierung und Umgestaltung der Insel das Gesicht von „Langer Anna“, Hummerbuden und Börte-Booten nicht allzu sehr verändern werden und mit Fingerspitzengefühl in Bezug auf Investoren und daraus resultierenden möglichen Abhängigkeiten agiert werden wird. Auf dass auch in 50 Jahren noch gilt: „Grün ist das Land, rot ist die Kant, weiß ist der Sand – das sind die Farben von Helgoland.“ Michael Buschow


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren