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24.11.12 / Kreml-Elite bangt um Ämter / Antikorruptionskampagne bedroht selbst hochrangige Politiker − Kritker sprechen von »Säuberungen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Kreml-Elite bangt um Ämter
Antikorruptionskampagne bedroht selbst hochrangige Politiker − Kritker sprechen von »Säuberungen«

Nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt hat Wladimir Putin eine Reihe unpopulärer Änderungen durchgesetzt: Verschärfungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts, des Ausländergesetzes und der Überwachung des Internets zählen ebenso dazu wie die Antikorruptionskampagne. Gleichzeitig wurden Gerüchte über eine schwere Erkrankung des Präsidenten publik, die seine Teilnahme an mehreren Treffen verhindert habe. Das gibt Spekulationen Nahrung, ob sich hinter den Kulissen des Kreml ein Machtkampf anbahnt oder ob die Meldung dem politischen Zentrum lediglich als Ablenkungsmanöver dient.

Die Ablösung des bisherigen Verteidigungsministers Anatolij Serdjukow glich einem Paukenschlag. Obwohl der Politiker in Militärkreisen nicht sonderlich beliebt war, hatte mit seiner plötzlichen Absetzung niemand gerechnet. Mit dem Wechsel an der Militärspitze wurde die Antikorruptionskampagne des Präsidenten eingeläutet, im Zuge derer weitere hochrangige Politiker wohl ihre Positionen verlieren werden. Der Geheimdienst FSB durchsucht bereits die Büros einiger Verdächtiger. Am Montag dieser Woche hat Premier Dmitrij Medwedjew den Verkehrsminister Anatolij Tschabunin entlassen. Sein Amt bekleidet jetzt Roman Starowojt, ein St. Petersburger Nachwuchs-Politiker.

Russische Beobachter glauben, dass an Serdjukow ein Exempel statuiert werden sollte, denn es ist unwahrscheinlich, dass die Regierung von Unregelmäßigkeiten beim Militär, insbesondere von den dreisten Diebstählen beim Satellitenprogramm „Glonass“, einem Prestigeprojekt, nichts bemerkt hat. Sergej Iwanow, Chef der Präsidialverwaltung und Putin-Vertrauter, erzählte Journalisten, er habe schon vor zwei Jahren von Materialdiebstählen bei Glonass erfahren. Damals war Putin Regierungschef. Es verwundert, wenn er erst jetzt reagiert.

Dass die Regierung scharf gegen Korruption vorgehen will, ist vor dem Hintergrund, dass ausländische Investoren sie als Haupthinderungsgrund für Investitionen in Russland nennen und seit Jahren ein Rückgang ausländischen Kapitals zu verbuchen ist, verständlich.

Liberale Kritiker sprechen von „Säuberungen“ und werfen Putin vor, die Macht so wie Stalin 1937 auszuüben. Es sei mit einer kompletten Erneuerung der Elite zu rechnen, wobei die entlassenen Beamtenstellen mit jüngeren und vor allem dem Präsidenten treu ergebenen Mitarbeitern besetzt würden.

Gerade, als die Diskussionen um die Verschärfung der Gesetze zum Demonstrationsrecht und der Einstufung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), in denen Organisationen mit Auslandskapital als „ausländische Agenten“ eingestuft werden, in der Öffentlichkeit ihren Höhepunkt erreichten, wurden Gerüchte über eine ernsthafte Erkrankung Putins laut. Über die Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf eine zuverlässige Quelle im Kreml berief, ging die Meldung um die Welt. Ein Dementi von Putins Pressesekretär erfolgte umgehend. Er sah sich dennoch bemüßigt hinzuzufügen, der Präsident sei kerngesund. Er habe sich lediglich bei seinem täglichen Training eine Muskelzerrung zugezogen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Gerücht gezielt aus der Umgebung des Präsidenten gestreut wurde. Assoziationen an Desinformationskampagnen gegen Ende der Sow-jetunion oder der Jelzin-Ära kommen dem Betrachter unwillkürlich in den Sinn. Einige Beobachter glauben, das Gerücht sei möglicherweise vom Präsidenten selbst als Ablenkungsmanöver in die Welt gesetzt worden, um so die politischen Diskussionen zu verringern. Vielleicht war es aber auch ein Versuch von Putin-Gegnern, den Präsidenten zu demoralisieren.

Putin ist sehr um sein Image bemüht. Er war nie ein schwacher Präsident. Dass er auch in seiner dritten Amtsperiode Stärke signalisieren will, steht außer Zweifel. Die Regierung ist für ihn ein Instrument, dessen man sich bei Bedarf bedient. Stärke demonstrierte Putin einmal mehr beim Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Moskau. Ihre Verbalattacken parierte er mit der gewohnten Schärfe und List. Obwohl Putins Image Schaden genommen hat, weil ein Großteil der Bürger und das Ausland ihm die unfaire Wahl, die ihn zurück an die Macht gebracht hat, übelnehmen, genießt er nach wie vor eine breite Unterstützung der Bevölkerung. Seine Beliebtheit. aber auch die fast aller Politiker, sinkt hingegen stetig. In der Bevölkerung macht sich Politikmüdigkeit breit. Die Rück-kehr der Agitationspropaganda (Agitprop) in der politischen Kultur dürfte diese Tendenz noch verschärfen.

Die Kreml-Elite wird sich für oder gegen Putin entscheiden müssen. Vorerst wird kein Weg an ihm vorbeiführen. Dass Putin verstärkt auf die Loyalität seiner Umgebung setzt, zeigt die Tatsache, dass er im Dezember zum Dank ein Treffen mit den Personen, die ihn im Wahlkampf unterstützt haben, organisieren will. Manuela Rosenthal-Kappi


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