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24.11.12 / Kein Licht am Ende des Tunnels / Die finanzielle Lage Spaniens spitzt sich weiter zu – Die Wahl in Katalonien bestimmt Schicksal des Landes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Kein Licht am Ende des Tunnels
Die finanzielle Lage Spaniens spitzt sich weiter zu – Die Wahl in Katalonien bestimmt Schicksal des Landes

Trotz Lobeshymnen der EU-Kommission kündigt sich in Spanien eine weitere Verschärfung der Krise an. Eine Folge könnte die nächste Eskalationsstufe der Euro-Krise sein: ein massiver Zugriff Spaniens auf den Euro-Rettungsfonds ESM.

Es spricht einiges dafür, dass dieser Monat für Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy (Partido Popular) zu einem Tiefpunkt seiner politischen Karriere wird. Am 9. November sorgte der Selbstmord einer Mutter von drei kleinen Kindern in ganz Spanien für Schlagzeilen. Bevor der Gerichtsvollzieher zur Zwangsräumung ihre Wohnung betrat, stürzte sie sich aus dem vierten Stock des Hauses. Mehrere solcher Selbstmordfälle haben inzwischen dazu geführt, dass zumindest in Härtefällen ein zweijähriges Moratorium bei Zwangsräumungen gilt. Die Monatsmitte brachte für Rajoy den zweiten Generalstreik in seiner noch kurzen Amtszeit. Für 24 Stunden wurden weite Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft Spaniens lahmgelegt. Bürgerkriegsähnliche Zusammenstöße am Rande des Streiks ließen 74 verletzte Menschen zurück. Als endgültigen Tiefpunkt des Monats könnten sich für Rajoy aber die Regionalwahl in Katalonien am 25. November herausstellen. Die Wahlen könnten das letzte Kapitel für den spanischen Staat in seiner bisherigen Form einleiten, falls sich Katalonien als erste Region von Madrid loslöst.

Zumindest der Generalstreik scheint in Brüssel einen starken Eindruck hinterlassen zu haben. Spanien „hat für die Jahre 2012 und 2013 effektive Maßnahmen ergriffen, um die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen“ so lautet die jüngste Einschätzung von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Seine Empfehlung: Momentan sind keine weiteren Sparanstrengungen mehr notwendig. Was von diesem Lob zu halten ist, wird an Zahlen deutlich, die paradoxerweise ebenfalls aus dem Hause der EU-Kommission stammen und fast zeitgleich bekannt geworden sind. Spanien wird bis 2014 keines der zugesagten Defizitziele erreichen. Im laufenden Jahr hätte Spanien seinen Fehlbetrag im Haushalt eigentlich auf 6,3 Prozent begrenzen sollen – Brüssel geht inzwischen von acht Prozent aus. Für 2013 wird eine Lücke von sechs Prozent vorausgesagt – vereinbart waren 4,5 Prozent. Im Jahr 2014 droht sogar, dass Spanien das höchste Haushaltsdefizit aller EU-Mitgliedsstaaten einfährt. Am Ende könnten sich allerdings selbst die Brüssler Prognosen noch als zu optimistisch he-rausstellen, denn neun der 17 autonomen Regionen Spaniens hängen mittlerweile am finanziellen Tropf des nationalen Rettungsfonds FLA.

Immer größer werden zudem auch die Kosten der weiter steigenden Arbeitslosigkeit. Im Oktober wurde erstmals die Marke von 25,8 Prozent gemeldet. Noch prekärer sieht es bei der Jugendarbeitslosigkeit aus. Jeder zweite Spanier unter 27 ist offiziell ohne Arbeit. Die Folge: Von Jahresbeginn bis September sind schon über 23 Milliarden Euro an Kosten für Arbeitslosenhilfen angefallen. Während sinkende Ausgaben geplant waren, fallen Milliarden Euro an Zusatzkosten an, die bisher nicht einkalkuliert waren. Die Strategie der spanischen Regierung angesichts der immer mehr um sich greifenden Wirtschaftskrise scheint nur noch im reinen Gewinnen von Zeit zu bestehen.

Die mittlerweile fünf Sparpakete seit dem Amtsantritt Rajoys am 21. Dezember 2011 haben nicht verhindert, dass sich die Haushaltsplanung völlig von der Realität abgekoppelt hat. Weitere Sparmaßnahmen scheinen bei weiten Teilen der Bevölkerung kaum noch durchsetzbar. Zum Protest gehen mittlerweile selbst Polizisten und Militärs auf die Straße, Richter üben inzwischen offene Kritik an der Regierungspolitik. Nachdem sich Madrid 100 Milliarden Euro zur Sanierung des maroden spanischen Bankensektors bei den europäischen Partnern gesichert hat, scheint nun das Ziel zu sein, einen weiteren Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM – samt der damit verbundenen Reformauflagen – so lange wie möglich herauszuzögern.

Der neueste Winkelzug bei diesem Bemühen: Der Versuch, Berlin gegen Washington auszuspielen. Wie die Zeitung „El Confidencial“ berichtet, prüfte die spanische Regierung derzeit, ob man sich vom Internationalen Währungsfonds eine Kreditlinie bereitstellen lässt. In Anspruch genommen werden soll diese, wenn sich Deutschland bei einem Ankaufprogramm für spanische Staatsanleihen durch den ESM oder die EZB querstellen sollte. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die Finanzierung des spanischen Staates durch ein derartiges Programm bald nötig werden könnte. Zwar gilt der Finanzbedarf bis zum Jahresende als gesichert, schon ab Januar könnte dies allerdings anders aussehen. Im Jahr 2013 müssen insgesamt 207 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufgenommen werden, ob dies noch aus eigener Kraft gelingt, wird immer fraglicher.

Zu einem Brandbeschleuniger in der ohnehin angespannten Lage könnten sich leicht die Wahlen zum katalonischen Regionalparlament an diesem Sonntag entwickeln. Nach der Wahl wird allgemein damit gerechnet, dass die Frage einer Loslösung Kataloniens vom spanischen Gesamtstaat auf der politischen Tagesordnung stehen wird. Die drohende Folge: Zur Wirtschaftskrise könnte auch noch eine politische Krise kommen, bei der die Finanzmärkte das letzte Vertrauen in Spanien verlieren. Spätestens dann dürfte ein Hilferuf Madrids an den Euro-Rettungsfonds ESM kaum noch zu verhindern sein. Hermann Müller


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