18.04.2024

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24.11.12 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

das sind für mich die schönsten Stunden, wenn ich wieder einmal von einem Erfolg unserer Sucharbeit berichten kann, der sich durchaus in die Reihe unserer „Familienwunder“ einfügen lässt. Wie anders sollte man es bezeichnen, wenn sich zwei Königsbergerinnen, die sich vor 66 Jahren in der zerstörten Stadt zum letzten Mal sahen, wieder gefunden und – trotz weit voneinander liegenden Wohnsitzen – wieder gesehen haben? Denn der Suchwunsch von Frau Renate Lang-Schranz, geborene Gnaß, aus Annweiler wurde gerade zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle veröffentlicht – heute würde man das als gelungenes „timing“ bezeichnen. Aber davon ahnte ich noch nichts, als ich ihre Frage in Folge 40 der PAZ veröffentlichte. Es ging um Eva Briskorn, ein Nachbarskind der aus Königsberg stammenden Familie Gnaß, mit der sie zusammen auf die Flucht gegangen waren und von der sie irgendwann getrennt wurden. Weder Renate und ihrer Familie noch Eva Briskorn gelang es, vor der Eroberung durch die Russen aus der Heimat zu fliehen, denn sie sahen sich etwa zwei Jahre später wieder – im zerstörten Königsberg. Renate und ihre Mutter waren nach Litauen gegangen, Eva wollte dorthin. Das Mädchen war damals in einem sehr schlechten körperlichen Zustand, und Frau Gnaß hat sich später immer wieder Vorwürfe gemacht, dass sie Eva ihrem ungewissen Schicksal überlassen hatten. Sie war bis zu ihrem Tod – sie verstarb 2008 im Alter von 97 Jahren – immer der Überzeugung, dass Eva nicht überlebt hätte. Aber dann stellte Frau Renate zu ihrer Überraschung fest, dass dies nicht der Fall war, denn in dem Buch „Wir sind die Wolfskinder“ von Sonya Winterberg fand sie ihren Namen, Eva musste also irgendwo in Litauen leben. Frau Lang-Schranz bemühte sich, der Spur nachzugehen, hatte aber keinen Erfolg und wandte sich schließlich an uns. Da ich solche weit in die Vergangenheit zurück­gehenden Suchwünsche möglichst umgehend veröffentlichte – der Faktor Zeit spielt heute eine große Rolle –, erschien ihr Suchwunsch zur großen Überraschung der Einsenderin in einer der nächsten Folgen. Und was dann geschah, erklären unsere einleitenden Worte über den richtigen Zeitpunkt. Lassen wir Renate Lang-Schranz selber erzählen:

„Bevor ich die Zeitung aufgeschlagen hatte, bekam ich einen Anruf von Frau Struckmayer, einer Cousine von Eva Briskorn. Sie teilte mir mit, dass Eva in Litauen lebe. Die zweite Überraschung war, dass Eva fast in jedem Jahr seit 1982 im Herbst zu Besuch nach Bremen zu ihren Verwandten kommt, und das um diese Zeit. Frau Struckmayer hat uns eingeladen, und so sind mein ältester Bruder, dessen Frau und ich am Sonnabend, dem 3. November, nach Bremen gefahren. Es war wie ein Besuch bei Verwandten in herzlicher Atmosphäre und mit fürsorglicher Bewirtung. Vor allem war es ein Wiedersehen mit Eva Briskorn, unseren Nachbarskind, nach 66 Jahren! Es war für uns sehr beruhigend zu sehen, dass es Eva so weit gut geht und sie der Mut nie verlassen hat. Schade, dass unsere Mutter das nicht mehr erleben durfte, die sich so viel Sorgen um Eva gemacht hat! Das Wiedersehen wird ein unvergesslicher Tag bleiben, und wir werden weiter in Verbindung stehen. Die ,ostpreußische Geschichte‘ ist noch lange nicht zu Ende – ich bin bewegt! Nochmals danke und herzliche Grüße im Namen aller Angehörigen!“ Da sind wir also gerade zur rechten Zeit gekommen – knapp einen Monat nach der Veröffentlichung gab es das Wiedersehen. Manchmal dauert es aber auch jahrzehntelang bis man eine Antwort bekommt – „einer zagelt eben immer nach“ kann man da auf gut Ostpreußisch sagen. In diesem Fall ist es eine Leserin aus Berlin, die erst jetzt die Frage nach dem Gedicht von „Paulinchen, dem schönsten Mädchen von ganz Insterburg“ ent­deck­te, das vor genau zehn Jahren von einer Leserin gestellt wurde. Und die auch damals eine Antwort bekommen hatte, wie sie besser nicht sein konnte. Denn das echte Paulinchen, die Tochter vom Schneider Lurg aus Insterburg, die nie ihre Strümpfe stopfte“, stammte zwar von dem ostpreußischen Mundartdichter Robert Johannes, die Urfassung war aber ein sächsisches Poem. Der damals sehr populäre Reimeschmied und Vortragskünstler hatte daraus eine ostpreußische Version gemacht. Die Leserin hatte es in dem Büchlein „Späte Früchte“ von Robert Johannes aus dem Jahr 1920 entdeckt. Frau Ingeburg E. aus Berlin hat nun ihr Paulinchen aus dem Gedächtnis aufgeschrieben, und diese Fassung weist doch einige Löcher wie Paulinchens Strümpfe auf. Macht nuscht, das vollständige Poem wurde ja damals gefunden, und wir sagen unserer Berliner Leserin herzlichen Dank für ihr spätes Bemühen.

Abschließen können wir nun das „Königsberger Brückenrätsel“, das durch das Bild entstanden ist, das über dem Schreibtisch des Königsberger Lederkaufmanns Kremp hing. Sein Enkel Manfred Kremp hatte es aufgestellt, und jetzt ist es wohl dank der Zuschrift von Herrn Peter Perrey sicher, dass es sich um die „Grüne Brücke“ handelt. Das meint auch Herr Kremp, der sich freut, dass seine kleine Frage eine so große Resonanz gefunden hat, und er möchte sich noch einmal bei unseren Lesern bedanken, auch im Namen seiner mitforschenden Großkusine, die er übrigens durch unsere Zeitung gefunden hat! Eigentlich bin ich etwas verwundert, dass nicht anschließend von Leserseite gefragt wurde, warum die „Grüne Brücke“ so genannt wurde. Um es kurz zu machen: Sie erhielt ihren Namen nach dem „Grünen Tor“, das die Kneiphöfische Langgasse gegen den Pregel und die Brücke abschloss und das einen grünen Anstrich hatte. Die Frage kam mir in den Sinn, weil unsere familieneigenen Brückenrätsel weitergehen, denn nun meldet sich ein Leser und fragt, warum die Honigbrücke eigentlich so heißt. Und seit wann sich dort Brautleute gemeinsam „verschließen“ und den Schlüssel dann als Symbol ewiger Treue im Pregelschlamm versenken.

Die erste Frage kann ich einwandfrei beantworten. Ich selber hätte zwar darauf getippt, dass auf dieser Brücke einst die Beutner ihren Honig feilboten – so wie die Kleinhändler auf der Krämerbrücke in ihren Buden –, aber zum Glück gibt es das „Geschichtliche Straßenverzeichnis der Stadt Königsberg in Preußen“ von 1924, und dem überlasse ich nun die Antwort. Da steht zu lesen: „Freibergs Chronik berichtet aus dem Jahre 1527, dass die Kneiphöfer zum Lohn für ihre Einwilligung in die Erbzeise (Herzog Albrecht war stets geldbedürftig und schloss alle nur möglichen Steuerquellen auf) Buden beim Dom und Honig erhalten hätten, wonach die Kneiphöfer von den neidischen Mitmenschen ,Honigklecker‘ genannt worden wären. Dieser Spitzname übertrug sich auch auf die 1542 erbaute Honigbrücke und das zu dieser führende Honigtor.“ Die zweite Frage muss ich leider ungeklärt lassen, vielleicht kann sie jemand von unseren Lesern beantworten. Bei dem von russischen Brautpaaren anscheinend begeistert – seit wann? – ausgeübten „Schloss anbringen“ mit anschließendem Schlüsselversenken handelt es sich ja um einen neuen Brauch, der territorial nicht begrenzt ist und manchmal auszuufern droht. Auch bei uns hat man schon Schlösser knacken müssen, weil Brückengeländer beschädigt wurden. Viele Fragen, die unsere Ostpreußische Familie erreichen, sind für die persönliche Beantwortung bestimmt und können auch so erfüllt werden. Und doch bringe ich diese oder jene gerne in unsere Kolumne ein, weil ich glaube, dass sie auch andere Leserinnen und Leser interessieren. Oder in ihnen Erinnerungen wecken wie meine Plauderei „Liebstöckel, Marienblatt & Co“, wobei zu letzteren der Korinthenbaum zählt. Der ließ bei Frau Ilse Thomann, Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, die Erinnerungen an den Schulgarten in Wesselshöfen bei Zinten wieder wach werden, denn in ihm stand ein Korinthenbaum mit seinen kleinen süßen Früchten. Frau Thomann hatte schon einmal im Heiligenbeiler Heimatblatt nach diesem Baum gefragt und außer einigen Fehlmeldungen auch eine richtige Antwort bekommen: Felsenbirne! Die Tochter des damaligen Lehrers, die sie gegeben hatte, brachte sogar zu einem Heimattreffen diese getrockneten „Korinthen“ mit. Nun erhielt Frau Thomann sozusagen als „Margrietsch“ die Bestätigung durch den Beitrag auf unserer Familienseite und noch Wissenswertes dazu. Liebe Frau Thomann, ich möchte mich noch bei Ihnen für die liebevollen Worte für die „immer wieder interessanten wöchentlichen Artikel in der PAZ“ bedanken, und ich freue mich sehr, dass meine von Ihnen vorgelesene Erzählung „... und niemals kam ich nach Pörschken“ (aus meinem Buch „Wo der Sprosser sang“) auf dem letzten Treffen der Kreisgemeinschaft so viel Anklang gefunden hat.

Und da wir schon im Kreis Heiligenbeil sind: Jetzt ist doch etwas Licht in die Herkunft des Namens „Frisches Haff“ gekommen. Ich hatte ja immer noch auf die Verbindung mit dem Flüsschen „Frisching“ als Namensgeber getippt, weil ich meinte, dass es sich um eine prussische Bezeichnung handeln müsste. Hierzu erhielt ich von Frau Beate Szillis-Kappelhoff, die im Rahmen ihrer Ahnenforschergruppe Memelland bei dem genealogischen Lexikon genwiki tätig ist, wertvolle Hinweise. Ich kann nun mit Genugtuung feststellen, dass der Name Frisching tatsächlich prussischen Ursprungs ist. wie die Endung „ing“ beweist, die auf ein Gewässer hindeutet. Der erste Namensteil wird mit dem prussisch-litauischen „versme“, was so viel heißt wie Quelle, Strudel oder Bruch, in Verbindung gebracht. Das bestätigt auch eine Namensnennung aus dem Jahr 1576, wo der fast 90 Kilometer lange Flusslauf als „Vrisching“ bezeichnet wird. Damit dürfte der Frisching aber nicht als Namensgeber für das Frische Haff in Frage kommen. Für dieses Gewässer findet man bei genwiki folgende Erklärung: „Die Prussen nannten das Haff Alsmaris, was ,schnell bewegendes Haff‘ bedeutet und mit der deutschen Bezeichnung ,frisch‘ korrespondiert.“ Danach könnte die These richtig sein, dass durch die Durchbrüche im Südteil der Nehrung „frisches, bewegendes Wasser“ in das Haff gelangte und somit den Namen mitbestimmte. Aber eine Hintertüre lässt sich auch dieses Lexikon offen, denn es erwähnt auch die Deutung „Friesisches Haff“ durch die am südlichen Haffufer angesiedelten Friesen. Herr Dr. Siegfried Pelz, Wyk auf Föhr, rief an und bestätigte diese Version. Der in Heiligenbeil Geborene beruft sich auf eine Karte aus dem 14. Jahrhundert, die er einmal gesehen hätte, mit der Bezeichnung „Friesisches Haff“. Herr Dr. Pelz weist daraufhin, dass eine plattdeutsche Bezeichnung für die Friesen noch heute „Freesch“ lautet. Auch diese Deutung klingt plausibel. Es kann also sein, dass beide Versionen einmal ineinander verschmolzen. Wir danken jedenfalls allen Informanten, die diese kleine Anfrage „Warum heißt das Frische Haff so?“ zu einem mehrteiligen interessanten Geschichtsbeitrag werden ließen. Und gerne gebe ich diesen Hinweis von Frau Beate Szillis-Kappelhoff (E-Mail: kappelhoff.salzbergen@online.de) weiter an interessierte Leserinnen und Leser: „Wir können gut freiwillige Mitarbeiter gebrauchen, die ihre eigenen Familiendaten in den jeweiligen Orten einsetzen. Unser Team hilft gerne bei der Einarbeitung.“ (Hier das im Wachsen begriffene Portal Ostpreußen: http://wiki-de.genealogy.net/Portal:Ostpreußen)

Ein großes Dankeschön kam von Frau Ursula Karge aus Norden. Unser nochmaliger Hinweis auf ihre Suche nach Konfirmationsurkunden hat einen beachtlichen Nachschub erbracht, 40 sind es nun insgesamt geworden und viele nette Briefe und Hinweise auf persönliche Schicksale gab es dazu. Ihrem Schreiben lagen wieder einige der von ihr gestalteten Künstlerkarten bei, vor allem mit ostpreußischen Motiven. Und eines soll unsere heutige Familienseite schmücken, weil es so gut in diese Jahreszeit passt. Zwar schwimmen die Weihnachtsgänse noch auf dem offenen See, aber die masurische Landschaft hüllt sich schon in einen leichten Schneemantel.

Eure Ruth Geede


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