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01.12.12 / Revolutionär als Sympathieträger / Einseitige Biografie betont nur die guten Seiten von Friedrich Engels

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-12 vom 01. Dezember 2012

Revolutionär als Sympathieträger
Einseitige Biografie betont nur die guten Seiten von Friedrich Engels

Die bisher erschienenen Besprechungen zu Tristram Hunts „Friedrich Engels. Der Mann, der den Marxismus erfand“ sind voll des Lobes. Fritz Raddatz, dem wir eine vorzügliche Marx-Biografie verdanken, nennt das Werk Hunts „ein großartig komponiertes, spannend erzähltes, mit erstaunlicher Faktenkenntnis geradezu brillierendes Buch“.

Da fällt es dem Rezensenten nicht leicht, massive Vorbehalte anzumelden. Doch das Ringen um die rechte Erkenntnis hat Vorrang. Zunächst Positives: Wie Engels selbst so hat auch die Biografie viele gute Seiten. Engels war ein treuer Freund, ein vielseitig interessierter polyglotter Mann, ein Kämpfer für seine Überzeugung. Das Buch gibt fundierten Einblick in die Zeitumstände, in Menschen und Mächte, vermittelt Einsichten in das Leben des Helden, die bisher so gut wie unbekannt waren.

Freilich, manches davon bleibt unbelegt, so dass Zweifel nicht ausgeräumt werden. Umgekehrt schenkt Hunt Menschen blindes Vertrauen, vor denen sogar Engels gewarnt hat, beispielsweise Eleanor Marx und Wilhelm Liebknecht. Doch das sind Nebensächlichkeiten.

Engels sei kein Dogmatiker gewesen, betont Hunt mehrmals. Doch gleichzeitig ist immer wieder von Engels’ wissenschaftlichem Sozialismus und seinen allseits gültigen „Gesetzen“ die Rede. Engels ließ daran nicht rütteln, obwohl sie alle Humbug sind und sogar von den Sowjets ins Reich der Philosophie verwiesen wurden.

Wichtiger ist der Mann an Marxens Seite. Beide sind die obersten Heiligen des kommunistischen Götterhimmels. „Das Schwarzbuch des Kommunismus“ beweist, dass Kommunisten weltweit den Tod von über 100 Millionen Menschenleben zu verantworten haben. Können da die Verfasser des „Manifests der Kommunistischen Partei“, jenes Pamphlets, das die weiteste Verbreitung gefunden hat, ihre Hände in Unschuld waschen?

„Die Antwort muss selbst in unserem modernen Zeitalter der historischen Rechtfertigungen Nein lauten. Weder Engels noch Marx kann man vernünftigerweise die Schuld an Verbrechen geben, die Generationen nach ihnen verübt wurden, auch wenn sich die Täter auf sie beriefen“, schreibt Hunt.

Doch das überzeugt nicht! Lenin war immerhin schon 25 Jahre alt, als Engels starb. Auch der Hauptherausgeber des Schwarzbuches, Stéphane Courtois, nimmt in seiner Einleitung Marx und Engels in Schutz. Vom Gegenteil überzeugt, stellte ich ihn zur Rede und zitierte einschlägige Texte der Freunde, so aus dem „Manifest der Kommunistischen Partei“ die Passage: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären offen, dass ihre Ziele nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.“ Und ich fügte hinzu, dass die Umsetzung dieses Vorhabens Berge von Leichen und Ströme von Blut verursachen musste. Darauf Courtois: Ich revidiere meine Sicht! Gesagt, getan. Er schrieb das Vorwort zu meinem „Rotbuch der kommunistischen Ideologie. Karl Marx & Friedrich Engels. Die Väter des Terrors“.

Zitat um Zitat der beiden füllen über 300 Seiten. Doch bei Hunt suchen wir nahezu alle unheilschwangeren Äußerungen Engels’ vergebens. So gelingt es, aus den skrupellosen Revolutionären humanistische Sympathieträger zu machen. Darf man das? Muss man das nach dem Ende des Kalten Krieges? Auch während des Kalten Krieges hätten die Gegner der Sowjetideologie gerne Marx und Engels gegen Stalin und seine Nachfolger in Stellung gebracht. Aber das war auf seriöse Weise nicht gut möglich.

Konrad Löw

Tristram Hunt: „Friedrich Engels. Der Mann, der den Marxismus erfand“, Ullstein Buchverlage, Berlin 2012, geb., 575 Seiten, 24,99 Euro


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