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08.12.12 / Flughafenchaos mit Vorkasse / Gutachten zum BER schockt Berliner: »Nach einem Jahr wird alles zusammenbrechen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

Flughafenchaos mit Vorkasse
Gutachten zum BER schockt Berliner: »Nach einem Jahr wird alles zusammenbrechen«

Er werde nicht nur teurer und später fertig, der Flughafen BER werde gar nicht funktionieren, sagt ein Gutachter. Das einstige Prestigeprojekt wird für die Politik in Berlin und Brandenburg zunehmend zum Albtraum.

Wegen Fehlern beim Brandschutz und weiterer Mängel hat sich die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER inzwischen mehrmals verschoben. Der nun für den 27. Oktober 2013 geplante Start ist nach Bekanntwerden neuer Mängel und eines unabhängigen Gutachtens ebenfalls kaum noch zu halten, 2014 als Eröffnungszeitraum in Sicht. Laut „Tagesspiegel“ zweifeln Baufirmen inzwischen die Zahlungsfähigkeit der Betreibergesellschaft an, legten zeitweilig die Arbeit nieder. Solche Baustopps, ständige Mehrkosten und die Erfolge der Nachtfluggegner bei der Anbahnung eines Volksbegehrens schieben BER in eine Parkposition als überteuerter, chaotischer Provinzflughafen.

Mit mehr als 27 Jahren Berufserfahrung hat Dieter Faulenbach da Costa weltweit Flughäfen von Breslau bis Karachi geplant und ist daher auch in Metropolen wie New York gefragt. Er legte nun ein 75 Seiten starkes Gutachten zum Großprojekt BER vor. Seine auf einem Vergleich mit dem Flughafen Frankfurt beruhende Studie stellt neue BER-Mängel vor und beschreibt ein Horrorszenario: 3,3 Milliarden Euro weitere private Investitionen seien nötig, um Engpässe, Verspätungen und Chaos wegen zu klein ausgelegter Anlagen zu verhindern, Geld, das unter anderem in die Regionalflugplätze Cottbus und Neuhardenberg fließen müsse. Nur bei deren Ausbau könne der Billigflugverkehr aufgefangen werden. Denn das „Kardinalproblem“ des neuen Standorts BER sei das Nebeneinander von Billig- und Premiumanbietern, das die Preise ruiniere. Als Manager des Baukonzerns Hochtief war er an der BER-Ausschreibung beteiligt. Noch 2007 hatte er dessen angeblich zu große Ausmaße bemängelt. Damals sprach er sich für eine Verkleinerung der Abfertigungshalle aus, um zu sparen. Laut SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher ist das aktuelle Gutachten daher „Satire vom Allerfeinsten“.

Doch Faulenbach da Costa kontert, damals sei man noch vom Planfeststellungsbeschluss ausgegangen – wäre es dabei geblieben, wäre BER jetzt nicht zu klein. Der Experte bilanziert, dass die Versäumnisse von Betreibergesellschaft und Senat so umfangreich seien, dass „die Servicestandards unter denen von Tegel liegen werden“. Eine zu schwache Auslegung mit 118 Schaltern und acht Gepäckbändern ist demnach schuld, wenn BER einer der „unpünktlichsten Flughäfen Deutschlands“ würde.

„Schon anhand dieser oberflächlichen Analyse kann festgestellt werden, dass die für den ersten Bauabschnitt am Flughafen BER geplanten betrieblichen Anlagen (Terminal und Flugbetriebsflächen) kein Wachstum zulassen“, heißt es in dem Papier weiter, das verschiedene Szenarien be­rück­sichtigt. Ein Drehkreuzverkehr als Jobmotor wird sich laut Faulenbach da Costa daher „nicht etablieren“, da schon der Eigenbedarf der Region „des Jahres 2015 mit den im Herbst 2013 in Betrieb gehenden Anlagen nicht abgefertigt“ werden könne. Nach der Eröffnung wird BER demnach geschätzte 27 Millionen Passagiere im Jahr bewegen müssen. Ausgelegt sei er aber nur für 17 Millionen im „weitgehend störungsfreien“ Betrieb. BER wäre damit nicht nur zu klein, was eine Weiternutzung des alten Standorts Schönefeld nötig mache. Der Neubau sei auch unrentabel.

So rechnet der Experte dem Senat einen Bedarf von 190 Millionen Euro Betriebskostenzuschuss pro Jahr vor. Fehlgeplant seien neben zu wenig Schaltern und Kofferbändern auch die 24 provisorischen Schalter außerhalb der Halle. Verspätungen würden Flüge in die Nachtzeit verschieben, so das Gutachten – eine Steilvorlage für die Nachtfluggegner, die diese Woche die erforderliche Menge von Unterschriften für ein Volksbegehren im Land Brandenburg vorgelegt haben. Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr wollen sie die Flieger am Boden halten. Es wäre ein weiterer Rückschlag für den Flughafen, warnen Politik und Planer. Doch selbst vom Luftfahrtexperten Richard Vahrenkamp bekommen die Nachtfluggegner Rückenwind: Er erfragte bei Berlins 20 führenden Industrieunternehmen den Luftfrachtbedarf. Bei den verarbeitenden Firmen herrscht demnach praktisch kein Bedarf an Luftfracht und so auch nicht an nächtlichen Flügen, was die Pläne der Politik vom Drehkreuz untergräbt.

Flughafenchef Rainer Schwarz wies die geballte Kritik zurück. Der Flughafen werde bedarfsgerecht für 27 Millionen Passagiere gebaut, Erweiterungen ließen 45 Millionen Gäste zu. Wie, ließ er offen.

Die nötigen 312 Millionen Euro, die der Bund zu BER beitragen will, bleiben indes weiter gesperrt. Die Politik Berlins und Brandenburgs gerät nun nicht nur an finanzielle Grenzen. Sie hat sich mit ihrem Planungsversagen erpressbar gemacht. Das zeigt der aktuelle Streit um Baustopps, den Schwarz und die Baufirmen offenbar hinter den Kulissen führen. Faulenbach da Costas Gutachterfazit, dass ohne Satelliten-Flughäfen und viel weiteres Geld der Kollaps drohe, kommt dem Interesse der Branche an weiteren Aufträgen entgegen. Einige baubeteiligte Firmen verlangen Zeitungsberichten zufolge inzwischen „Vorkasse“, bevor sie arbeiten. Das Gutachten empfiehlt als Lösung, BER „ausschließlich als Qualitätsairport“ anzubieten. Doch den Weg hat sich die Politik mit Schließungen bisheriger Standorte und dem eigenen Anspruch an das teuer steuerfinanzierte Großprojekt verstellt. Sverre Gutschmidt


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