19.04.2024

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08.12.12 / Advent, Advent ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

Advent, Advent ...
von Vera Lengsfeld

... ein Lichtlein brennt. Nein, nicht eins, Tausende. Berlin ist zwar arm, aber an der vorweihnachtlichen Festbeleuchtung wird nicht gespart. Nur „Unter den Linden“ ist es dunkler als in den Jahren zuvor, als es die mit Lichterketten geschmückten Baumreihen bis in die kasachischen Nachrichten geschafft hatten. Allzu viele Bäume mussten den Bauarbeiten für die U-Bahnlinie weichen, die den Hauptbahnhof mit dem Alexanderplatz verbinden soll.

Pünktlich zum ersten Advent fiel der erste, wenn auch nasse Schnee. Immerhin reichte es für eine romantische Überzuckerung von Häusern, Grünanlagen und Weihnachtsbäumen, die überall in der Stadt stehen.

Und dann ist es wieder da, das besondere Gefühl, das die meisten Menschen in der Vorweihnachtszeit beschleicht: der Wunsch nach Frieden und Wohlergehen für alle.

Das wissen auch die vielen fleißigen Helfer, die für die unterschiedlichsten Verbände und Institutionen Spenden sammeln. Sie stehen mit ihren Tischchen an praktisch jeder Ecke der Stadt, versperren die Zugänge zu den Kaufhäusern und den Weihnachtsmärkten.

Es ist unmöglich, einfach nur den Weih­nachtstrubel genießen zu wollen. Auf Schritt und Tritt wird man gefragt, ob man nicht dieses Tier retten, jene Flüchtlingshilfeorganisation unterstützen oder die Arbeit des Roten Kreuzes, des Technischen Hilfswerkes, der Caritas, der Arbeiterwohlfahrt fördern will. Manchmal muss man besonders engagierte Spendensammler regelrecht abschütteln. Es hilft nicht, den einen oder anderen Euro zu opfern, denn an der nächsten Ecke geht es von vorn los.

Angesichts der Vielzahl von Wohlfahrts­verbänden, Umweltschutzorganisationen, Flüchtlingsinitiativen und anderen Vereinen fragt man sich unwillkürlich, warum die Probleme, um die sich selbige Organisationen kümmern, nicht weniger werden. Wer bezahlt die vielen Leute, die oft in extra für den Verein hergestellter Kleidung ihrem Geschäft nachgehen?

Mit den Ehrenamtlichen, die früher mit einer Sammelbüchse dezent an einer Ecke standen, hat diese Geldeintreiberei nichts mehr zu tun. Der moderne Spendenakquisiteur ist professionell geschult und scheint auf Erfolgsbasis bezahlt zu werden. Sie verstehen es, allen, die nichts geben wollen, ein schlechtes Gewissen zu machen. Ein ungestörter Vorweihnachtsbummel ist kaum noch möglich. Bei jedem Glühwein soll man abwägen, ob das Geld nicht besser für die Rettung der wachsenden Eisbärenpopulation in der Arktis oder die Sicherung der Arbeitsplätze in der Wohlfahrtsindustrie angelegt ist.

Zum Glück gibt es das schöne Berliner Umland. Wer dem Rummel satt hat, fährt nach Nikolskoje, steht an der kleinen Kirche, blickt über die Havel und freut sich an der Stille.


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