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15.12.12 / Von Rettung und Tod auf hoher See / Erfahrener Kapitän schildert ohne romantische Verklärung spannende Ereignisse an Bord

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Von Rettung und Tod auf hoher See
Erfahrener Kapitän schildert ohne romantische Verklärung spannende Ereignisse an Bord von Schiffen

Es ist kein Platz für die „romantische Seefahrt“ in Jürgen Raths „Mann über Bord! Der Tod auf See“. Zu gefährlich war das Leben eines Seemanns, der oft nur aus Verzweiflung diesen Beruf erwählt hatte, weil es an Land kaum Alternativen gab.

Wer das Donnern der Brandung bei einem Ausflug an der Nordsee noch im Ohr hat, der kann sich gut vorstellen, dass die Arbeit auf einem Segelschiff hoch oben in den Masten kein Zuckerschlecken war. Da schwankte und ruckte es in der Takelage, doch unermüdlich muss-ten die Matrosen ihrer Arbeit nachgehen, zum Wohle des Schiffes und der Ladung. Wohl jeder hat noch den Spruch „eine Hand für den Seemann, eine Hand für das Schiff“ im Ohr, aber häufig ließen sich die Arbeiten nur in freier Balance ausführen, mit beiden Händen in den Segeln, in der Hoffnung, nicht abzurutschen. Ihre Kraft und Ausdauer halfen ihnen zwar, doch immer wieder fielen Seeleute aus dem Mast ins Wasser und ertranken oder blieben mit zerschmetterten Gliedern an Deck liegen. Damit auch „Landratten“ verstehen, wie und unter welchen Bedingungen diese Unfälle zustande gekommen sind, beschreibt der Autor zunächst die Arbeiten auf Segel- und Dampfschiffen und stellt die verschiedenen Berufsgruppen an Bord vor.

Bei der aufkommenden mondänen Passagierschifffahrt sah die Welt nur den Luxus in der Ausstattung, nicht aber die kaum auszuhaltenden Arbeitsbedingungen der Heizer und Trimmer vor dem Dampfkessel tief unten im Schiffsrumpf, umgeben von einer unmenschlichen Hitze, welche die Feuer ausströmten: „Oben schwimmende Paläste, unten schwimmende Höllen“ war ein geflügeltes Wort an der Küste. Unter diesen Bedingungen blieben Unfälle, oft auch mit tödlichem Ausgang, nicht aus. Neben den Unfällen wird auch über „Mord an Bord“, der unter diesen abgeschiedenen Verhältnissen selten vor- kam, über Selbsttötung und über die medizinische Versorgung an Bord berichtet. Wenn ein Seemann das Glück hatte, einen Unfall zu überleben, war er, weit entfernt von ärztlicher Versorgung, auf die Geschicklichkeit des Kapitäns angewiesen, wobei äußerlich erkennbare Verletzungen meistens einigermaßen erfolgreich behandelt werden konnten. Schwieriger war es bei inneren Krankheiten, wo der Kapitän anhand des Medizinbuchs an Bord eine Diagnose versuchen und den Patienten mit dem Inhalt der dürftig ausgestatteten Medizinkiste heilen musste. Auf den monatelangen Seereisen kam es auch immer wieder zu lebensbedrohlichen Mangelerkrankungen. Und wenn die Matrosen Landgang hatten, waren die Folgen einer Anste-ckung durch Geschlechtskrankheiten oft langwierig oder auch tödlich. Wenn eine Behandlung nicht erfolgreich war oder ein Unfall zum Tode führte, gab es ordnungsgemäße Begräbnisrituale, die fest im Bordleben verankert waren.

Rath berichtet aber auch von hoffnungsfrohen Ereignissen, denn trotz schwierigster Wetterlagen wurden immer wieder Seeleute, die über Bord gegangen waren, aus dem Wasser gerettet. Auch wenn sich viele Arbeitsbedingungen deutlich verbessert haben oder Berufsbilder wie Heizer und Trimmer inzwischen ausgestorben sind, so sind Unfälle auf See bis heute noch aktuell, wie sich ja auch an den beiden tragischen Todesfällen auf der „Gorch Fock“ in den letzten Jahren zeigt.

Jürgen Rath, Seemann mit Kapitänspatent und promovierter Historiker, lässt den Leser am Seefahrerleben teilnehmen, er beschreibt eindrucksvoll, welche Gefahren das Bordleben mit sich brachte und wertet Zeitzeugenberichte aus. Er erzählt spannend und mit breitem historischen und seemännischen Hintergrundwissen von den Ursachen für Unfälle und Todesfälle an Bord. Das lesenswerte Buch ist mit vielen aussagekräftigen zeitgenössischen Fotos und Abbildungen illustriert. Es gibt auch ein informatives Glossar für die Fachbegriffe und ist damit auch für „Landratten“ sehr geeignet. Britta Heitmann

Jürgen Rath: Mann über Bord! Der Tod auf See, Sutton Verlag, Erfurt 2012, 128 Seiten, 16,95 Euro


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