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05.01.13 / Nur 15 Beamte für 264 Kilometer / Grenzkriminalität in Brandenburg: Politik reicht ein Feigenblatt, Bewohner enttäuscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Nur 15 Beamte für 264 Kilometer
Grenzkriminalität in Brandenburg: Politik reicht ein Feigenblatt, Bewohner enttäuscht

Während Grenzkriminalität weiter große Schäden verursacht, nimmt in Brandenburg nach neun Monaten Schulung eine gemeinsame Einheit aus Bundespolizei und polnischem Grenzschutz ihre Arbeit auf. Indes: Nur je 15 Beamte sind auf jeder Seite geplant, für 264 Kilometer Grenze. Eine „Groß-übung“ sollte jüngst die Schlagkraft der Truppe demonstrieren. Allein angesichts der Verkehrsströme droht ihr jedoch ein Dasein als Feigenblatt der Politik. In der Mark eingesetzte Beamte werden zudem aus ihren bisherigen Dienststellen herausgelöst – so entstehen neue Sicherheitslücken.

Eine bittere Bescherung traf nur Tage vor Weihnachten den Besitzer einer Landtechnikhalle nahe Küstrin: Traktoren im Wert von 250000 Euro wurden im Morgengrauen gestohlen. Der Firmeninhaber verlangt, dass die Politik endlich handelt, Grenzkriminalität bekämpft. Ein entscheidender Beitrag dazu soll die neue Einheit aus Bundespolizei und polnischem Grenzschutz sein. Seit März wurde sie geformt. Das Zusammenspiel in Rechtsfragen und Taktik sowie die Verständigung funktionieren nun, und eine „Großübung“ demonstrierte jüngst medienwirksam Einsatzbereitschaft. Die Polizisten stehen vor allem an den einst großen, seit dem Schengen-Abkommen der EU verwaisten Grenzübergängen.

„Die Übung ist ein weiterer großer Schritt auf dem Weg zu gemeinsamen Dienststellen“, freut sich Wilhelm Borgert, Leiter der Bundespolizeiinspektion Frankfurt/Oder. Die Verteilung in der Breite des grenznahen Raums bleibt herausfordernd: Neben dem einstigen Übergang von Frankfurt über die Oder nach Schwetig sollen die Polizisten auch an der Neiße-Grenze in Ludwigsdorf stationiert werden, wo ein Übergang in den polnischen Teil von Görlitz führt. Bis 2016 handeln dann die auf jeder Seite 15 Beamten organisatorisch aus ihren bisherigen Dienststellen herausgetrennt und eigenständig im Grenzraum. Vom Einsatzort hängt die jeweilige Leitung ab. In Deutschland übernehmen sie deutsche Beamte. Hauptsächlich kommt die neue Einheit an der E 30 zum Einsatz, die als A12 Berlin mit Frankfurt/Oder verbindet und die Hauptroute bildet zwischen Warschau und der deutschen Hauptstadt. Diese wichtigste Ost-West-Achse im Grenzgebiet passieren täglich Schätzungen der Polizei zufolge allein gut 16000 Lkw und 10000 Pkw. Angesichts dieser Mengen sind nur stichpunktartige Kontrollen möglich. Von Anfang 2012 bis zum 13. Dezember vermerkten die Beamten dabei 868 unerlaubte Einreisen nach Deutschland, dreimal so viele wie im Vorjahr. Über 100 Schleusungen von Menschen im Monat bilden den derart bemerkten Durchschnittswert, die Zahl verweist auf eine enorme Dunkelziffer. Entsprechend fand bei einem Treffen von Unternehmern der Uckermark zum Thema Grenzkriminalität im Dezember die Verstärkung der Polizei zwar grundsätzlich Anerkennung, aber die 25 Teilnehmer kritisierten, dass die herangezogenen Polizisten nicht dauerhaft vor Ort seien.

So würden die Beamten zum Schutz von Fußballspielen abgezogen, monierten die Geschäftsleute. Der existenzgefährdende Druck von Diebstahlserien nimmt indes nicht ab. Hier helfe keine künstliche DNA, sondern nur Polizisten, die aber von der Politik weggespart würden, so der Tenor der Unternehmer. Der Schaden durch Diebstahl von technischem Gerät erreicht dieses Jahr allein im Raum Seelow mehrere Millionen Euro. Manche Unternehmer drohen bereits aus Protest gegen die Untätigkeit der Politik, ihren Betrieb abzumelden. Die Betroffenen frustriert nicht die Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei, die allgemein als gut bewertet wird, sondern schlicht deren Fehlen, besonders nachts, wenn Wachen nicht besetzt sind. Selbst bei einer privaten Verfolgungsjagd von Traktordieben konnte die Polizei einem Landwirt jüngst keine Unterstützung leisten, und das bei einer Höchstgeschwindigkeit der geraubten Fahrzeuge von 40 Kilometern pro Stunde.

Auch in den anderen grenznahen Bundesländern Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Bilanz bisheriger Maßnahmen mager. Ab diesem Monat soll die Zahl der Polizisten in der Gemeinsamen Fahndungsgruppe Neiße (GFG Neiße) von zehn auf 20 Beamte (je zehn sächsische und zehn polnische) erhöht werden, verkündete Sachsen Ende November. Dass „doppelt so viel Personal“ mehr Sicherheit bedeute, wie Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) beteuert, ist ein schwacher Trost für die Region um die immerhin 123 sächsischen Kilometer der deutsch-polnischen-Grenze. Laut Sachsens im November eingesetztem neuen Polizeipräsidenten Rainer Kann verletzt Kriminalität das „subjektive Sicherheitsempfinden“. Jede Form davon nehme er ausgesprochen ernst: „Dazu gehört auch die grenzbezogene Kriminalität.“ Für Mecklenburg-Vorpommern stellte der Direktor des Landeskriminalamts (LKA), Ingolf Mager, noch kurz vor den Feiertagen einen weiteren Anstieg von Grenz- und Transitkriminalität in Aussicht. Das Land werde zunehmend zum Transitland ausländischer Diebesbanden, so Mager. Mit 78 Kilometern Grenze zu Polen hat er den vergleichsweise kleinsten Abschnitt zu betreuen.

Die deutsche Politik verabschiedet sich derweil vom Konzept Grenzschutz: Für die Neuvermessung der gut 465 Kilometer langen Trennlinie zu Polen gibt sie zwar noch einmal Millionen aus, um die große Zahl zerstörter oder falscher Grenzsäulen zu beheben, doch die Vermesser sind inzwischen häufiger an der Grenze als Einheiten, die sie schützen könnten. Sverre Gutschmidt


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