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05.01.13 / Vertriebenenverbände im Düsseldorfer Landtag / Nordrhein-Westfalen würdigt mit einem Parlamentarischem Abend die Verdienste der Vertriebenen um den Wiederaufbau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Vertriebenenverbände im Düsseldorfer Landtag
Nordrhein-Westfalen würdigt mit einem Parlamentarischem Abend die Verdienste der Vertriebenen um den Wiederaufbau

Zu einem „Parlamentarischen Abend“ lud die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen, Carina Gödecke, nach Düsseldorf ein, um, wie es in der Einladung hieß, der Leistung der über zwei Millionen Vertriebenen in Nordrhein-Westfalen am wirtschaftlichen, kulturellen und demokratischen Aufbau des Landes nach den Kriegsverheerungen Rechnung zu tragen.

Der Abend wurde mit Hilfe des Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen und der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus gestaltet. Im Zentrum stand die Eröffnung der Ausstellung „Im Dienste der Menschheit − Bedeutende Persönlichkeiten aus dem historischen Deutschen Osten“, die von der „Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa − Ostpreußischer Kulturrat“ und von der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus zusammengestellt worden ist.

In der Bürgerhalle im Parterre bot sich dem Besucher ein überwältigendes Bild. Die Ostpreußen, die Westpreußen, die Pommern, die Schlesier, die Banater Schwaben, die Siebenbürger Sachsen, die Danziger, die Baltendeutschen, die Deutschen aus Russland, sie alle zeigten an ihren Ständen die Geschichte ihrer Heimatländer, boten Informationsmaterial und Spezialitäten an. Die Gäste konnten ostpreußischen Bärenfang, schlesischen Mohnkuchen, baltische Piroggen und pom-mersche Leberwurst probieren, Trachten bewundern und anhand von Landkarten und Bildbänden feststellen, was durch Krieg und Vertreibung verloren gegangen ist. Den bedeutenden Beitrag des Ostens zur gesamtdeutschen und europäischen Kultur hob auch die Landtagspräsidentin Carina Gödecke in ihrer Ansprache hervor, mit der sie die Ausstellung „Im Dienste der Menschheit“ eröffnete. Sie nannte nur neun Namen (Hauptmann, Rilke, Eichendorff, Kant, Schopenhauer, Lassalle, Käthe Kollwitz, Edith Stein, Lina Morgenstern) – die Ausstellung zeigt neunzig Schautafeln mit oft mehreren Namen.

Die Landtagspräsidentin dankte den Vertriebenen, das reiche kulturelle Erbe bewahrt und gepflegt zu haben, und noch deutlicher drückte sie die Hochachtung vor dem Friedenswillen der Vertriebenen aus, vor der klaren Absage von Gewalt und Hass durch die „Charta“, die zudem auf die Schaffung eines geeinten Europas ausgerichtet ist. „Wir sind an diesem Ziel angekommen“, betonte sie und nannte die Heimatvertriebenen „Botschafter der Aussöhnung und Verständigung.“

Wie weit die deutsche, seit Jahrhunderten gewachsene Kultur in den Osten reichte, zeigte der Präsident der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa, Klaus Weigelt, in seiner Einführungsrede auf. Ein friedliches Zusammenleben von Litauern, Polen, Deutschen, Ukrainern, Juden, Tschechen, Slowaken und Roma habe es bis zum Ersten Weltkrieg gegeben. Von Masuren bis zum Banat, von Ostpreußen bis Ungarn gab es deutsche Prägung. Die Diktaturen des 20. Jahrhunderts haben dieser Symbiose den Todesstoß versetzt und die Spuren vernichtet. Weniges ist erhalten geblieben oder restauriert worden: die Marienburg, das Thomas-Mann-Haus, Danzig, einzelne Gutshäuser oder Kirchen. Unzerstörbar aber sind die Lebensgeschichten als Zeugnis deutscher Geschichte.

Weigelt nannte den Mathematiker David Hilbert, geboren in Wehlau, den Sozialdemokraten Kurt Schumann aus Westpreußen und den Politiker Eduard von Simson aus Königsberg.

Die Ausstellung sei kein Rück-blick, sondern ein Ausblick in die europäische Zukunft. Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen Hans-Günther Parplies, dankte dem Landtag für die Einladung und die Möglichkeit der Vertriebenen, sich vorzustellen, wies aber dann darauf hin, dass für die Kultur der Vertriebenen mehr getan werden müsse. „Wenn eine Nation ein Viertel ihres Territoriums verliert und die Bevölkerung total ausgetrieben wird, sollte es selbstverständlich sein, dass die Nation deren Kultureinrichtungen auffängt und weiterführt“, so Parplies. Er führte als Beispiel das „kleine“ Volk der Finnen an, die nach dem Verlust Süd-Kareliens an die Sowjetunion alle Bildungseinrichtungen, Universitäten, Schulen, Theater, Bibliotheken bis heute fortführen.

Da ein Viertel der Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen aus dem Osten stammt, müsste das Land eigentlich eine ostdeutsche Universität und an die hundert Bildungseinrichtungen für ostdeutsche Literatur, Geschichte, Kunst und Brauchtum haben. Stattdessen hat die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den einzigen Lehrstuhl für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa gestrichen, und mit der Forschungsstelle Ostmitteleuropa in Bochum wurde 2005 der letzte wissenschaftliche Standort geschlossen. Parplies konnte allerdings doch mehrere Einrichtungen aufzählen: das Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf, das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen, das Westpreußische Landesmuseum in Warendorf, das Museum der Deutschen aus Russland in Detmold, auch verwies er auf den Paragrafen 96 und den Schülerwettbewerb, aber es müsse ein neues Bewusstsein geweckt werden. Die Gesellschaft müsse begreifen, dass die unersetzlichen Verluste im Osten, besonders Archive und Bibliotheken, ein Verlust für alle sind, nicht nur für die Vertriebenen, denen er eine „gebrochene Biografie“ zuschrieb. Auch darin liegt eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Ein besonderer Genuss war der Vortrag von Professor Oskar Gottlieb Blarr über die Orgellandschaft Ostpreußen mit musikalischer Darbietung.Bärbel Beutner


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