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05.01.13 / Wo einst Edelfische ins Netz gingen / Bis 1945 wurde auf dem Haff gefischt − Überfischung brachte Betriebe zum Stillstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Wo einst Edelfische ins Netz gingen
Bis 1945 wurde auf dem Haff gefischt − Überfischung brachte Betriebe zum Stillstand

In den Dörfern am Kurischen Haff war die Fischerei jahrhundertelang der wichtigste Erwerbszweig. Auf der Kurischen Nehrung, dem zwischen dem Haff und Ostsee gelegenen, 98 Kilometer langen Sandrücken mit bis zu 62 Meter hohen Dünen, gab es überwiegend reine Fischerdörfer. Entlang der Festlandküste des Haffs waren es Fischer-Bauern-dörfer. Dort fanden die Fischereifahrzeuge bei Eisgang und schweren Stürmen in den Flussmündungen Zuflucht. Allein in Labadienen (Haffwinkel) an der Deimemündung mit seinen 560 Einwohnern wurden in den 1930er Jahren 48 Großfischereien registriert. Die Fischerbevölkerung der Kurischen Nehrung von Nidden bis Schwarzort und nördlich Memel sprach Kurisch (Lettisch), während litauische Fischer in einigen Dörfern der Festlandküste wohnten. In den übrigen Dörfern war die Bevölkerung überwiegend deutsch. Die nördliche Hälfte der Nehrung kam 1920 mit dem Memelgebiet zu Litauen.

Trotz seiner geringen Tiefe von zwei bis neun Metern war das Kurische Haff äußerst fischreich. Durch das Memeler Tief, der Verbindung des Haffs mit der Ostsee im Norden des Haffs, wechselten große Fischschwärme zwischen Ostsee und Haff hin und her. Der wesentliche Grund für den Fischreichtum des Haffs war das Vorkommen des Stints, der von fischfressenden Fischen wie Aal, Zander und Barsch gefressen wurde, aber auch von Friedfischen wie Plötzen, Brassen, Schnepel und Zährten. Bei dem Durchzug der Fische machten die Fischer mit ihren Segelkähnen sehr große Fänge.

Durch das Fischereirecht war das Kurische Haff in ein südliches und ein nördliches Gebiet unterteilt. Die Fischerei im flachen Nordhaff beschränkte sich auf Aalfang und Fischreusen. Auch die Bauern fischten mit Netzen und Reusen in den Schilfbuchten der Nehrung. Mit dem Stint fütterten sie die Schweine und selbst das Geflügel. Wie das Frische Haff durfte das Kurische Haff nur mit Segelfahrzeugen befischt werden. Altertümlich und traditionell waren die plattbodigen, wetterfesten Segelboote für zwei Mann Besatzung, die Kuren- und Keitelkähne. Bei einer Länge von 10 bis 12 Metern hatten sie einen Tiefgang von nur 40 Zentimetern. Auf dem nördlichen Abschnitt der Nehrung hinter Sarkau und Kunzen wurden rechteckige Sprietsegel verwendet, sonst Gaffelsegel mit krummer Gaffel und ohne Baum. Es bestand Kennzeichnungspflicht der Boote mittels der bunten, hölzernen Wimpel. Auch die Fanggeräte haben sich jahrhundertelang gehalten, bevor es 1900 infolge der stark gestiegenen Nachfrage nach Fisch zu einigen Neuerungen kam, die auf größere Fangerträge abzielten. Gefischt wurde mit riesigen Schlepp-, Zug- und Stellnetzen. Die kleinen Fischerboote hießen Sicken und Lommen. Bis gegen 1900 führten die Fischer sämtliche Holz- und Netzarbeiten selbst aus. Damit auch die Sommerfänge gut verwertet werden konnten, wurden im 19. Jahrhundert eisgekühlte Wagenladungen mit Fisch in weit entfernte Städte transportiert, sogar bis nach Warschau.

Besonders richtete die Fische-reibehörde ihr Augenmerk auf die Erhaltung des Zanderbestands, da die Fischer ihr ausgeklügeltes System von Fangnetzen vor allem auf diesen begehrten Bratfisch einsetzten. In der Zwischenkriegszeit gingen die Fänge insgesamt infolge von Überfischung merklich zurück. Nach Kriegsausbruch 1939 kamen immer mehr Betriebe zum Stillstand. Das Frühjahr 1944 erbrachte dann riesige Fänge an Edelfischen.

Normalerweise fror das Haff in der zweiten Dezemberhälfte zu. Dann begann die Winterfischerei unter Eis, zunächst mittels weitmaschiger Stellnetze. Hauptsächlich aber wurde die Klapperfischerei betrieben, die um 1800 entdeckt worden sein soll. Nur drei Fischarten ließen sich so anlocken: Kaulbarsch, Barsch und der Zander. Wenn im Frühjahr schon im Februar das Eis auf dem Haff aufbrach, bildeten sich mancherorts Packeisgürtel. Dann saß manch ein Fahrzeug wochenlang im Packeis fest. Dagmar Jestrzemski


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