18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.13 / Geisterstadt am Hafen / »Tote Hose«: So denken die Hamburger, wenn sie durch ihre neue Hafencity flanieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Geisterstadt am Hafen
»Tote Hose«: So denken die Hamburger, wenn sie durch ihre neue Hafencity flanieren

Die Bebauung des alten Zollfreihafen-Geländes in der Hamburger Innenstadt galt Mitte der 1990er Jahre als europaweit größtes Städteplanungsprojekt. Rund 40 Prozent der inneren City der Hansestadt, direkt an der Elbe gelegen, sollten neu bebaut werden. Eine Chance, die Architekten und Städteplaner nach Meinung der Hamburger aber wohl weitgehend verspielt haben.

Touristen zeigen sich in der Regel begeistert von der neuen Hafencity. In großer Zahl strömen sie selbst im Winter über den Überseeboulevard. In der Mittagszeit scheint die Hafencity bevölkert, weil Angestellte aus den Büros frische Luft schnappen wollen. Eine Schule und ein Kindergarten, sogar eine kleine ökumenische Kapelle mit 30 Stühlen ist eröffnet worden; der „Spiegel“ residiert, gegenüber einer neuen Strom-Tankstelle von Vattenfall, am Beginn der Hafencity, vom Bahnhof aus gesehen. Das Gebäude von Henning Larsen soll Transparenz und Offenheit symbolisieren; doch mit seiner massigen Präsenz, dem vielen Glas und scharfen Kanten wirkt es wie ein kalter Koloss, von dessen Blick man sich schnell abwendet.

Als der erste Masterplan der Hafencity vielen wie eine Hochhaussiedlung erschien, hieß es: So schlimm werde es nicht werden. Doch nachdem Stadtplaner und Architekten ihre Vision einer modernen Stadt ausprobieren durften, findet das Ergebnis bei den Hamburgern wenig Anklang. Unter den Bedingungen einer „marktkonformen Demokratie“ ist eine Art „Architektur-Zoo“ herausgekommen, heißt es. Andere fühlen sich an Gropius mit seiner „Gartenstadt“ oder an die DDR mit ihren Plattenbauten erinnert.

Weltweit bekannte Architekten wie Richard Meier, David Chipperfield, Christoph Ingenhoven oder Hadi Teherani haben sich in der Hafencity „verwirklicht“. Wer an Architektur der Moderne oder Postmoderne interessiert ist, findet hier gleichsam ein Freiluftmuseum. Herausragend sind sicher die – seit Jahren nur halbfertige – Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron, das verhüllte Unilever-Gebäude an der Elbe oder der Marco-Polo-Turm von Stefan Beinlich. Ansonsten sieht der Beobachter viel Architektur nach dem Motto „quadratisch-praktisch-gut“.

So setzt sich das Fremdeln all derer, die auf das so schön gelegene Ensemble am Wasser gehofft hatten, fort. Warum so wenig Holz verarbeitet sei, fragen sich viele; eine maritime Atmosphäre wie etwa in Oslo oder Kapstadt habe man erwartet und nun blicke man auf Beton, Glas, Stein und Stahl. Auch die nun angepflanzten Bäume und der Traditionsschiffhafen mit vielen schönen alten Seglern machen die Sache aus der Sicht der Hanseaten nicht viel besser.

Viele Büros und nur wenige Wohnungen wurden in dem jetzt weitgehend fertigen, westlichen Teil der Hafencity geplant. Nur wenige konnten sich den Kauf der sehr teuren Eigentumswohnungen leisten. Teilweise kamen die Käufer aus Russland oder Amerika, die sich hier einen Zweit- oder Drittwohnsitz zulegten.

Wer abends in der weitgehend menschenleeren Hafencity spazieren geht, findet nur wenige Fenster erleuchtet, was zeigt, wie wenig Menschen hier tatsächlich leben. Makler und Investoren erklären die hohen Preise der Luxusappartements damit, dass die Stadt Hamburg als vormalige, alleinige Eigentümerin hohe Bodenpreise verlangt habe und die Bauten wegen der Flusslage vor dem allwinterlichen Hochwasser aufwendig befestigt und geschützt werden mussten.

Das Marketing der Hansestadt tut jedenfalls alles, um dem Eindruck einer „toten“ Stadt, wie es in der Bevölkerung heißt, entgegenzutreten. Die veröffentlichten Bilder zeigen „ein Stück Hamburg“ mit­tels belebter Plätze und Promenaden, die in Sonnenschein ge­taucht sind. Die Bilder sollen das berühmte Hamburger „Schmuddelwetter“, was gerade in der Hafengegend unangenehm ist, vergessen machen.

Doch die Realität sieht anders aus. Spaziergängern fällt eine riesige Baugrube, unweit des neuen Kreuzfahrtterminals auf, wo einmal ein weiterer Bürokoloss entstehen sollte; doch man stoppte die Arbeiten, als gerade das Fundament gelegt worden war. Nun sammelt sich das Wasser in der Baugrube und Spötter sagen, dass hier wohl ein neuer Badesee entstehen soll.

Nach intensiven Protesten in der Bevölkerung sollen nun im zweiten Bauabschnitt am Oberhafen mehr Wärme und mehr Menschen einziehen. Auch Wohnungen für Mittelschichtler mit niedrigerem Einkommen werden ge­plant. Wer allerdings auf den Masterplan schaut, entdeckt wieder die typischen Fließband-Häuser, die dieses Mal aber wesentlich billiger werden sollen. „So schlimm wird es nicht werden“, heißt es schon wieder aus dem Munde der Stadtplaner – das freilich verheißt nach den Erfahrungen der letzten 15 Jahre in den Ohren der Hamburger nichts Gutes. Hinrich E. Bues


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren