29.03.2024

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05.01.13 / Suche nach Neuanfang / Frau in der Nachkriegszeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Suche nach Neuanfang
Frau in der Nachkriegszeit

Im Roman „Ferne Schwester“ erzählt Ruth Rehmann die Geschichte einer jungen Frau, die sich Ende der 40er Jahre auf die verzweifelte Suche nach einem Neuanfang begibt. Der Zweite Weltkrieg hat Madeleine alles genommen und so lässt sie sich von Ort zu Ort treiben. Doch weder das turbulente Nachtleben in einer US-Bar, in der sie vorübergehend als Sängerin eine Anstellung findet, noch die ehrlich empfundene Liebe des konservativen Anton vermögen es, die Leere in ihrem Herzen zu füllen. Die einzige Konstante im Leben der jungen Frau sind ihre Briefe an Clara, eine Frau, deren Bekanntschaft sie im Krieg gemacht hat.

Die innere Zerrissenheit der Hauptfigur erschwert es dem Leser, so richtig in die Handlung hineinzufinden. Der Leser lässt sich ähnlich wie Madeleine durch ihr Leben durch die etwas verworrene Handlung des Romans treiben.

Der Horror des Krieges verfolgt Madeleine wie ein düsterer Schatten. Nicht nur, dass er ihr ihre Eltern, ihre Heimat und ihre Freunde genommen hat, auch das Wissen über die schreck-lichen Taten der eigenen Landsleute belasten zusätzlich ihr Gemüt. Ein Fotograf aus der US-Bar konfrontiert sie mit ihren schlimmsten Befürchtungen und Vorstellungen.

„Er ging wortlos an mir vorbei und durch den Vorgarten zur Haustür, die er mit einem Schlüssel aufschloss. Dann sagte er über die Schulter: ,I want to show you something!‘ und ging ins Haus hinein. Das Flurlicht leuchtete auf. Ich sah ihn die Treppe hinaufsteigen und zögerte, bis er die erste Wendung hinter sich hatte, dann ging ich ihm nach, mit zitternden Knien, … Plötzlich ein Lichtstrahl, grellweißer Pfeil, wandert durch die Schwärze, streift mich. Ich kneife geblendet die Augen zu, reiße sie wieder auf. Der Strahl bewegt sich nicht mehr. Er beleuchtet ein Foto, reißt es aus der Finsternis, brennt es in mein Hirn. Jetzt weiß ich, was er mir zeigen will, Bild für Bild, wie der Lichtstrahl wandert, verweilt, wandert, verweilt. Er muss die Fotos bei der Befreiung der Konzentrationslager aufgenommen haben …“ Nach diesem Erlebnis flüchtet Madeleine erneut an einen anderen Ort.

Erst als die junge Frau beschließt, mit einer Gruppe Journalisten von Frankreich aus nach Algerien zu reisen, beginnt sie sich innerlich ansatzweise zu festigen. In Algerien sieht sie sich dazu gezwungen, sich mit der dortigen Rolle der Frau und der völlig anderen Lebensweise auseinander zu setzen.

Die Unterscheidung, welche Menschen gut und welche schlecht für sie sind, ist nicht immer leicht. Diese Erlebnisse verarbeitet Ruth Rehmanns Romanfigur in ihren Briefen an die Bekannte und Schwester im Geiste, Clara. Und eben diese Clara wird es sein, der Madeleine am Ende ihrer Reise ihren ersten festen Entschluss mitteilen wird, den Entschluss, einen Neuanfang zu wagen, ein neues Leben in einer nicht ganz so neuen Heimat.

Ruth Rehmanns „Ferne Schwester“ ist ein verworrener, bunt gemixter und doch berührender Roman. Vanessa Ney

Ruth Rehmann: „Ferne Schwester“, dtv, München 2012, broschiert, 336 Seiten, 9,90 Euro


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